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Gestaltung der Ziegelgitter#

Wöllmerdorf bei Judenburg
Wöllmerdorf bei Judenburg

Allgemeine Unterscheidung#

Wie schon in der Vorbemerkung angedeutet, können mit allen Einschränkungen, die eine solche Kategorisierung mit sich bringen muß, hinsichtlich der verwendeten Motive zwei Gruppen von Gittern beobachtet werden. Die einen finden sich hauptsächlich in der stark gegliederten Landschaft des ost- und weststeirischen Hügellandes, sowie an den Süd- bzw. Ostabhängen des steirischen Randgebirges. Sie zieren die Bergeräume der meist recht kleinen Gehöfte mit einer Vielfalt von eigenwilligen, sehr individuell durchgestalteten Gittern. Die meisten enthalten christliche oder heidnische Symbole und sind in ihrem ganzen Charakter bodenständige und echte Volkskunst.

Die Motive haben viel Ähnlichkeit mit denen, die bei der Bemalung der bäuerlichen Möbel verwendet wurden, oder auch mit den Mustern von Kreuzstichstickereien. Die andere Gruppe von Gittern findet sich besonders an großen Ziegelwerksscheunen in der Obersteiermark und in Kärnten. Es sind meist rein ornamentale Gitter, die kaum volkstümliche Motive enthalten, denn diese Bauwerke wurden meist schon von professionellen Maurermeistern aufgeführt, die, wie erwähnt, oft italienischer Herkunft waren.

Wolfsberg
Wolfsberg
Der Musterkatalog ist vielfältig und enthält virtuose Beispiele der Mauerwerkskunst. Wenn einfache Mauersteine und flache Dachziegel zur Gestaltung nicht mehr ausreichen, werden eigene Formziegel angefertigt und verwendet.

Oft werden einzelne Motive auch durch farbliche Differenzierung hervorgehoben, meist zwar nur durch den Gegensatz zwischen verputztem oder geweißigtem und dem naturbelassenen Ziegelwerk, manchmal aber auch durch regelrechte Bemalung, welche die Motive, die durch die Anordnung der Öffnungen entstehen, weiter differenziert und teilweise durch figürliche Darstellungen oder Initialen ergänzt.

Gralla bei Leibnitz, Farbig gestaltete Gitter findet man vor allem im Raum südlich von Graz. In diesem Fall ist allerdings nur unterschieden zwischen weiß bemalten und naturbelassenen Ziegeln.
Gralla bei Leibnitz
Farbig gestaltete Gitter findet man vor allem im Raum südlich von Graz. In diesem Fall ist allerdings nur unterschieden zwischen weiß bemalten und naturbelassenen Ziegeln.
Aus späterer Zeit finden sich dann auch Gitter, die vollständig aus eigens dafür hergestellten Lüftungsgitterelementen bestehen. Sind diese Scheunen im Vergleich mit denen der zuerst beschriebenen Gruppe im Detail auch sehr profan, so hat doch die Gesamtanlage dieser stolzen Bauten manchmal fast sakralen Charakter. Die Ernte, das Futter, das Vieh sind im Bewußtsein der bäuerlichen Bevölkerung ja durchaus auch etwas, das des Schutzes durch höhere Mächte bedarf!

Gitter mit Abwehrzeichen #

1) christliche#

Vor allem die Öffnungen eines Bauwerkes müssen geschützt werden — gegen das Eindringen böser Geister. Im besonderen Maße die Lüftungsöffnungen der Bergeraume -gegen das Eindringen des ,,Feuerteufels" wohl hauptsächlich. Denn eine zentrale Sorge des Bauern galt immer dem Feuer, dem Brand der Scheune durch Blitzschlag, Selbstzündung des zu feucht eingelagerten Heus oder auch durch Brandlegung. So lag es nahe, die Öffnungen als Abwehrzeichen auszubilden. Eine Öffnung, die selbst die Form eines Kreuzes aufweist, also innig mit diesem Symbol verbunden ist, wird zum Bannzeichen für das Böse. Das gleiche gilt dann auch für die in Kreuzform gruppierten Öffnungen.

So finden sich die verschiedensten Arten von Kreuzen in den Gittern dargestellt:


griechisches Kreuz

lateinisches Kreuz

Antoniuskreuz

Gabelkreuz


griechisches Kreuz



lateinisches Kreuz



Antonius Kreuz



Gabelkreuz
Giebelucke in Lieboch
Lieboch, Griechisches und lateinisches Kreuz, das Jesusmonogramm IHS, der Dreisproß und das "Herz Jesu" sind hier in einem Gitter zusammengefaßt. Das zweite Herz dürfte das "Herz Mariä" darstellen.


päpstliches Kreuz

Andreaskreuz



Päpstliches Kreuz


Andreaskreuz (alte Leute schlagen
beim Herannahen von Fremden mitunter
heute noch die Unterarme so gegen-
einander,daß dieses Kreuz entsteht)
Gössendorf
Gössendorf
giebel_174.jpg
Lieboch, Griechisches Kreuz und Andreaskreuz bilden hier das zentrale Motiv.




Malteserkreuz

vorkonstantinisches Kreuz





Malteserkreuz


vorkonstantinisches Kreuz,
(auch als Kombination von
griechischem und Andreas-
Kreuz aufzufassen)
Großsulz bei Kalsdorf
Großsulz bei Kalsdorf
Pirching a.d. Raab
Pirching a.d. Raab, Andreaskreuz und griechisches Kreiuz durchdringen sich hier zu einer sehr strengen Gitterform.



 



abgerundetes Ulrichskreuz







abgerundetes Ulrichskreuz
(HDA, VIII, 1297)
Breitenhilm
Breitenhilm, Darstellung eines Ulrichskreuzes - zur Abwehr von Mäusen und anderen Feldschädlingen. (In Schwaben wurden häufig solche Kreuze aus Metall in den Feldern als Abwehrzauber vergraben).
Kreuzesgruppe

stehendes lateinsches Kreuz

Widerkreuz

Krückenkreuz

erhöhtes Kreuz

Kreuzesgruppe auf Golgatha


 
stehendes lateinisches Kreuz



Widerkreuz



Krückenkreuz



"erhöhtes" Kreuz
(auf Hügel, Grabhügel oder Golgatha)




Lebring - St. Margarethen
Lebring - St. Margarethen, Kreuz und Dreispoß als Lebenssymbol.
Sehr häufig kommen auch die verschiedenen "Jesus-
Monogramme" vor: Oft nicht vom Ornament zu
unterscheiden, mitunter aber auch deutlich abgehoben,
trifft man auf das Zeichen:
 




Jesus Monogramme




Zeichen = I + X = Jesus + Christus
(J = I, CH = X)
giebel_221.jpg
Immer als Zeichen erkenntlich und in vielen Varianten
ist das "IHS" in die Ziegelgitter hineingeflochten.
IHS

IHS

SHI

IHS

IHS

H


Die Bedeutung dieses Zeichens ist je nach
Sprachraum und Auslegungstendenz verschieden.
Es leitet sich aus dem griechischen "IHC" =
Jes(us) ab und wurde besonders vom Prediger
Bernardino von Siena im 14.Jh. und durch den
Jesuitenorden im 16. Jh. propagiert. Man deutete
dieses Jesusmonogramm auch als die ersten drei
Worte der Erscheinung Konstantins: "In hoc signo
(... vinces)" = In diesem Zeichen
(. . . sollst Du siegen!).

Weitere Bedeutungen sind "Jesus habemus socium",
"Jesus hominum salvator" (= Jesus, der Menschen
Heiland), "In hoc Salus" (= in diesem ist das Heil)
und auf deutsch: "Jesus Heiland Seligmacher".

giebel_155.jpg
Kalsdorf
Ein Herz, über dem drei Nägel zu erkennen sind,
stellt das Herz Jesu und die drei Nägel dar, mit
denen Jesus an das Kreuz geschlagen wurde.
Als besonders wirksames Abwehrzeichen galt
wohl das Kombinationszeichen eng miteinander
verbunden sind.
 




IHS

Kreuz

IHS

Herz

heilig






 
 
 





"heilig" oder "Heiliger Geist"
Großsulz bei Kalsdorf
Großsulz bei Kalsdorf, Prunkvolle Darstellung des Jesuszeichens am Ostgiebel eines Gehöftes. Der jochförmig erhöhte H-Querbalken symbolisiert den Heiligen Geist. Auch hier senkt sich der Bogen über der Einfahrt.
Seltener trifft man auch das Maria-Zeichen;
(besonders in Graz)








Maria Zeichen

Maria Zeichen

Maria Zeichen











Maria Zeichen (spiegelverkehrt bzw. von
innen zu lesen) oder die Monstranz, die man
von einer ganz naturalistischen Darstellung bis
zur kaum noch erkennbaren, abstrahierten Form
finden kann.
Graz / Liebenau
Graz / Liebenau

giebel_149.jpg
Liebensdorf, Sehr realistische Darstellung einer Monstranz





Wagersbach bei Hausmannstätten
Wagersbach bei Hausmannstätten, Auch Darstellungen des Namens Maria finden sich des öfteren an Giebelwänden von Heustadeln. Hier ist das "Mariamonogramm" durch das Montieren der Telegrafenleitungen stark in Mitleidenschaft gezogen.

 







Auge Gottes

Auge Gottes










Als christliche Symbole kann man auch das
Dreieck als Auge Gottes auffassen. Gitter in
Form eines Flügelaltars oder die Sarstellung
einer Glocke verweisen auf Zusammenhänge
mit Sakralbauten.






Graz / Liebenau
Graz / Liebenau, Flügelaltarform
Schafer bei Ottmanach
Schafer bei Ottmanach, Kunstvoll gestaltete glockenförmige Öffnung zwischen zwei Rosetten. Leider paßt das neue Dach überhaupt nicht dazu.

2) außerchristliche #

Himmel

Erde

Luft

Erde

Runenzeichen

Runenzeichen

Runenzeichen

Runenzeichen



Häufig erkennt man vertikale Doppelpfeile in
den Gittern.Dieses Symbol wurde oft bewußt
als Zeichen der Beziehung zwischen unserer
Welt und dem Kosmos, dem Himmel, dem
Überirdischen verwendet.

Weiß man, daß in der Spätantike, vor allem
im Orient Himmel und Erde und in der Alchemie
des späten Mittelalters Luft und Erde bedeuteten,
so wird dieser Zusammenhang noch deutlicher.
Ferner sei noch erwähnt, daß das Runenzeichen
(Schwarz-Winkelhofer / Biedermann 1972, 70),
das den Lautwert ,,Z" hat, die Vereinigung von
Aufwärts und Abwärts bedeutet.
Hier spiegelt sich möglicherweise die enge
Verbindung zwischen christlichen und heidnischen
Symbolen. So kann das Herz ohne Kreuzesnägel
als Herz Maria oder Symbol des Lebens aufgefaßt
werden, je nachdem, in welchem Zusammenhang
es angetroffen wird.




Empersdorf
Empersdorf, Doppelpfeilförmige Zwischenräume charakterisieren diese ornamentalen Gitter.
 




Großsulz bei Kalsdorf
Großsulz bei Kalsdorf





Auch das Sonnenzeichen in Form von Rosetten und Halbrosetten (aufgehende Sonne) findet sich oft an
Scheunen aber auch an Wohnhäusern dargestellt,
vielleicht manchmal nur als Wagenrad, (wobei auch
hier wieder ein Verweis auf das Sonnenrad den
Sonnenwagen enthalten ist) oder als blumenhaftes
Ornament verstanden.
Tomberg
Tomberg



Völkermarkt
Völkermarkt / Kärnten "Aufgehende Sonne"
Die folgenden Runenzeichen für Sonne:
Sonne

Sonne

Sonne

Sonne

Drudenfuß

Hexagramm

Feuer

Wasser

Luft

Erde

Abwehrzeichen



 


wurden im bestehenden kulturellen Zusammenhang
wohl kaum als solche aufgefaßt.


Auch das Pentagramm, der Drudenfuß und das Hexa-
gramm, der Judenstern (in der Antiken auch als Ver-
einigung der vier Elemente - Feuer, Wasser, Erde und
Luft - verstanden.), weisen auf die tief in die Ver-
gangenheit reichenden Wurzerln der verwendeten
Motive hin. Mitunter findet man deutlich in Negativ-
form ausgeführte Hörnerpaare dargestellt. Am Giebel aufgehängte Hörner oder Geweihe galten ebenfalls als Abwehrzauber.
Ihnen wohnte angeblich auch nach dem Abtrennen
vom Tier noch die gleiche Kraft inne, wie zuvor.
(HDA IV, 26; Haiding, Tierschädel unter dem
Tennfirst. Zeitschr. d. hist. Vereins f. Stmk.
58/1967). Das Rinderhorn bot speziell Schutz
gegen Blitz und Feuer (Harter 1951, 33). Häufig
steht man auch Lebensbaummotiven und Glücksbringermotiven, wie dem vierblättrigen
Kleeblatt, gegenüber.

Interessant ist ein Zeichen, das hauptsächlich
im Raum um Stainz vorkommt eine Mondsichel,
deren beide Enden nach unten weisen. Gewöhnlich
bedeutet ein auf 94 den Kopf gestelltes Zeichen die
Verneinung des Sinnes, der hinter diesem steht. Es
könnte sich hier um die Umkehrung des türkischen Halbmondes handeln und ähnlich wie in der Sakral-
kunst, wenn etwa die Muttergottes den Fuß auf den umgekehrten Halbmond setzt, den Sieg über die
Türken symbolisieren.



Mautern
Mautern

Kalsdorf
Kalsdorf

Rassach
Rassach

Ornamentale Gitter#

giebel_Kalsdorf
Kalsdorf Dieses Gitter besteht aus zwei hintereinander liegenden, verschieden gestalteten Schichten, von denen die innere eine sehr starke Horizontalgliederung aufweist und damit jenen Schutz gegen Schlagregen übernimmt, den die äußere vertikal strukturierte, im oberen Bereich an ein Scherengitter erinnernde Schicht nicht bieten kann.
Es wäre sicher ein Fehler, nun jedes Detail eines Ziegelgitters als Zeichen bzw. als Symbol deuten zu wollen, das an ein solches erinnert. Viele Ornamente tragen sicher nur zufällig symbolhaften Charakter und sind rein dem spielerischen Gestaltungswillen entsprungen. In anderen Fällen sind Zeichen wohl auch zum Ornament erstarrt. Ein klares Beispiel für einen derartigen Vorgang sind vielleicht die arabischen Schriftzeichen, die, als solche nicht erkannt, aus dem islamischen Raum übernommen wurden und im christlichen Mittelalter als Ornamente in sog. kufischer Schrift bis in die sakrale Kunst vordrangen (z.B. schon 1200: Johannes-Kapelle in Pürgg). Ähnlich dürften einzelne Runen in Form von Hofmarken ("March" genannten Holz- "Gemerken") die Jahrhunderte überdauert haben und ungeachtet ihrer einstigen Bedeutung als Ornamente weiterverwendet worden sein. Bei anderen dürfte sich durch Zufall eine Ähnlichkeit zu irgendwelchen Zeichen ergeben haben.

Einige Ornamente lassen sich auch aus dem Holzbau ableiten, andere wieder entlehnten 105 ihre Motive schmiedeeisernen Gittern, mit deren typischen, dem Metall und der Verarbeitung entsprechenden Formenschatz. Vereinzelt treten auch Gitter auf, die, ohne Vorbild und ohne jede Übergangsform, im weiten Umkreis in ihrer Art so klar und ausgereift erscheinen, und die eine so komplizierte Ziegelkonstruktion erfordern, daß ein unmittelbarer Einfluß von Außen, welcher Art auch immer, anzunehmen ist.

So z.B. bei den beiden Gittern in Gössendorf, deren Sechseckornament ohne Abweichung in der orientalischen Architektur wiederzufinden ist (Bourgoin 1973, 69).

An gotisches Maßwerk erinnern einige sehr filigrane Gitter im oberen Lavanttal in Kärnten. Für eines dieser Gitter konnte ein völlig entsprechendes Gegenstück in Pola (Istrien) nachgewiesen werden (Strzygowski 1941, 648). Bisher noch nicht erwähnt wurden die oft in den Giebeln von Scheunen integrierten Taubenschläge, deren Fluglöcher in die Gestaltung der Außenwände miteinbezogen wurden. Manchmal sind es nur einige wenige Öffnungen im obersten Bereich des Giebels, die diesem Zweck gewidmet sind.

Gössendorf
Gössendorf Das orientalisch anmutende Ornament dieses Lüftungsgitters findet sich in ähnlicher Form am selben Hof als Schnitzerei in der Mitte des Deckenbalkens der Stube des Wohnhaus (1798 datiert).

Bad St. Leonhard
Bad St. Leonhard / Kärnten



Niedergams bei Stainz
Niedergams bei Stainz Einfache rechteckige Öffnungen ausgefacht durch eine Dreieckteilung; unter dem First ein Taubenschlag.

Kirchberg a. d. Raab
Kirchberg a. d. Raab Das Motiv für dieses Ziegelgitter findet sich im Hof desselben Gehöftes: ein hölzerner Taubenschlag, hier naturgetreu in Mauerwerk nachgebildet.

Es gibt aber auch Lüftungsgitter, die im Gesamten einen Taubenschlag darstellen. Vielleicht sollte in diesem Zusammenhang darauf verwiesen werden, daß es anderenorts ganze Taubenhäuser aus gemauertem Gitterwerk gibt. - Prächtige Beispiele, in den Ornamenten manchmal auch an unsere Ziegelgitter erinnernd, sind auf den griechischen Kykladen zu finden (Swoboda 1973, 22).


© Bild und Texte Hasso Hohmann