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Steirische Artillerie-Einheit in den 1970ern.
Steirische Artillerie-Einheit in den 1970ern.

Flocke: Alter Mann IV#

(Der soldatische Mann)#

von Martin Krusche

Als alter Mann kann ich endlich entschlüsseln, was ich als junger Mann gelebt hab. Vermutlich deshalb, weil es jetzt keine Notwendigkeit mehr gibt, in den damaligen Rollenkonzepten festzustecken. Im Suchen nach einem aktuell angemessenen Rollenbild wird der Blick auf alte Varianten freier.

Ich hab in der vorigen Glosse notiert: „Sehe ich meine Chroniken durch, fällt mir auf, daß ich als Jüngling und Mann geradezu schulbuchmäßig durchlaufen hab, was männliche Stereotypen in unserer Kultur sind. Zumindest auf physischer Ebene und in meiner körperlichen Erscheinung.“

Eine zweite Durchsicht der Bilder bestätigt das. Ich hatte zwischen 15 und 18 begonnen, mich in diesem Sinn zu verändern. Aus den alten Fotos ließe sich ein Albumblatt zusammenstellen, wie es aus dem Handbuch der Selbsthilfegruppe anonymer Patriarchen stammen könnte.

Wäre ich damals eine Spur glamouröser und besser trainiert gewesen, ginge dieses Albumblatt im Versandhandel garantiert als Souvenir aus Hollywood durch. Wie soll ich mir das erklären? Ich war weder das Mitglied machistischer Zirkel, noch ideologisch auf eine androzentrische Pausennummer getrimmt.

Mein vertrautes Milieu ergab sich erst einmal aus Lehrlingen, „Ladlschupfern“ (kaufmännische Angestellte) und Handwerkern, dann wurde es das Kunstvölkchen. Schreibende, Malende, Folkies, Jazzer, Blues People und Kabarett-Leute. Was nun die schon erwähnte Asymmetrie der Bilder betrifft, hatte ich lange unterschätzt, wie Kultur funktioniert, wie sozialisiert wird.

Ich war nicht unzufrieden.
Ich war nicht unzufrieden.

Es beginnt schon damit, daß Burschen - historisch betrachtet - ab 15 als wehr- und waffenfähig galten. Dazu kam mindestens aus dem 19. Jahrhundert heraus das Ideal des „soldatischen Mannes“, eingebettet in die Idee, das Militär sei eine „Schule der Gesellschaft“. (Es ist ja kein Zufall, daß heute noch manche Schulen wie Kadettenanstalten wirken.)

Und dann natürlich der Faschismus, in dem all das ideologisch neu gebündelt und emotional smart inszeniert wurde. Selbst mein Vater, ein hoch dekorierter Kriegskrüppel, der den Fronteinsatz in einem Bewährungsbataillon überlebt hatte, konnte mir – ohne es auszusprechen - klar machen, daß er mich als Mann anerkennen würde, wenn ich Soldat bin. Ich wurde Soldat.

Pierre Bourdieu wies uns auf eine „geschlechtliche Topologie des sozialisierten Körpers“ hin. Er erwähnte „universell angewandte Denkschemata“, wo es um „gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse“ geht. Na, da kommt man der Sache ja auf die Spur. Der Soziologe erkannte „den Körper und seine Bewegungen, Matrizen von Universalien, die einer gesellschaftlichen Konstruktionsarbeit unterworfen werde“.

Wozu? Bourdieu: „Die soziale Welt konstruiert den Körper als geschlechtliche Tatsache und als Depositorium von vergeschlechtlichten Interpretations- und Einteilungsprinzipen.“ Er konstatierte eine „androzentrische Vernunft“. Die ist klarerweise nicht bloß Ideologie, sondern auch Inszenierung. Dabei geht es um die „Ratifizierung von männlicher Macht“. Und dieser „symbolischen Maschine“ dient man(n) offenkundig auch ohne konkrete eigene Intention in solchem Sinn. (Fortsetzung)

Kontext#