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Stadtobergärtner Johann Artinger
Stadtobergärtner Johann Artinger

Erinnerungssplitter#

(Die Arbeit von Generationen)#

Von Martin Krusche#

Egal, an welcher Stelle von Gleisdorf ich kurz innehalte, in den meisten Fällen wird es ein Flecken sein, an dem tausend Hände durch mehr als ein Jahrhundert hindurch gewirkt haben. Meist wissen wir nicht, wer die Mühen aufgebracht hat, um ein Stück des Bodens zu bereiten, auf dem wir gedeihen. Manchmal gibt es aber ein paar Belege.

Mein Faible für kollektive Formen der Wissens- und Kulturarbeit löst sich unter anderem darin ein, daß in den Annäherungen an ein Thema oder Projekt ganz unterschiedliche Mentalitäten und Kompetenzen in Wechselwirkung gelangen.

Fotograf Richard Mayr hatte mich darauf aufmerksam gemacht, daß der Brunnen im Gleisdorfer Stadtpark eine interessante Geschichte habe. (Daß dieses Park-Element „Artinger-Brunnen“ heißt, hab ich davor nicht gewußt.) Im Gleisdorfer Stadtjournal stand einst zu lesen: „Am 13.4.1976 ist Stadtobergärtner i. R. Johann Artinger, Ehrenringträger der Stadt Gleisdorf, von uns gegangen.“ Eine völlig unprätentiöse Notiz. Nun erfuhr ich: „Er hat den Stadtpark geplant und hochgezogen.“

Das erzählte uns Helmut Artinger, ein Verwandter des Gärtners, am Tisch von Richard Mayr. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine bestimmte Vorstellung, was aus dem Thema zu machen sei. Es begann damit, an Dokumenten durchzusehen, was Artinger hatte bewahren können. Das Leben von Privatpersonen ohne spezielle Prominenz ist ja meist nicht besonders gut dokumentiert. Diverse Urkunden, staatliche Dokumente, ein paar Familienfotos, schließlich auch noch ein lokaler Pressebericht…

Unser Bote, Großneffe Helmut Artinger, ist Tischler mit einer lebhaften Berufslaufbahn, die ihn 1970 in den Raum München brachte, wo er einen stattlichen Betrieb aufbaute. Er wurde im Jahr 1951 geboren, was bedeutet, er kann sich derzeit eine ruhigere Gangart gönnen, wobei er aber an seinem Metier immer noch interessiert ist.

Die Hintergrundfolie#

Wir leben seit rund 200 Jahren in einer permanenten technische Revolution, die alle Lebensbereiche durchdringt. Da schimmern schon in einer ersten Plauderei Lebenslinien durch, die in ihren Verknüpfungen das gesamte 20. Jahrhundert durchmessen. Das klingt auch immer wieder in den Betrachtungen an, die Mayr und ich anstellen, wobei er dann eben das Erzählen auf visueller Ebene einbringt und ich der Textlastige bin.

Das meint, wir untersuchen mögliche Schnittpunkte von regional- und sogar weltgeschichtlichen Aspekten im Zusammenhang mit persönlichen Zugängen und familiären Bindungen. Das mag auf diese Art etwas abstrakt klingen. Über die individuellen Geschichten und die persönlichen Dokumente wird es greifbarer.

Schreiner-Meister Helmut Artinger
Schreiner-Meister Helmut Artinger
Fotograf Richard Mayr
Fotograf Richard Mayr

Wir haben gerade erst einige Markierungen überprüft, die momentan einmal als Stückwerk vorliegen, aber schließlich ein Mosaik ergeben. (Projekt „Funkenflug“) Am Ende des 19. Jahrhundert entbrannte in jener Industriemoderne ein atemberaubendes Kräftespiel, das rund um 1909/1910 deutlich werden ließ: nun startet eine umfassende Motorisierung der Welt.

In diesem Zusammenhang begannen Massenfertigung und Massenkonsum zusammenzufinden, was für alle Arten von Handwerk naturgemäß radikale Konsequenzen hatte. Ich werde in einem nächsten Arbeitsschritt mit einigen Dokumenten hinterlegen, wie sich persönliche Geschichten und familiäre Verläufe in diesem großen Weltgetriebe abbilden.

Vom Gärtner Johann Artinger zum Tischler (Schreiner-Meister) Helmut Artinger zieht sich allein schon die Geschichte der technischen Veränderungsschübe. Das meinte die zweite und die dritte industrielle Revolution. Erst in diesem Zeitfenster wurde ein wachsender Wohlstand auf breiter Ebene wirksam, dessen Höhepunkt wir vermutlich inzwischen erlebt haben.

Hier also die nächste Automatisierungswelle (Vierte Industrielle Revolution mit ihren selbstlernende Systemen, einem Internet der Dinge etc.), da andrerseits die deutlich gebrochene Wohlstandswelle. Zwischen all dem die Frage, wie wir als Gesellschaft derzeit damit umgehen wollen, daß die Wirtschaft eine Reihe von handwerklichen Kompetenzen nicht mehr auf den Markt holt, nicht braucht, nicht bezahlt, weshalb diese Kenntnisse und Fertigkeiten verschwinden werden.

Da wären freilich jetzt noch Weichenstellungen möglich, um derlei Kulturgut zu sichern, vor dem Verschwinden zu beschützen. Dabei nützt es, zu klären, womit wir es da überhaupt zu tun haben… (Fortsetzung folgt!)


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  • Fahrenheit reloaded (Eine Erzählung)
    • Funkenflug (Eine Erkundung von Martin Krusche und Richard Mayr)
      • Fotos: Martin Krusche & Archiv Helmut Artinger