Michelle Weiss: Die Gemälde der Schlosskapelle Dürnkrut#
Michelle Weiss: Die Gemälde der Schlosskapelle Dürnkrut. Marienkrönung, Altar und Embleme. Verlag Berger Horn 2016. 48 S., ill. € 14,-
Klein im Umfang, groß im Inhalt: „Die Gemälde der Schlosskapelle Dürnkrut“ birgt viele Überraschungen. Dürnkut im Marchfeld verbindet man üblicherweise mit der Schlacht zwischen Ottokar von Böhmen und Rudolf von Habsburg anno 1278. Das dortige Schloss beherbergt das Rathaus, Museumsräume und (fallweise) einen Heurigen. Ein eher unbekanntes Highlight ist die Kapelle im Untergeschoss, die trotz fast vier Jahrhunderten wechselvoller Geschichtenahezu vollständig erhalten blieb.
Die, laut Dehio-Handbuch "bemerkenswerte Schlossanlage" in der Ortsmitte war im Besitz der Kuenringer und wurde im 16. Jahrhundert von den Freiherren von Landau umgebaut. Da diese evangelisch waren, entzog ihnen Kaiser Ferdinand II. den Besitz und übergab ihn Rudolph von Tieffenbach (Teuffenbach, 1582-1653), der vom Protestanten zum Katholiken konvertiert hatte. Der steirische Adelige war schon als 18-Jähriger in das kaiserliche Heer eingetreten. Er kämpfte unter Wallenstein, erhielt den Oberbefehl der kaiserlichen Truppen in Ungarn und den Orden vom Goldenes Vlies. Als "Tiefenbach" fand er Eingang in Schillers Drama "Wallenstein". Doch anders als die literarische war die historische Person weder bequem noch Analphabet, sondern hoch gebildet. Die Kenntnisse des Freiherrn in Theologie und Kunst spiegeln sich in der Ausstattung seiner, dem hl. Michael geweihten, Kapelle wieder. Diese erfolgte 1633, etwa gleichzeitig mit seinem Rückzug aus der Armee nach 40 Dienstjahren.
An der Decke der frühbarocken Schlosskapelle befinden sich ein zentrales Rundgemälde (Marienkrönung) und fünf Gemälde in Stuckumrahmungen. Anders als sonst üblich, handelt es sich nicht um Fresken, sondern um Marouflagen. Diese Technik, bei der Ölbilder auf Wand und Decke montiert werden, kam im 16 Jahrhundert auf. Sie ermöglichte die Anfertigung im Atelier und ersparte dem Künstler das Überkopfarbeiten an Ort und Stelle. Auf den Erhaltungszustand der Dürnkruter Marouflagen wirkte sich das Annageln auf den Putz nachteilig aus. Vor 20 Jahren rettete sie das Bundesdenkmalamt durch grundlegende Restaurierung.
Michelle Weiß vergleicht Vorlagen - Kupferstiche - und Ausführung. Dabei wird klar, dass sich der Bauherr intensiv mit der Symbolik beschäftigt und seine persönliche Auswahl wohlüberlegt getroffen hat. Die Gemälde gehen auf die emblematische Andachtsliteratur zurück, wie sie vor allem die Jesuiten pflegten. 1624 erschien deren "Pia Desideria", eine Sammlung von 49 Emblemen und Texten über Sünde und Erlösung. Zwei davon finden sich auf den Dürnkruter Marouflagen, zwei entstammen der etwas jüngeren "Herzensschule" der Benediktiner. Als Emblem bezeichnete man profane und religiöse Rätsel, die aus einem Bild (Icon) und einem Spruch (Lemma) bestanden. Je mehr Erklärungen dafür gefunden wurden, als um so geistvoller galten Erfinder und Ausleger. Landschaften von hoher künstlerischer Qualität umgeben hier die Szenen. Der oder die Maler sind nicht bekannt. Michelle Weiß fand Verbindungen zu niederländischen und italienischen Künstlern und Literaten. Sie erläutet Details zur Biographie Tieffenbachs, der auch die Rochuskapelle in Mannersdorf an der March, die so genannte Wutzelburg, und drei Klöster stiftete.
Die aus Deutschland stammende Kunsthistorikerin lebt mit ihrer Familie im Weinviertel. Das Resümee ihrer Forschungen: "Kulturhistorisch sind die Deckengemälde in der Dürnkruter Schlosskapelle aus zwei Gründen besonders bedeutend: Zum einen gibt es in Österreich sehr wenige erhaltene Gemälde in der Marouflage-Technik, zum anderen handelt es sich um eine sehr frühe Adaption der emblematischen Andachtsliteratur … dabei spielte der Feld- und Schlossherr Rudolph von Tieffenbach eine Rolle, die Mitte des 17. Jahrhunderts … für die gesamte Region prägend war."