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Episode 51: Kreuzweg 14#

(Zwischen Himmel und Erde)#

Von Martin Krusche#

Die 14. Station des Kreuzweges handelt von der Grablegung Jesu. Im Evangelium nach Matthäus lautet die betreffende Stelle 27,61: „Auch Maria aus Magdala und die andere Maria waren dort; sie saßen dem Grab gegenüber.“ Das ist eine auffallende Betonung des Ranges zweier Frauen in dieser Geschichte. Die Mutter Jesu steht dabei in ihrer Rolle außer Diskussion.

Merkwürdig ist aber, daß mir aus meinen Kindertagen eine Darstellung erinnerlich ist, Maria aus Magdala sei eine Sünderin, mehr noch, eine Prostituierte. Das finde ich irritierend. Der Wanderprediger Jesus hatte in weiten Bevölkerungskreisen eine erhebliche Wirkung entfalten können. Seine Bergpredigt bietet noch heute einen Eindruck von jener Wirkmächtigkeit an.

Dieser Mann soll also eventuell zu Anschauungszwecken eine Sünderin im Gefolge gehabt haben? Vielleicht um sich und anderen zu demonstrieren, daß er den Outcasts gegenüber ohne Distanz oder gar Ressentiments sei? Das wär mir eine weitaus zu plumpe Schilderung der nahen Umgebung dieses komplexen Charakters Jesus.

Zwei Sphären#

Ich habe inzwischen begriffen, daß der Kreuzweg auf zwei Arten zu lesen ist, zu zwei grundverschiedenen Sphären gehört. Eine weltlich-politische und eine spirituelle. Diese zwei Arten gegeneinander auszuspielen wäre töricht und ohne Erkenntniswert.

Joseph Campbell gibt uns dazu in seinem grundlegenden Werk „Der Heros in tausend Gestalten“ eine wesentliche Anregung: „Doch die Poesie des Mythos stirbt, wenn sie als Biografie, Geschichte oder Wissenschaft interpretiert wird. Dann werden aus den lebendigen Bildern bloße Fakten aus fernen Zeiten oder Weltgegenden.“

Erkenntnis kommt eben nicht bloß aus dem, was der Fall ist. Menschen und Mythen, das gehört offenkundig untrennbar zusammen. Die spirituelle Deutung habe ich mir von Pfarrer Giovanni Prietl erläutern lassen. Sie handelt von einem Opfer, das Jesus seinem Gott angeboten hat, wobei er nicht wissen konnte, ob dieses Opfer angenommen werde. Da dies aber gelungen ist, hat Jesus eine besondere Verbindung zwischen den Menschen und Gott geschaffen.

Hier finde ich einen Querverweis auf menschliche wie gesellschaftliche Kräftespiele grundsätzlicher Art, in denen Schuld und Sühne eine Rolle spielen, wo also auch von Vergebung und Erlösung zu reden wäre; ganz unabhängig davon, ob man sich den Gläubigen zurechnet oder nicht.

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Das Politische#

Die profane Deutung hat für mich ein zentrales Motiv: den politischen Mord. Jesus war den ansässigen Honoratioren als ein Unruhestifter erschienen, dessen offenbar charismatische Wirkung sie nicht zu bremsen vermochten. Historische Quellen besagen, man habe auf ein ordentliches Verfahren verzichtet, was bemerkenswert ist. Römisches Recht gilt bis heute als ein Fundament unserer Rechtsprechung. Da waren also klare Kriterien verfügbar, die übergangen wurden.

Selbst mäßig interessierte Menschen kennen die Szene, in der Roms Statthalter Pontius Pilatus seine Hände demonstrativ „in Unschuld“ wusch. Davor hatte er schon versucht, Jesus das Kreuz zu ersparen, also die entsetzlichste Hinrichtungsart jener Zeit abzuwenden. Daher mein Fazit: ein politischer Mord in Vermeidung damals üblicher Rechtsnormen. Und das im speziellen Modus der Folter und der grausamen Hinrichtung.

Einen Menschen demonstrativ zu Tode zu schinden, maximale Qualen auszulösen, das ganze als Schau zu inszenieren, ist ein Terrorakt, der dem Volk etwas mitteilen soll: „Seid fügsam!“ Matthäus belegt das in 27,1: „Als es Morgen wurde, fassten die Hohenpriester und die Ältesten des Volkes gemeinsam den Beschluss, Jesus hinrichten zu lassen.“

Mt. 27,11 und 27,12 verdeutlichen die politische Dimension der Vorgänge, die alles andere als ein ordentliches Verfahren waren: „Als Jesus vor dem Statthalter stand, fragte ihn dieser: Bist du der König der Juden? Jesus antwortete: Du sagst es.“ Dann freilich: „Als aber die Hohenpriester und die Ältesten ihn anklagten, gab er keine Antwort.“ Mt. 27, 13 und 27,14 bekräftigen das noch: „Da sagte Pilatus zu ihm: Hörst du nicht, was sie dir alles vorwerfen? Er aber antwortete ihm auf keine einzige Frage, sodass der Statthalter sehr verwundert war.“ Das halte ich für einen interessanten Kontrast. Jesus - weltlich gesehen - das Ziel und Opfer eines politischen Mordes, spirituell gesehen ein Erlöser, der von einem Reich im Himmel gesprochen hat.

Was offen bleibt#

Doch da läßt mich noch etwas über diese 14. Station des Kreuzweges grübeln. Dieser Mann Jesus, vorerst Tekton, ein von seinem Stiefvater Josef ausgebildeter Handwerker, läßt alle alten Bindungen hinter sich. Er hat zu Lebzeiten eine enorme Wirkung als Wanderprediger und als politische Kategorie entfaltet. Und dann diese karge Szenerie, in der die beiden Frauen betont werden. Seine Mutter Maria und… wer? Maria von Magdala. (Ich muß da vermutlich auch bei der „Antigone“ des Sophokles etwas nachlesen.)

Weiterführend#