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Martin Haltrich (Hg.): Prügelbrot statt Geisterspuk#

Bild 'Haltrich'

Martin Haltrich (Hg.): Prügelbrot statt Geisterspuk. 50 Geschichten aus dem Stift. Edition Stift Klosterneuburg. Delta X Verlag Wien. 112 S., ill., deutsch/englisch, € 19,90

Das Stift Klosterneuburg vor den Toren Wiens besteht seit mehr als 900 Jahren. 1114 wurde der Grundstein gelegt - und schon damals den Gästen eigener Wein angeboten. Somit ist das Stift das älteste Weingut Österreichs. Die barocken Keller erstrecken sich über vier Etagen bis in 36 Meter Tiefe. Die Anlagen verfügen nicht nur über sieben Meter dicke Mauern und ein natürliches Frischluftsystem. Sie dienten auch als "Schleichweg", Kaiser Karl VI. soll auf diesem unerkannt vom Garten in den Apothekerhof gelangt sein. In den 1960er Jahren trafen sich Bruno Kreisky und Kardinal Franz König heimlich im Stift - wobei der Kanzler, wie angeblich seinerzeit der Kaiser, getarnt durch diese Kellerstraße fuhr. Das sind nur drei von 50 Geschichten, die junge Geistes- und KulturwissenschaftlerInnen, die sich in ihren Forschungen mit den Sammlungen des Stiftes beschäftigen, im ersten Band der "Edition Stift Klosterneuburg" erzählen - teils mit Augenzwinkern, wie der Herausgeber, Stiftsbibliothekar Martin Haltrich, schreibt. Die neue Reihe sieht ganz anders aus, als man es von Kunstbänden gewöhnt ist. Das beginnt schon beim Format von 13,5 x 20 cm, ideal als Souvenir und handlicher Begleiter beim Rundgang. Jedes Kapitel besteht aus einem ganzseitigen Foto (links) und maximal 15-zeiligen Texten in deutscher und englischer Sprache (rechts).

Viele handeln vom Wein, der wirtschaftlichen Basis des Klosters. 1860 befand sich die älteste Weinbauschule des Landes im Leopoldihof. Leider hatte ihr Direktor August Babo aus den USA nicht nur neue Stöcke, sondern auch die Reblaus mitgebracht, die (nicht nur hier) die Weinkulturen vernichtete. Um sich vor der Rache der Winzer zu schützen, musste Babo die Lehranstalt unter Polizeischutz betreten. Hingegen sind heutzutage Presshaus und Gärkeller in der ehemaligen Klosterkirche der Chorfrauen untergebracht. Nach deren Aussterben werden seit 1722 in dem mittelalterlichen Gemäuer Trauben verarbeitet. Man erfährt auch, dass die österreichische Bezeichnung "Stifterl" für 0,375-Liter-Flaschen in Klosterneuburg ihren Ursprung hat. So nannte das AUA-Personal die kleinen Weingebinde für ihre Passagiere. Ebenso international sind Fässer aus Eichenholz vom Weidlinger Stiftswald. Dieses wird nicht nur hier verwendet, sondern sogar für Barriquefässer nach Frankreich exportiert.

Einen weiteren Schwerpunkt machen die Kunstschätze aus. Der Rundgang beginnt im Besucherzentrum, der geplanten Sala terrena. Karl VI., der Klosterneuburg zur Klosterresidenz machen wollte, erlebte die Fertigstellung nicht. Der Bauteil, den acht riesige Atlanten-Figuren tragen, blieb unvollendet und musste lange Zeit als Lager dienen. Erst bei der Generalrenovierung 2005 erhielt er seine neue repräsentative Funktion. Bei der Besichtigung darf die Schleiermonstranz zur berühmten Gründungslegende ebenso wenig fehlen, wie der "leuchtende Holunderbaum". Nach der Legende fand der Stifter den Schleier seiner Braut in einem Holunderbusch und gelobte, dort das Kloster zu errichten. Agnes spendete einen großen, siebenarmigen Bronzeleuchter. Im Schaft ist Holunderholz eingeschlossen, allerdings nicht aus dem 12., sondern aus dem 17. Jahrhundert.

Der kostbarste Kunstbesitz des Stiftes befindet sich in der Leopoldskapelle. 1181 schuf der Goldschmied Nikolaus von Verdun mehr als 50 vergoldete Emailletafeln, wahrscheinlich als Kanzelverkleidung. Nach dem Feuer von 1330 wurden sie neu als Flügelaltar angeordnet. Die wertvollen Tafeln sollen aus der brennenden Kirche gerettet wurden sein, indem man sie zum Schutz in mit Wein getränkte Tücher wickelte. Der Verduner Altar steht jetzt nächst dem Fenster aus dem 14. Jahrhundert, von dem sich das Niederösterreichische Landeswappen ableitet: fünf goldene Adler auf blauem Grund. Das wertvollste Objekt ist die Schädelreliquie des heiligen Leopold. 1677 erhielt sie eine kostbare Fassung aus Samt, Perlen und Edelsteinen. Auf dem Hinterkopf sitzt eine kleine Kopie des Erzherzogshutes. Dessen Original, wie auch die Schädelreliquie, sind in der Schatzkammer des Stiftes verwahrt. Die Reliquie ist am Leopolditag in der Kirche zu sehen. Der Erzherzogshut aus dem Jahr 1616 galt als die heilige Krone Österreichs. Er muss bei den Gebeinen des hl. Leopold aufbewahrt werden und durfte den angestimmten Platz nur kurzfristig für Erbhuldigungen verlassen. Als 1989 die letzte österreichische Kaiserin, Zita, in Klosterneuburg aufgebahrt wurde, krönte der Erzherzogshut den Sarg.

Die jungen WissenschaftlerInnen haben im und um das Stift, in Prunkräumen, der Bibliothek und dem Archiv noch vieles entdeckt, worüber sie Geschichten erzählen könnten. Die letzte löst das Rätsel um den Buchtitel. Zur Barockzeit kam die Mär auf, dass ein Spuk das Stift heimsuchen würde, wenn der Propst das "Brotprügeln" abschaffte. Zu Leopoldi erhielten die Armen eine Brotspende, zuvor wurde jedoch die Rinde mit einem Stab abgeschlagen und an die Jagdhunde verfüttert. Die Hundezucht, die auf Leopold zurückgehen soll, fand 1769 ein Ende, und damit das Prügelbrot. Geister wurden im Stift allerdings noch nicht gesichtet, schließt die Story.

hmw