Zeit.Raum, Slot I, Vol. 54#
Zora (Drei Momente: Graz, Omarska, Višegrad)#
von Martin KruscheIch hab drei Motive ausgewählt, die uns gewissermaßen eine europäische Dimension zu den Stichworten Bosnien und Herzegowina anbieten. Das erste Motiv, die Moschee als Zelt, ist eine Arbeit von Radoš Antonijević, welche 2009 in Graz gezeigt wurde. Das zweite Motiv, habe ich aus Omarska mitgenommen; von einem Treffen mit Überlebenden des „Weißen Hauses“ im dortigen Bergwerksgeländes. Ein Camp, wo von serbischen Kräften 1992 systematisch gefoltert, vergewaltigt und gemordet wurde. Das dritte Motiv zeigt eine Steyr-Puch Pinzgauer in Višegrad.
Das ist die Stadt mit der Brücke über die Dina, die für den Roman „Na Drini ćuprija“ von Ivo Andrić titelgebend war. Ein symbolischer Steiermark-Bezug, denn die Pinzgauer wurden in Graz gebaut, was ich stellenweise in meiner Veranstaltungsreihe „Mythos Puch“ behandle.
Dazu gibt es einen „Puch-Marsch“, den Eduard Wagnes „Meinem lieben Freunde Herrn Johann Puch“ gewidmet hat. Es ist ein Marschlied, in dem ein Joseph Huber etwas holprig dahinreimte und mit Passagen wie „Heil dir, mein wak'res Stahlross dir“ oder „Heil dir, mein Rad von Puch“ geworben hatte. Aktuell würde man sagen: eigentlich ein Werbe-Jingle. „Es radelt heut schon Jedermann, ob krumm er oder grad, s'ist einerlei, er fliegt dahin, stolz auf dem flinken Rad...“
Daran ist bemerkenswert, daß Wagnes zu seiner Zeit in Graz recht populär gewesen ist. Platzkonzerte waren eine Publikumsattraktion. Kapellmeister Eduard Wagnes leitete die Militärmusik der „Zweier-Bosniaken“, also des Bosnisch-hercegovinischen Infanterieregiments No. 2, das in Graz stationiert war.
Das ist im Großen Krieg die am höchsten dekorierte Einheit des Kaisers gewesen. Zusammenhänge, die mit der Geschichte von Graz verbunden sind und mit dem ungewöhnlichen Soldatenfriedhof nahe Lebring. (Siehe dazu den Link „Das unruhige Europa“ (Einige Gedanken zu Bosnien und Herzegowina)
Das bringt mich zur Arbeit von Antonijević. Österreich-Ungarn begann als Aggressor ab 1878, sich Bosnien-Herzegowina zu nehmen, annektierte die vormals osmanischen Provinzen dann formell 1908. (Das sollte bei den „Schüssen von Sarajevo“ mindestens mitgedacht werden.)
Die historische Verknüpfung der Steiermark mit Südosteuropa, speziell mit Bosnien-Herzegowina reicht freilich viel weiter zurück. Etwa durch die Militärgrenze. Dieses confinium militare war vom 16. bis zum 19. Jahrhundert eine Zone zwischen dem Imperium der Habsburger und dem der Osmanen.
Jene Zone wurde auf steirischer Seite gelegentlich mit der Metapher „Brücke und Bollwerk“ belegt, weil die steirische Landeshauptmamannschaft für diese einstige Militärgrenzen zuständig war. (Das drückt sich heute noch in der einzigartigen Waffensammlung des Landeszeughauses aus.) In diesem Spannungsfeld entstand eben auch viel Verbindendes…
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