Nagykanizsa: Überschreitungen#
(Gedanken zur Praxis der Zuversicht)#
von Martin KruscheGleisdorfs Kulturreferent Karl Bauer ist mein Gegenüber in einigen Erörterungen, die ich als unverzichtbare Grundlage für unsere weitere Themenentwicklung in der Kulturarbeit halte. Bauer hat die Archipel-Crew vor einer Weile eingeladen, im Rahmen von “Styria goes Hungary” einen Beitrag zu entwickelt, der dem Thema „Grenzenlose Freiheit!“ gewidmet ist.
Dazu wird es in der kommenden Ausstellung in Nagykanizsa Arbeiten von einem Trio geben: Joachim Karner (Architekt), Richard Mayr (Fotograf) und Roswitha Wesiak (Fotografin). Karner ist nicht bloß berufsbedingt mit dem Erschaffen und Abgrenzen von Räumen befaßt, er tut das auf konzeptioneller Ebene als ein Zeichner mit künstlerischem Niveau.
Mayr arbeitet an soziokulturell konstituierten Grenzsituationen; einerseits zwischen Gegenwart und Vergangenheit, andrerseits zwischen Zivilisation und Wildnis. An Wesiak fällt vor allem auf, daß Menschen sie sehr nahe an sich heranlassen, was verlangt, daß sie übliche Grenzen, die Abwehrreaktionen auslösen, aufzuheben versteht.
Diese kleiner Skizze mag schon verdeutlichen, daß Grenzen aus einem Kontrast entstehen, aus Gegensätzen. Erst wenn beide Seiten wahrnehmbar sind, bekommen wir eine Vorstellung, was die Grenzen ausmacht; sie entstehen gewissermaßen durch die Verschiedenheit.
Daher hatte ich mit Bauer über einen größeren Zusammenhang zu sprechen. Europa ist derzeit wirtschaftlich und sicherheitspolitisch enorm unter Druck, scheint sich überdies auch darin zu verändern, daß etliche politische Kräfte stark nach rechts tendieren. Darin steht die Europäische Union zunehmend zur Debatte.
Ich war mit Bauer einig, daß es in diesem Kräftespiel eine Kleinigkeit ist, zum Pessimisten zu werden. Das schafft man ohne Mühe. Aber in der Vorstellung, wie genau unter solchen aktuellen Bedingungen Europas eine Praxis der Zuversicht aussehen könnte, liegt eine interessante Herausforderung. (Das werde ich in nächsten Arbeitsschritten auch mit Mayr und Archipel-Obfrau Monika Lafer noch im Detail durchgehen.)
Dazu kommt mein bewährter Leitsatz: „Niemand ist alleine schlau!“ Ein Votum für kollektive Wissens- und Kulturarbeit. Was also, wenn wir über einige Staatsgrenzen blicken, einstmals trennende Linien, die unter anderem von soziokulturellen Kontrasten handeln? Ich denke jetzt natürlich an Ungarn, aber auch etwa an Serbien, Bosnien, an Länder, die kulturell und politisch anders geprägt wurden als Österreich.
Ich hab eben in meinen Notizen „Grenzen und Überfahrten“ nachgesehen (Links am Seitenende!), wo es schon um derlei Grenzen ging, auch um Prekmurje, das „Übermurgebiet“.
Aber nun Ungarn! Wir haben aktuell mit der Archäologin Csilla Szaraz und der Ethnologin Szilvia Gyanó zwei sachkundige Kooperationspartnerinnen in einem konkreten Arbeitsvorhaben, für das wir mit Mitteln der Kunst Nachschau halten, was „Grenze“ bedeuten kann, wie sehr auch „Das Andere“ als Bezugssystem unverzichtbar ist, um sich selbst besser wahrnehmen zu können. Die Arbeit an diesem für Europa so wichtigen Themenkomplex hat bei uns auf kultureller Ebene schon begonnen.
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Weiterführend#
- Grenzen und Überfahrten (Wegmarken, der Auftakt zum sechsten Abschnitt)
- Versunkene Barrieren (Grenzen und Markierungen)
- Betrifft Karner: Raum und Raumüberwindung (Klärung dessen, was klar zu sein scheint)