David Haselmayer: Die Klosterschätze des Stiftes Heiligenkreuz#
David Haselmayer: Die Klosterschätze des Stiftes Heiligenkreuz. Zeugen der Geschichte aus neun Jahrhunderten. Be&Be-Verlag Heiligenkreuz. 200 S., ill., € 12,90
Das Zisterzienserstift Heiligenkreuz im Wienerwald ist eines der wenigen in ganz Europa, die seit ihrer Gründung - anno 1133 - ununterbrochen bestehen. Das weltweit zweitälteste Kloster seines Ordens geht auf den Babenberger Markgraf Leopold III. (1095-1136) zurück. Leopold, genannt der Heilige, folgte dabei dem Rat seines Sohnes Otto, des späteren Bischofs von Freising. Dieser hatte in Frankreich studiert und den damals jungen Orden der Zisterzienser kennengelernt. Er trat 1132 in die Primarabtei Morimond ein. Schon ein Jahr später kamen von dort die ersten Mönche nach Heiligenkreuz.
Die Zisterzienser sind ein Reformorden der Benediktiner. Einige Mönche des prächtigen Klosters Cluny in Burgund fanden das dortige Ordensleben nicht streng genug und bemühten sich im Sumpfgebiet von Citeaux um die Neugestaltung des monastischen Lebens. Im Sinne der hochmittelalterlichen Reformbewegung verweilten sie dort ab 1089 strikt nach der Regel des hl. Benedikt, der um das Jahr 500 gewirkt hatte. Seine Blütezeit erlebte der streng zentralistisch organisierte Orden, der auf jeden Luxus verzichtete, unter Bernhard von Clairvaux (um 1090 - 1153). Der Mystiker und Kreuzzugsprediger betrieb dessen Ausbreitung über ganz Europa.
Nach Bernhards Tod wich die selbst gewählte Armut sukzessive dem Wohlstand der Klöster. Grundlage bildete die Wirtschaftsform der Grangien (Großgüter). Im Sinn ihres Armutsideals hatten sich die ersten Zisterzienser in unwirtlichen, unbesiedelten Gegenden, wie Sumpfgebieten oder Wäldern, niedergelassen. Durch Laienbrüder (Konversen) und Lohnarbeiter ließen sie diese dann urbar machen und richteten Wirtschaftshöfe ein. Die Konversen leiteten die Grangien im Umfang von 50 bis 400 ha, beschäftigten Arbeiter und waren dem Abt rechenschaftspflichtig.
Auch in Heiligenkreuz war der Beginn von schwerer Handarbeit und Kontemplation gekennzeichnet. Das Kloster soll damals 300 Mönche und Konversen umfasst haben. Vom 12. bis zum 14. Jahrhundert entstanden von hier aus Neugründungen,, wie Zwettl und Baumgartenberg. Der Blütezeit der ersten Generationen folgten im Spätmittelalter Krisen und Kriege, dazu kamen im 16. Jahrhundert Schwierigkeiten durch Reformation und Türkenbelagerung. Nach der Zweiten, 1683, kam es zum barocken Wiederaufbau und einer Konsolidierung des Ordenslebens. Inzwischen wirkten Heiligenkreuzer Priester auch als Pfarrseelsorger. Das ersparte dem Kloster das Schicksal der Josephinischen Klosteraufhebungen. Kaiser Joseph II. hatte dies persönlich angeordnet. Die Franzosenkriege zu Beginn des 19. Jahrhunderts, Erster und Zweiter Weltkrieg sowie die Besatzungszeit setzten dem Stift schwer zu. Seit den 1980er Jahren verzeichnet die Kommunität "einen enormen Aufschwung". Derzeit ist Heiligenkreuz zahlenmäßig das größte Zisterzienserkloster der westlichen Welt. Bis 2010 verdoppelte sich die Anzahl der Mönche auf rund 90. International bekannt wurden sie durch ihre Musikerfolge mit Gregorianischem Choral. Die CD "Chant: Music For Paradise" verkaufte sich bis April 2009 weltweit 850.000 mal, was Sechsfach-Platin bedeutete. 2011 folgte die CD "Chant-Amor et Passio", die innerhalb von vier Wochen in Österreich Goldstatus erreichte.
Von diesen Edelmetallen ist im vorliegenden Buch nicht die Rede. Es behandelt vielmehr ein sehr spezielles Thema im Bereich von von historischen Kostbarkeiten, Reliquien und Dokumenten. Der Mitarbeiter des Stiftsarchivs David Haselmayer hat ihm seine Diplomarbeit in Geschichte gewidmet, die nun die Grundlage der Publikation bildet. Nachdem der Autor Grundlegendes zum Verständnis von Schätzen und Reliquien, zur Geschichte der Zisterzienser im allgemeinen und jener von Heiligenkreuz im besonderen erläutert, folgt als Hauptteil die Dokumentenanalyse der Inventare von 1470, 1516 und 1585. Das älteste, in spätgotischer Kursive auf Pergament lateinisch geschriebene, entstand anlässlich eines Abtwechsels in einer wirtschaftlichen Notzeit. An Altargerätschaften und liturgischen Kostbarkeiten finden sich darin 30 Kelche aus Silber, zwei Abtsstäbe, ein Weihrauchfass, Messkännchen, Trinkgefäße, Löffel sowie Kleinodien. Unter diesen nimmt das 1336 gestiftete Prachtreliquiar für die große Kreuzreliquie eine besondere Stellung ein. Auch das zweitälteste erhaltene Heiligenkreuzer Inventar aus dem Jahr 1516 fällt mit Amtsübernahme in einer Krisenzeit zusammen. Durch Zerstörung und Wiederaufbau des Klosters waren hohe Schulden entstanden, die Schätze entsprechend dezimiert. Das folgende Inventar aus dem Jahr 1585 - das erste in deutscher Sprache verfasste - enthält weit weniger Kelche und Becher als die früheren Verzeichnisse. Um eine Gegenüberstellung zu ermöglichen, hat der Autor diese übersetzt und die lateinischen Bezeichnungen ausführlich erklärt. Außerdem stellt er einen Vergleich mit Inventaren anderer Klöster an. Sie spiegeln das asketische Ideal der Zisterzienser. So war etwa in Heiligkreuz Silber das vorherrschende Material, während das Augustinerchorherrenstift Klosterneuburg mit Edelsteinen verzierte, goldene Altargeräte verwendete.
Der bedeutendste Schatz von Heiligenkreuz blieb die große Kreuzreliquie. Der als "Eroberer von Akkon" bekannte Babenbergerherzog Leopold V., "der Tugendhafte" (1157-1194) hatte sie aus dem Heiligen Land mitgebracht. Seit dem 13. Jahrhundert besaß das Kloster eine als Dorn aus der Dornenkrone Christi verehrte Reliquie. Das Fazit des Autors klingt ernüchternd. Nur diese beiden wichtigsten Objekte haben seit dem Mittelalter überlebt. "Alle übrigen in den drei ältesten Heiligenkreuzer Inventaren fassbaren Schätze wurden entweder zerstört, geraubt oder im Falle des Edelmetallbestandes eingeschmolzen," schreibt David Haselmayer.
Im Klappentext seines Buches heißt es: "Die Mönche freuen sich über diese Veröffentlichung." Nicht nur die Mönche, muss man ergänzen. Auch die zahlreichen Besucher des Stiftes im Wienerwald können sich nun einen Begriff von den ehemaligen Klosterschätzen machen. Dazu tragen wesentlich die rund 100 Fotoseiten bei, die (allerdings jüngere) Exponate und Vergleichsbeispiele zeigen.