Vorbemerkung#
Als ein wesentliches Element der Hauslandschaften vor allem der Östlichen Zentralalpen und der Südalpen, wie sie sich uns heute darstellen, findet man an Bauernhöfen, und zwar in den gemauerten Wandteilen von Bergeräumen (Scheunen und Speicherbauten) kunstvoll angeordnete Lüftungsöffnungen, die der Durchlüftung und der trockenen Lagerung des darin aufbewahrten Gutes, wie Heu und Getreide, dienen. Diese Lüftungsöffnungen fügen sich zu Gittern, die hauptsächlich aus mit Mörtel versetzten Mauerziegeln bestehen. Selbst wenn flache Dachziegel oder eigens dafür hergestellte Formziegel dieses einfache Element ergänzen, verleiht dennoch jener den Gittern, selbst in verputzem Zustand, noch Proportion und Charakter.
Ich glaube daher, daß alle derartig durchbrochenen Mauerwerksteile als „Ziegelgitter" oder „Ziegellüftungsgitter" bezeichnet werden sollten, ob sie nun ornamental und dekorativ große Wandflächen bedecken oder auf kleineren Flächen christliche Heilszeichen, Initialen oder Symbole mit magischem Inhalt darstellen. Eine große Anzahl solcher Gitter, die zum Teil sicher der echten Volkskunst zugerechnet werden müssen, ist noch erhalten, doch viele sind gefährdet — durch natürlichen Zerfall einerseits oder durch Abriß bzw. wenig gefühlvolle Neu- und Anbauten andererseits. Sehr vieles ist bereits verschwunden, von den Besitzern weder in seinem optischen Reiz, noch in seinem funktionellen Wert erkannt. Auch in der vorliegenden volkskundlichen Literatur wurde diesem Element der gemauerten Scheunen bisher kaum Aufmerksamkeit geschenkt, wie überhaupt der bäuerliche Mauerwerksbau meist nur am Rande behandelt wurde. (Eine kürzlich erschienene slovenische Arbeit (T. Kurent 1974) setzt sich mit dem Spezialproblem von Zahlenproportionen der ornamental verbauten Ziegel auseinander).
Diese Bilddokumentation entsprang dem Wunsch, noch Bestehendes festzuhalten und darauf aufmerksam zu machen, bevor es zu spät ist. Sie zeigt einen Ausschnitt der von mir am Institut für Landwirtschaftliches Bauwesen und Ländliches Siedlungswesen (Technische Universität, Graz) gesammelten und nach geographischen Gesichtspunkten geordneten Beispiele, die bereits über 2000 Objekte umfassen. Es werden ausschließlich die durch Lüftungsöffnungen gestalteten Mauerwerksteile betrachtet ohne Berücksichtigung der sehr unterschiedlichen Scheunenformen, an denen sie vorkommen. Soweit dies möglich war, wurden die Besitzer befragt über das Alter der Gebäude, das Alter der Ziegelgitter, darüber, wer diese gefertigt habe und über die Herkunft und Bedeutung der dargestellten Motive. Die Auskünfte waren nicht sehr reichhaltig. Die häufig gestellte Frage nach einer volkstümlichen Benennung der besprochenen Gebäudeteile konnte meist nicht beantwortet werden. Die Bezeichnung „Giebelluckn") oder für Gitter in anderen Wandteilen — „Boam-Luckn" (wohl wie ,,Barn-Luckn") wurde zweimal genannt. Ebenso — besonders interessant — die Bezeichnung „Spiegelwand" oder einfach ,,Spiegel" für die mit Ziegelgittern ausgestaltete Wand, (Gössendorf/Graz). Sonst wurden die Öffnungen einfach als „Fenster", „Badenfenster" oder „Bodenfenster" bezeichnet (Zeltweg, Leoben, Voitsberg). Im Schöckelgebiet war der Ausdruck „Schränkfenster" gebräuchlich, in der Gegend um St. Veit nennt man sie einfach „Stadigitter". Im Raum um Wüdon fand ich auch den Ausdruck „Schrank-mäuern" oder „Spiegelmäuern". Auf die Funktion der Lüftung weist der von G. Kodolitsch mitgeteilte Ausdruck „Liftl" (Südsteiermark) hin.
Eine systematische Aufnahme der Gitter und die exakte Feststellung der Verbreitung der einzelnen Typen wäre sehr umfangreich und für eine erste Bearbeitung des Themas sicher nicht zielführend. Eine solche Arbeit wäre auch nur sinnvoll, wenn man sie auf ein abgegrenztes Gebiet beschränkte, oder die Behandlung des Themas unter einen bestimmten Aspekt stellte. Dann könnten daraus vielleicht im Zusammenhang mit der Betrachtung anderer Erscheinungsformen der Volkskunst Rückschlüsse auf die Entwicklung der bäuerlichen Kultur in den letzten beiden Jahrhunderten gezogen werden.
Es wurde jedoch versucht, die beobachteten Ziegelgitter hinsichtlich einiger wichtiger Unterscheidungsmerkmale zu gliedern:
Typengliederung#
1 Statische Funktionen#
Kennzeichen | Untergruppen | typische Beispiele (Klicken um zu Vergrößern) | Bildbeschreibung |
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1.1 tragende Gitter | Bei Feldkirchen / Graz - "1. Steirischer Kreuztyp" | ||
1.2 nichttragende Gitter d.h.:nur sich selbst tragende, in eine fertige Öffnung gestellte Gitter | Gössendorf Das orientalisch anmutende Ornament dieses Lüftungsgitters findet sich in ähnlicher Form am selben Hof als Schnitzerei in der Mitte des Deckenbalkens der Stube des Wohnhauses (1798 datiert). |
2 Konstruktionssystem#
Kennzeichen | Untergruppen | typische Beispiele (Klicken um zu Vergrößern) | Bildbeschreibung |
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2.1 einschichtige Gitter (in einer Ebene) | Gössendorf | ||
2.2 zwei- und mehrschichtige Gitter | 2.2.1 gleiche Gitter kombiniert | Stattegg bei Graz Zweischichtiges Ziegelgitter | |
2.3 räumliche (dreidimensionale) Gitter | 2.2.2 ungleiche Gitter kombiniert | Kalsdorf Inneres Fenster Dieses Gitter besteht aus zwei hinteinander liegenden, verschieden gestalteten Schichten, von denen die innere eine sehr stark Horizontalgliederung aufweist und damit jene Schutz gegen Schlagregen übernimmt, den die äußere vertikal strukturierte, im oberen Bereich an ein Schwerengitter erinnernde Schicht nicht bieten kann. | |
Kalsdorf Äußeres Fenster |
3 Ziegelelemente#
Kennzeichen | Untergruppen | typische Beispiele (Klicken um zu Vergrößern) | Bildbeschreibung |
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3.1 Mauerziegel ausschließlich | Moggau bei Authal | ||
3.2 Mauerziegel und Dachziegel | Gamling bei Gleisdorf | ||
3.3 sonstige Ziegelelemente — kombiniert | Wagersbach bei Hausmannstätten Auch Darstellungen des Namens Maria finden sich des öfteren an Gibelwänden von Heustadeln. Hier ist das "Maria-monogramm" durch das Montieren der Telegrafenleitungen stark in Mitleidenschaft gezogen. | ||
3.4 Gitterformziegel | St. Georgen ob Judenburg Formsteine, die zwar auch noch das Kreuzmotiv aufweisen, aber schon weit von der Imitation eines Ziegelverbandes entfernt sind. Sie bieten zudem kaum noch Variationsmöglichkeiten in der Verarbeitung. |
4 Oberfläche #
Kennzeichen | Untergruppen | typische Beispiele (Klicken um zu Vergrößern) | Bildbeschreibung |
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4.1 unverputzte Gitter | Wöllmerdorf bei Judenburg Diese Ziegeltürme stehen mit dem geringem Abstand von einer zurückgesetzten Mauer, die die Öffnung bis zum Bogenansatz verschließt. Die Formensprache ist im Ausdruck fast orientalisch. | ||
4.2 verputzte Gitter | 4.2.1 unbemalte | Vasoldsberg Ein in seiner ganzen Anlage völlig untypischer Heubergeraum. Ein konsequenter Zentralbau mit gleichseitig achteckigen Umfassungsmauern, die von ornamentalen Ziegelgittern durchbrochen sind und an zwei aneinander gegenüberliegenden Seiten Tore enthalten, eines davon zweistöckig ausgebildet. Ein drittes kleineres Tor befindet sich knapp unter dem Dach, um 90° versetzt angeordnet. So konnte Heu in jeder Höhe eingelagert und entnommen werden. Zur Durchlüftung des Lagergutes von unten ist etwa 50cm über dem im Innern entsprechend abgesenkten Boden ein starker Rost aus geschälten Rundhölzern eingezogen. Der Dachstuhl, getragen von einer mächtigen Mittelstütze, übersapnnt wie ein Schirm den achteckigen Raum. Obwohl die Umfassungsmauern, bedingt durch diese Konstruktion, fast nur Vertikalkräfte aufzunehmen brauchen, sind die trotzdem in sehr schlechtem Zustand, da das Bauwerk nicht mehr in Verwendung steht. Somit ist es typisch für die vielen leerstehenden Scheunen, die durch Besitzteilung, Umstellung der Wirtschaft oder andere Verhältnisse derzeit zu groß sind oder überhaupt nicht gebraucht werden. - Vielleicht verdankt der Stadl von Vasoldsberg eine Entstehung in dieser eigenwilligen Form selbst einer solchen Nutzungsänderung. - Nach einer mündlichen Überlieferung soll der prächtige Dachstuhl schon einmal an anderer Stelle gedient haben, und zwar zur Überdeckung eines Pumpwerkes, das durch einen im Kreis laufenden Ochsen betrieben worden sei und welches das Gut Klingenstein mit Wasser aus einem in Vasoldsberg gelegenen Teich versorgt haben soll. | |
4.2.2 bemalte Gitter | Beispiel: Eselsee / Nummer 3/ Ragnitz | ||
4.3 unverputzte und verputzte Gitterteile gemischt | Großsulz bei Kalsdorf |
5 Motive#
Kennzeichen | Untergruppen | typische Beispiele (Klicken um zu Vergrößern) | Bildbeschreibung |
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5.1 ornamentale Motive | Kalsdorf Dieses Gitter besteht aus zwei hinteinander liegenden, verschieden gestalteten Schichten, von denen die innere eine sehr stark Horizontalgliederung aufweist und damit jene Schutz gegen Schlagregen übernimmt, den die äußere vertikal strukturierte, im oberen Bereich an ein Schwerengitter erinnernde Schicht nicht bieten kann. | ||
5.2 symbolische Motive | 5.2.1 christliche | Liebensdorf Sehr realistische Darstellung einer Monstranz | |
5.2.2 nichtchristliche | Mautern | ||
5.3 ornamentale und symbolische Motive gemischt | Großsulz bei Kalsdorf Prunkvolle Darstellung des Jesuszeichens am Ostgiebel eines Gehöftes. Der jochförmig erhöhte H-Querbalken symbolisiert den Heiligen Geist. Auch hier senkt sich der Bogen über der Einfahrt. |
© Bild und Texte Hasso Hohmann