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Otto Nußbaumer#

Von Klaus Höllbacher


Konstrukteur und Rundfunkpionier#


Mit der erstmaligen Übertragung der menschlichen Stimme am 15. Juli 1904 gelang Otto Nußbaumer ein Meilenstein in der drahtlosen Telegraphie. Otto Nußbaumer war zu dieser Zeit Konstrukteur am Institut für Physik an der Technischen Hochschule in Graz.

Wie kam es dazu, daß Nußbaumer gerade hier seine Erfindung machte? Was waren seine wissenschaftlichen und technischen Voraussetzungen und was sein Umfeld? Was führte dazu, daß er seine Erfindung nicht weiter führte und damit Weltruf erlangte?

Die Frage nach den Hintergründen, warum Nußbaumer gerade an der Technik in Graz - an der es nicht einmal ein Institut für Elektrotechnik, geschweige denn ein Institut für Telegraphie gab - diese Erfindung machte, führt zu seinem Lehrer, Professor Albert von Ettingshausen. Die Geschichte Nußbaumers ist ohne ihn nur bruchstückhaft.

Ettingshausen war es, der Nußbaumer zu seinen Experimenten anleitete und ihm die Möglichkeit gab, auf dem Gebiet der drahtlosen Telegraphie zu experimentieren.


Ettingshausen und die Physik an der Technik in Graz#

Die Anfangszeit des Lehrfaches Physik war an der Technischen Hochschule in Graz einerseits durch die Verbindung mit der Chemie und andererseits durch die Besetzung der Lehrstelle durch Mittelschulprofessoren gekennzeichnet. In einigen Fällen stellte diese Position ein Sprungbrett für eine weitere universitäre Laufbahn dar. So bekleidete der spätere Ordinarius Anton Ritter von Kristelli (1802-1875) diese Funktion über 13 Jahre lang bis 1843. Nach einer Zwischenphase, die durch Supplierungen gekennzeichnet war, wurde Adalbert Edler von Waltenhofen (1828-1914) mit der Lehre der Physik beauftragt. Aber bereits zwei Jahre nach seiner Ernennung folgte Waltenhofen 1853 einem Ruf an die Universität Innsbruck. Waltenhofen wechselte später nach Prag und Wien und wurde der erste Ordinarius der Elektrotechnik auf österreichischem Boden. Als Nachfolger Waltenhofens wurde 1855 Jakob Pöschl (1828-1907) bestellt. Pöschl baute während seiner Professur die Physik als Grundlagenfach für alle technischen Wissenschaften aus. Eine besondere oder bedeutende Ausformung der Physik während seiner Tätigkeit ist nicht feststellbar.


Nach dem Abgang Pöschls war das Lehramt der Physik an der Technischen Hochschule verwaist. Um die Nachfolgefrage zu lösen, wurde eine Kommission gebildet, die aus den Professoren Mertens, Hlawatschek, Ameseder, Wittenbauer und Kulmer bestand. Als auswärtige Gutachter wurden Pöschl, Boltzmann (1844-1906), Toepler (1836-1912) und Stefan (1835-1893) beigezogen. Die Kommission diskutierte die Bestellung folgender Physiker: Albert von Ettingshausen, Ignaz Klemencic (1853-1902), Wilhelm Peukert, Franz Streintz (1855-1922), Otto Tumlirz (1856-1928) und Anton Wassmuth (1844-1927).


Es herrschte Einigkeit darüber, daß für die Nachfolge Pöschls nur ein Experimentalphysiker in Frage kommen konnte. Nach der Auskunft Ludwig Boltzmanns gab es in Deutschland und Österreich aber nur wenige Experimentalphysiker, die Ettingshausen ebenbürtig gewesen wären. „Seine Messungen der Magnetisierungszahlen des Diamagnetismus der elektrischen Normalelemente gehören zu den sorgfältigsten und gelungensten Experimentaluntersuchungen“. In gleicher Weise äußerten sich die Professoren Stefan in Wien und Toepler in Dresden. So wurde nach dem Vorschlag der Kommission Ettingshausen mit 15. März 1888 zum Ordinarius der allgemeinen und technischen Physik an der Technischen Hochschule in Graz ernannt. Gleichzeitig wurde er mit "der Abhaltung von Vorlesungen und Übungen auch in elektrotechnischer Richtung" betraut.


Als Ettingshausen an die Physik der Technischen Hochschule kam, lag diese mehr oder weniger "am Boden". Der Unterricht hatte nicht die Qualität, die notwendig gewesen war, um die Techniker des angehenden 20. Jahrhunderts mit den Grundlagen der Physik vertraut zu machen. Ihm war es nun zu verdanken, daß die Physik sowohl in theoretischer, als auch in praktischer Hinsicht jenen Stellenwert erhielt, den sie verdiente. Ettingshausens Vorlesungen enthielten nicht nur die neuesten Entwicklungen und Theorien der Physik, sondern waren darüber hinaus mit einer Vielzahl von Experimenten verbunden, die sie zu den interessantesten an der Technischen Hochschule werden ließen. Dabei war Ettingshausen bemüht, die Studenten durch ihre Ausbildung von reinen Anwendern hin zu selbständigem wissenschaftlichen Denken zu führen.


Albert von Ettingshausen
Albert von Ettingshausen (Foto: Steiermärkisches Landesmuseum Joanneum, Bild- und Tonarchiv, Graz)

Die Bedeutung Ettingshausens für die Technik in Graz liegt aber eigentlich nicht in der Vortragstätigkeit in der Physik, sondern in seinem Bemühen um die Elektrotechnik. Ein eigenes Institut der Elektrotechnik an der Technischen Hochschule Graz wurde jedoch erst nach der Emeritierung Ettingshausens geschaffen.


Als Ettingshausen mit Sommersemester 1888 seine ersten Vorlesungen begann, befaßte sich eine dieser Vorlesungen mit dem Magnetismus und anschließend mit der Elektrizitätslehre. (Die Hochachtung, die ihm von Seiten der Kollegen entgegenkam, zeigte sich schon bald nach seiner Bestellung. Im Jahre 1893 wurde er zum Rektor der Technischen Hochschule gewählt.)


Während an den anderen Technischen Hochschulen Österreichs, z.B. an der Technischen Hochschule Wien im Jahre 1884, an der Technischen Hochschule Prag und der tschechischen Technischen Hochschule in Prag Institute und Ordinarien für Elektrotechnik eingerichtet wurden, blieb der Technischen Hochschule Graz eine Lehrkanzel für Elektrotechnik verwehrt.


Dies ergab sich, obwohl gerade Ettingshausen und einige seiner Kollegen in der Zeit von 1888 bis in die Zwischenkriegszeit vielfach den Versuch unternahmen, beim Ministerium ein Ordinariat und ein Institut für Elektrotechnik einzufordern. So z.B. im Jahre 1896, als eine Teilung der Maschinenbauschule in eine allgemeine und eine spezielle für Elektrotechnik, eine Lehrkanzel für allgemeine und spezielle Elektrotechnik und die Errichtung eines Neugebäudes für dieses Institut gefordert wurden. Das Ministerium lehnte unter anderem mit der Begründung ab, daß Ettingshausen die Lehre in der Elektrotechnik weiterhin in der gewohnten hervorragenden Art und Weise erledigen könne.


So übernahm Albert von Ettingshausen neben den Physik-Vorlesungen auch noch die Übungen und Vorträge zur Elektrotechnik, wodurch er die Technische Hochschule Graz am Puls der Zeit hielt. Oskar Primavesi (1874-1952) sprach im Rahmen der Feierlichkeiten zum 80. Geburtstag Ettingshausens von ihm "als jenem Gelehrten [...], der die Grundmauern der heutigen Elektrotechnik legte." Primavesi war Schüler Ettingshausens und Ordinarius des Dynamobaues an der Technischen Hochschule Wien.


Aus dieser engen Verbindung der Elektrotechnik mit der Lebensgeschichte Ettingshausens ist auch das Vordringen seines Konstrukteurs Otto Nußbaumer in das Neuland der Übertragung menschlicher Sprache zu erklären. Auch vor und nach Nußbaumer holte sich Ettingshausen Konstrukteure an sein Institut, die später Karriere machten:

  • Richard Hiecke (1864-1948), ab 1924 Dozent der Lichttechnik an der Technischen Hochschule Wien
  • Karl Pichelmayer (1868-1914), ab 1905 Professor für den Bau und die Konstruktion elektrischer Maschinen und Apparate an der Technischen Hochschule Wien
  • Johann Ossanna (1870-1952), ab 1901 Ordinarius der Elektrotechnik der Technischen Hochschule München
  • Arthur Pröll (1876-1957), ab 1913 Ordinarius der technischen Mechanik und flugtechnischen Aerodynamik an der technischen Hochschule Hannover und
  • Theodor Pöschl (1882-1955), ab 1928 Ordinarius der Mechanik an der Technischen Hochschule Karlsruhe.


Otto Nußbaumer und seine Versuche mit der drahtlosen Telegraphie#

Otto Nußbaumer wurde am 31.3.1876 in Wilten bei Innsbruck geboren. Sein Vater Franz Nußbaumer war als Verkehrskontrollor beim Tiroler Zweig der Südbahnlinie beschäftigt. Seine Mutter Clothilde, geborene Gysinger, stammte aus Feldkirch in Vorarlberg.


1881 übersiedelte die Familie nach Leoben, wo der Vater die Stelle eines Bahnhofsvorstandes versah. Otto Nußbaumer schreibt selbst, daß die Besuche bei seinem Vater sein Interesse für Elektrotechnik weckten. Noch in seiner Kindheit lernte er das Morsealphabet und entwickelte sich zu einem guten Telegraphisten.


Otto Nußbaumers Mutter starb noch während seiner Volksschulzeit, woraufhin er sich immer mehr in die Physik vertiefte und sich dadurch seine eigene Welt schuf. Seine schulischen Leistungen im Landes-Obergymnasium in Leoben ließen mehr als zu wünschen übrig. So schickte ihn sein Vater für drei Jahre ans Stiftsgymnasium nach Kremsmünster. Die erhoffte Verbesserung der Leistungen trat jedoch nicht ein und die Schulleitung in Kremsmünster riet, den Buben in eine Lehre zu schicken. Daraufhin wechselte Otto Nußbaumer an die Landesoberrealschule in Graz, an der er 1896 - im Jahr in dem Marconi seinen Durchbruch in der drahtlosen Telegraphie schaffte - die Matura ablegte.

Otto Nußbaumer
Otto Nußbaumer (Foto: Bildarchiv, ÖNB Wien)

Neben seiner schulischen Ausbildung lernte er noch handwerkliche Grundfertigkeiten bei einem Elektromechaniker. So konnte er sich einen Spiegelgalvanometer, einen Funkeninduktor und einen Präzissionswiderstandskasten selbst fertigen.

Aufgrund seiner Vorliebe für die Elektrotechnik gab es für Otto Nußbaumer nur die Möglichkeit, an der Technik in Graz zu inskribieren. Da das Fach der Elektrotechnik noch nicht existierte, entschloss er sich, Maschinenbau zu studieren.


Noch während seiner Studienzeit belegte er Vorlesungen und Übungen für Elektrotechnik vor der dafür vorgesehenen Zeit und verschaffte sich damit ein besonderes Wissen um die im Institut vorhandenen Gerätschaften und Experimente. Im Dezember 1899 legte Nußbaumer die erste und am 9. November 1900 die zweite Staatsprüfung ab. Nach der Beendigung seiner Ausbildung blieb Nußbaumer noch ein Jahr am Institut Ettingshausens als Volontär.


Um diese Zeit, nämlich im Dezember 1895, gelangen Gulielmo Marconi erstmals seine „Funkenversuche“. Zu Beginn des Jahres 1896 hatte er einen Apparat entwickelt, der Signale über eine Entfernung von mehr als zwei Meilen übertragen konnte. Damit hatte Marconi ein Gerät erfunden, das sowohl bei der Postbehörde in England, als auch bei den Militärs - vor allem bei der Marine - besondere Aufmerksamkeit erregte. Im selben Jahr ließ Marconi seine Erfindung patentieren.


Bereits im Jahr 1900 gelang es Marconi, den Ärmelkanal mit seiner drahtlosen Telegraphie zu überbrücken und 1902 schaffte er es, Signale über den Atlantik zu übertragen. Damit war dem bisherigen Telegraphenverkehr eine ernsthafte Konkurrenz erwachsen.


Ettingshausen als Förderer Nußbaumers?#

Als im Juni 1901 der bisherige Konstrukteur Ettingshausens Arthur Pröll seine Stelle niederlegte, bot sich Otto Nußbaumer die Chance, seine Nachfolge zu übernehmen.


Am 13. Juni 1901 schlug Albert von Ettingshausen dem Professorenkollegium seinen Schüler Otto Nußbaumer als Konstrukteur für die Lehrkanzel der Physik vor. Der Antrag wurde sowohl von der Fakultät als auch vom Ministerium für Cultus und Unterricht genehmigt. Die Jahresdotation Nußbaumers betrug 2400 Kronen. (Das war die in dieser Zeit übliche Dotation für einen Konstrukteur. Um geeignete Personen am Institut halten zu können, war es aber zu wenig. So mußte sich Ettingshausen alle paar Jahre nach einem neuen Konstrukteur umschauen, da die Angebote aus der Wirtschaft bedeutend lukrativer waren.)


Das Interesse an der drahtlosen Telegraphie war seit der ersten Übertragung Marconis auch am Institut für Physik sehr groß. Wie bereits berichtet, wandte Ettingshausen einen Großteil seiner Vorlesungsstunden, aber auch seiner Forschungstätigkeit, für die Elektrotechnik auf. In diesem Umfeld konnte Nußbaumer mit Unterstützung für seine Experimente rechnen. Dabei ist der Beitrag Ettingshausen an der Erfindung Nußbaumers umstritten. Sicher ist, daß Nußbaumer nur am Institut Ettingshausens die Voraussetzungen für Experimente in der Elektrotechnik finden konnte. Ein anderes Institut, das sich mit der Elektrotechnik auseinandersetzte, existierte nur in Wien. Das Verständnis für seine Experimente fand Nußbaumer ebenfalls bei Ettingshausen. Inwieweit Ettingshausen aber Nußbaumer in der Weiterführung seiner Experimente unterstützte bzw. ihn ermutigte, diese fortzusetzen, ist nicht klar.


In den Aufzeichnungen Ettingshausens finden sich jedoch vor allem aus der Zeit nach den Versuchen Nußbaumers viele Aufzeichnungen zum Thema der drahtlosen Telegraphie. Ettingshausen hat sich bis zu seinem Tode - auch nach seiner Emeritierung - eingehend mit dem Thema und den neuesten Entwicklungen auseinandergesetzt.


Der immer wieder in Biographien Nußbaumers erhobene Vorwurf, Ettingshausen habe Nußbaumer nicht unterstützt, da die Elektrotechnik nicht Ettingshausens Fach gewesen sei, läßt sich auf keinen Fall bestätigen. Gerade die Elektrotechnik war Ettingshausens Fach, mehr noch als die Physik.


Der Durchbruch?#

Bereits im Jahre 1902 begann Nußbaumer, sich intensiv mit der drahtlosen Telegraphie auseinanderzusetzen. Nußbaumer baute die Schaltungen von Slaby, aber auch die Sender und Empfänger von Braun nach und versuchte diese nach seinen Vorstellungen zu modifizieren.


Dazu muß berücksichtigt werden, daß Marconis Erfindung und Experiment auf einer Funkenentladung beruhte. Dabei wurde die Energie durch eine Influenzmaschine erzeugt und mittels Leydner Flaschen gespeichert. Die Funkenentladung wurde über eine Funkenstrecke zwischen zwei Kugeln durchgeführt, wobei die Frequenz der oszillierenden Entladung sowohl vom Abstand der Kugeln, als auch von Kapazität und Induktivität der Versuchsanordnung abhängig ist. Diese elektromagnetische Welle - Funkenentladung - wurde mittels einer Antenne und eines Kohärers ( ein Glasröhrchen mit Metallspänen, die bei Empfang einer elektromagnetischen Welle zusammengepackt werden) als Empfänger übertragen. Dabei wurde durch den Kohärer ein Strom geschickt, der über ein Relais eine Glühlampe zum Leuchten brachte. Der Kohärer mußte nach dem Empfang durch Klopfen wieder in Empfangsbereitschaft gebracht werden. Marconi konnte damit auf einfachste Weise Information übertragen. Durch technische Verbesserungen gelang es, die Anordnung weiter zu verbessern und gebrauchsfähig zu machen.


Der bedeutende Unterschied der Erfindung Nußbaumers zu der Marconis lag nun in der Tatsache begründet, daß nicht nur ein Bit Information übertragen werden sollte, sondern Sprache bzw. Musik.

Versuch Ettingshausen/Nußbaumer
Der Versuch startete am 15. Juni 1904 mit Alfred v. Ettingshausen, Otto Nußbaumer und Heinrich Geitner (Foto: Steiermärkisches Landesmuseum Joanneum, Bild- und Tonarchiv, Graz)

Nußbaumer war im Frühjahr 1904 mit Vorlesungsversuchen beschäftigt, die Resonanzerscheinungen zum Thema hatten. Er wählte dabei eine Schaltung des singenden Lichtbogens nach der Duddelschen Schaltung und modifizierte diese, indem er eine Hilfsschaltung einführte, durch die er die Eigenfrequenz des Lichtbogens erhöhen konnte. Dieser hatte nun eine Frequenz von ca. 7000 Hertz. Durch das Ersetzen einer Drahtspule durch einen Funkeninduktor konnte er die Frequenz auf 20.000 Schwingungen/sec. weiter erhöhen. Nachdem er diese Versuchsanordnung für seine Resonanzversuche entwickelt hatte, kam Nußbaumer auf die Idee, den Induktor mit einem Braunschen Schwingkreis zu einem Sender zusammenzuschließen. Die Funkenstrecke, die einen Abstand von einem Zentimeter hatte, wurde von ihm auf wenige Millimeter verringert, wodurch ein nahezu ununterbrochener Strom von Funken entstand, der geeignet war, den ausgestrahlten Wellen ungedämpften Charakter zu verleihen. Durch die Hinzufügung eines Mikrophons wurden die Schwingungen moduliert.


Weit größere Probleme verursachte jedoch die Empfängeranlage. Die bisher zum Empfang verwendeten Kohärer waren für Nußbaumer ungeeignet. Er hätte einen Detektor gebraucht, der aber eigentlich erst 1906 durch Braun und Dunwoody erfunden wurde.

Nußbaumers Sendeanlage
Sendeanlage von Nußbaumers Versuch (Foto: Steiermärkisches Landesmuseum Joanneum, Bild- und Tonarchiv, Graz)
Nußbaumers Empfangsanlage
Empfangsanlage von Nußbaumers Versuch (Foto: Steiermärkisches Landesmuseum Joanneum, Bild- und Tonarchiv, Graz)



Nußbaumer löste diese Problem auf folgende Weise: Er nahm feines Eisenpulver und erzeugte mit Hilfe eines Magneten und einer schwachen Flamme einen kristallinen Klumpen. Daraus bildete er feine Körner, mit denen er ein Glasröhrchen füllte.


Der so gebaute Detektor - von Nußbaumer selbst als Kohärer bezeichnet - besaß aufgrund seiner Gleichrichterwirkung hervorragende Empfangseigenschaften. Die eigentliche Wirkungsweise seines Detektors war Nußbaumer aber nicht bekannt.



Mit dieser Anordnung gelang Nußbaumer dann am 15. Juni 1904 seine Übertragung von Musik und Sprache. Dabei war die Übertragung von Melodien und Gesang mit ansprechendem Empfang möglich. Seine bedeutendste Leistung war bei dieser Übertragungseinrichtung sicherlich die Entwicklung eines Detektors. Dessen eigentliche Funktion blieb ihm verborgen, wiewohl er funktionierte. Möglicherweise war dies mit ein Grund, warum sich Nußbaumer nicht um die weitere Patentierung oder den Verkauf seiner Erfindung bemühte.



Nußbaumer Ehrentafel
Ehrentafel für Otto Nußbaumer im Hauptgebäude der "Technik in Graz" (Foto: H. Texzak)



Nußbaumers Leben nach seiner Übersiedelung nach Salzburg#

Im September 1908 bewarb sich Otto Nußbaumer bei der Salzburger Landesregierung um eine Position im Salzburger Baudepartement. Zuvor hatte er 1907 seine Stellung an der Technik in Graz aufgegeben und ein Jahr als Baupraktikant für den Staatsbaudienst in der Steiermark gearbeitet. Der Grund seiner Übersiedelung ist nicht bekannt. Die Aussichten auf eine Beamtenkarriere waren in Salzburg aber wahrscheinlich günstiger als in der Steiermark. Im Oktober 1908 wurde er als Ingenieur ins Baudepartement übernommen. Er übersiedelte mit seiner Frau und der einjährigen Tochter in die Haydnstraße im Andräviertel, drei Jahre später zog die Familie Nußbaumer in das Haus Dreifaltigkeitsgasse 18, gegenüber der heutigen Hochschule Mozarteum.


Der berufliche Aufstieg Nußbaumers ging den gewohnten Gang eines Beamten. Als Sachverständiger für technische Einrichtungen übernahm er 1919 den Vorstand der Abteilung für Maschinenbau und Elektrotechnik. Eine Einberufung zur Armee während des Weltkrieges blieb ihm aufgrund seines Alter erspart. 1924 wurde er zum Titularhofrat ernannt.


Besondere Verdienste erwarb er sich in Salzburg durch seine Fürsprache und Intervention bei der Errichtung der Elektrotechnischen Abteilung der Staatsgewerbeschule im Jahre 1919, heute Höhere Technische Bundeslehranstalt.


Seine Tochter Berta maturierte bei den Ursulinen und studierte an der Universität Graz Physik und Mathematik, ein zu ihrer Zeit für eine Frau außergewöhnliches Studium. 1932 schloss sie mit dem Doktorat und der Lehramtsprüfung ab. Danach unterrichtete sie als Gymnasialprofessorin und bekleidete von 1956 bis 1963 den Direktorenposten an der von ihr gegründeten Frauenoberschule, heute Wirtschaftliches Bundesrealgymnasium in Salzburg.


Die Pioniertat Nußbaumers blieb lange Zeit hinweg unbekannt. Nur wenige interessierten sich für die erste drahtlose Übertragung von Sprache durch Nußbaumer. Erst die 25-Jahr-Feier ihres Jubiläums führte zu einer großen Zahl von Veranstaltungen und Ehrungen für Otto Nußbaumer. Die Feier wurde von der Technischen Hochschule Graz und vor allem von Univ. Doz. Dr. Robert Ettenreich und Dr. Otto Blumenwitz - einem Schüler Nußbaumers und Nachfolger als Konstrukteur bei Ettingshausen - durchgeführt. Die Festvorträge hielten Dozent Ettenreich und Professor Federhofer.


Anläßlich dieser Feier wies auch Ettingshausen darauf hin, daß es sich um Nußbaumers eigenständige Erfindung gehandelt habe, "alles sei dessen eigenem wissenschaftlichen Spürsinn zu verdanken. Und hätte Nußbaumer damals mehr Hilfe gefunden und mehr Gelegenheit gehabt, so wäre er in seinen Forschungen sicher noch weiter gekommen, so daß er schließlich der Detektor des Detektors geworden wäre."


Im Umfeld der Feierlichkeiten erhielt Nußbaumer nochmals ein Schreiben von Dr. Arco von der Telefunken-Gesellschaft, der bedauerte, daß aus der Zusammenarbeit im Jahre 1904 nichts geworden sei. Er hatte nämlich im Dezember 1904, auf die Artikel in diversen Fachzeitschriften reagierend, ein Schreiben an Nußbaumer mit folgendem Inhalt geschickt: „Wir haben mit großem Interesse von Ihren Vorführungen in Graz Kenntnis erlangt ... Wir möchten Sie hieran anknüpfend fragen, was in den uns bekannt gewordenen Anordnungen neu, und patentfähig, ist.“


War nun nach der Auffassung Nußbaumers nichts neu, oder nichts patentfähig, oder war er gar nicht daran interessiert weiter an seiner Erfindung zu arbeiten? Die Chancen dazu hätten wahrscheinlich bestanden.


Bereits zur Zeit dieser Jubiläumsfeiern war Nußbaumer dem Tode nahe. Er litt an Tuberkulose und starb ein Jahr später am 5. Jänner 1930 im 54. Lebensjahr an den Folgen seiner Krankheit. Noch heute erinnern zwei Straßen an das gewissermaßen unvollendet gebliebene Werk Otto Nußbaumers: Eine in Salzburg im Stadtteil Itzling und eine in Graz-St. Peter.


Literaturhinweise:#

  • ASCHOFF, Volker: Die elektrische Nachrichtentechnik im 19. Jahrhundert, in: Technikgeschichte, Bd. 34, 1967
  • HÖLLBACHER, Klaus: Albert von Ettingshausen (1850-1932), Dissertation, Universität Graz, 1994
  • o. V.: 25-Jahr-Feier der Versuche von Ing. Otto Nußbaumer über Musikübertragung durch elektrische Wellen an der Technischen Hochschule in Graz, in: Elektrotechnik und Maschinenbau, Bd. 47, 1929, S. 629
  • SEQUENZ, Heinrich: 100 Jahre Elektrotechnik in Österreich 1873-1973, in: Schriftenreihe der Technischen Hochschule in Wien, Bd. 3, Hrsg. Rektorat der Technischen Hochschule Wien, Wien 1973
  • TECHNISCHE HOCHSCHULE IN GRAZ (Hg.): Gedenkschrift zur Hundertfünfzig-Jahrfeier der Technischen Hochschule in Graz, Graz 1962
  • VENUS, Theodor; WAITZBAUER, Harald; SCHWEIN-ÖSTER, Christine: Otto Nußbaumer. Der Salzburger Radiopionier, in: Schriftenreihe des Landespressebüros. Serie „Sonderpublikationen“ Nr. 89, Hrsg. Roland Floimair, Amt der Salzburger Landesregierung, Salzburg 1990



© Text und Bilder: Josef W. Wohinz