Vorwort des Verlages#
Als der Verfasser dieses Buches den Verlag über das nun vorliegende Werk erstmalig informierte, waren wir über das Thema „Ziegelgitter" zunächst - das sei nicht verschwiegen — ein wenig erstaunt. In unserem Verlagsprogramm gibt es ja keine Fachbücher, und wir vermuteten zunächst, es handle sich um einen reinen Architektur-Band. In der Folge jedoch hat jeder, der sich mit dem von Dipl.-Ing. Hohmann dargebotenen Material befaßte, rasch „Feuer gefangen". Diese Ziegel-Lüftungsgitter sind ein überaus liebenswertes und bisher viel zu wenig beachtetes Element der volkstümlichen Architektur unseres Raumes — und noch dazu eines, das in den letzten Jahren immer mehr zu verschwinden droht.
Wer mit dem Wagen durch die Steiermark fährt, der entdeckt oft die an Kreuzstichmuster erinnernden durchbrochenen Giebel und Wände älterer gemauerter Stadel und Speicher. Nicht immer sind diese Bauten von der Straße aus sichtbar, denn ihr sind häufig nur die Fassaden der Wohnhäuser zugekehrt. Die gemauerten Scheunen fallen oft erst dann auf, wenn der Besucher die Höfe der Bauernhäuser betritt. Obwohl sich dem Wanderer und dem Reisenden vielfach schon von der Straße aus das Bild sehr ansprechender Bauformen bietet, sind diese in der Erforschung der Volksarchitektur bisher ein wenig stiefmütterlich behandelt worden. Sicherlich wirken die Bauernhäuser aus Holz zunächst viel interessanter und in volkskundlicher Hinsicht ergiebiger; aber auch die Ziegelbauten haben ihre Meriten: nicht nur hübsche Stuckverzierungen an den Wohnhäusern, sondern selbst an den Scheunen die ornamental und figural gestalteten Ziegelgitter; es ist gar nicht so einfach, bodenständige Bezeichnungen dafür zu finden, denn heute werden sie kaum mehr gebaut. Ältere Leute erinnern sich gelegentlich noch an Namen wie „Schränkmäuern", „Giebelluckn", „Stadigitter" oder „Schnörkelwerk", aber weitgehend gehört das Aufmauern der dekorativen Ziegelgitter doch bereits einer Vergangenheit an, zu der die heutigen Besitzer der Gebäude keine rechte Beziehung mehr haben. So geschieht es, daß bei baulichen Erneuerungen an den Speicherbauten die schönen Ziegelgitter immer mehr verschwinden oder rein funktioneil durch hochkant gelegte Lochziegel ersetzt werden, die ebenfalls Luft und Licht in die Scheune gelangen lassen, dem Schmuckbedürfnis aber naturgemäß nicht mehr Rechnung tragen. Die Zeit, in der auch Gegenstände und Bauten des Alltagslebens bodenständiges Dekor aufwiesen, scheint vorüber zu sein.
Es handelt sich ja auch nur selten um hochwertige Baukunst (wie etwa beim achteckigen Stadel des Gutes Klingenstein bei Vasoldsberg), aber doch immerhin um bemerkenswerte Kleindenkmäler des bodenständigen Bauens, deren Motive — wie die Sammlung des Verfassers hier in Auswahl zeigt — echte Aufmerksamkeit verdienen. Ist das vorliegende Buch auch mehr eine Materialdarbietung als eine Monographie, so soll es doch dazu anregen, diese überaus ansprechenden Bauformen mehr als bisher zu beachten, sich mit ihrem Formenschatz zu beschäftigen und, wo immer dies möglich ist, auch der Nachwelt zu erhalten. Dieses Anliegen ist im „Jahr des Denkmalschutzes" 1975, in dem dieses Buch erscheint, aktueller den je; sein Sinn aber soll auch in der Zukunft nicht ad acta gelegt und vergessen werden. Auch die zahllosen Kleindenkmäler der volkstümlichen Baukunst, an welchen die Steiermark und auch die umliegenden Länder so reich sind, verdienen Schutz und Aufmerksamkeit. Wer dieses Buch durchgeblättert hat, wird ohne Zweifel zum begeisterten „Ziegelgittersammler" werden. Der Verlag würde sich freuen, wenn diese Publikation dazu beitragen könnte, den Blick und das Verständnis für die verborgenen und gefährdeten Schönheiten der Heimat zu schärfen und zu vertiefen.
Ein erfreuliches Anzeichen dafür ist, daß eine „Entdeckung" des Autors, der oben erwähnte Achteckstadel von Vasoldsberg, im heurigen Jahr unter Denkmalschutz gestellt wird und bald restauriert werden soll.
Graz, im August 1975
VERLAG FÜR SAMMLER
© Bild und Texte Hasso Hohmann