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Es war die gleiche Sonne#

(Eine Situation)#

von Martin Krusche

Ich habe die Geschichte zu diesen Bildern in der vorigen Notiz unter „Pures Holz. Farbe!“ schon skizziert: „Also mußten wir erst einmal klären, welche Art von Holz wir dazu brauchen und wo wir entsprechende Druckstöcke bekommen. Dann Messer.“ (Siehe dazu: „Die Kraft der Poesie“ (Eine Reminiszenz)

Graphic Novelist Chris Scheuer bei der Untersuchung verschiedener Schnitzmesser.
Graphic Novelist Chris Scheuer bei der Untersuchung verschiedener Schnitzmesser.

Diese Ereignisse basieren in einem speziellen Punkt auf älteren Erfahrungen. Ich habe mehrfach gelernt, verschiedene Medienarten selbst auszuführen. Steindruck, Siebdruck, Offset, das kenne ich alles, hatte sogar einige Jahre eine eigene Offsetpresse in meinem Vorzimmer stehen.

Dafür war ich extra in einen Keller gezogen, damit der Boden das aushält und unter mir keine Nachbarn sind, die sich behelligt fühlen könnten. Ich verstehe ein Medium viel besser, wenn ich es selbst einigermaßen beherrsche, ohne daß ich deshalb Virtuosität abgestrebt hätte. Einfach wissen, wie es geht und worauf es ankommt.

Das war auch ein Grund, weshalb ich mich vor Jahrzehnten mit HTML vertraut gemacht habe. Jene Hypertext Markup Language, mit der Content fürs Internet aufbereitet wurde. Damals war ich damit in meinem Milieu Avantgarde. Heute nutze ich das immer noch und bin damit ein Neandertaler.

Aber Anfang der 1990er war eine Ära, da mußte man den Profis stellenweise für eine einzige Seite im Web (mit Text, Bildern und eventuell Sound) bis zu tausend Schilling bezahlen. Eine ganze Website war also für Leute meines Schlages nicht leistbar. Daher habe ich gelernt, wie das geht.

Die alte Technik#

Als ich im Jahr 2016 mit Chris Scheuer an das Thema Holzschnitte ging, machten wir das in der guten Laune, daß wir so in ein halbes Jahrtausend Mediengeschichte eintauchen. Es paßt nun auch eigentümlich, daß ich mich jener Ereignisse entsinne, wo meine zwanzig Jahre mit „The Long Distance Howl“ sich derzeit dem Ende zuneigen; ich bin damit im 19. Jahr angelangt.

Als das 2003 begann, war das „Internetzeitalter“, soweit es den allgemeinen Gebrauch in Haushalten angeht, kaum mehr als ein Jahrzehnt der Realität, mit welcher sich damals eher langsam mehr und mehr Menschen vertraut machten. In jenen Jahren war umgangssprachlich noch von den „Neuen Medien“ die Rede und von „Medienkonvergenz“.

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Jede technische Innovation verlangt eigentlich, daß eine Gesellschaft ihre Adaptionsphasen hat, um sich damit vertraut zu machen. Sowas kann Jahre beanspruchen. Konnte! Heute sind die Adaptionsphasen für technische Innovationen schon stark verkürzt oder überhaupt verschwunden. Eine permanente Beschleunigung, die zunehmend Probleme macht.

Zwischenbemerkung: Was bedeutet es daher, wenn sich einer wie Scheuer für so eine langsame Verfahrensweise wie den Holzschnitt entscheidet? Weiter. Wenn die Begriffe „Neuen Medien“ oder „Medienkonvergenz“ heute im Alltagsdiskurs nicht mehr auftauchen, schließe ich daraus, daß die Adaptionsphase in der Sache erledigt ist.

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Aber wir, die wir in der Kunst leben, finden immer wieder gute Gründe, uns mit alten Techniken vertraut zu machen. In unserer Kultur ist überliefert, daß das Wort Téchne in der griechischen Antike gleichermaßen für Handwerk, Kunst und Wissenschaft stand.

Ich denke, in der Kunst zu leben, das bedeutet unausweichlich, sich in einem großen Zeitfenster einzurichten, was zwangsläufig dazu führt, daß die eigene Statur in so einem Setting ziemlich klein wird. Aber es ist dieses große Zeitfenster, das uns Zugang zu einer maßlosen Fülle eröffnet.

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An der Seite von Chris Scheuer sieht man hier den Buchbinder Johann Kober in dessen Werkstatt im Schloß Freiberg (Albersdorf) wir arbeiten durften. Kober, in dessen Werkstatt - wie im 1er Beitrag erweähnt - "sich ein Arbeitstisch vom Ausmaß eines Hochplateaus befindet", hat uns in einigen Punkten der Abläufe beraten.

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Die zwei Booklets im Web#

Dieser Bilderbogen bezieht sich auf einer Serie von Holzschnitten, mit denen Chris Scheuer auf eine Reihe meiner Gedichte geantwortet hat. Wir haben das in zwei separaten Booklets umgesetzt, damit deutlich bleibt, die Druckgrafiken sind keine Illustrationen meiner Texte, sondern Teil eines Dialogs. Die Booklets wurden gedruckt, sind aber auch im Web verfügbar.
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Dieser Beitrag ist der Teil II zu "Die Kraft der Poesie" (Eine Reminiszenz). Bezüglich des 20 Jahres-Projektes siehe: "The Long Distance Howl" (2003-2022 Rückblick und Ausblick). Die Hintergrundfolie dieser Vorgänge ist teilweise im "Feuilleton" (Kulturpolitische Annahmen und Behauptungen) beschrieben. Zum Thema Internetzeitalter siehe: "Da gibt’s kein Dort" (Über Veränderungen im Verhältnis von Zentrum und Provinz)! Der Kontrast zu den alten Verfahrensweisen: "Netzkultur" (Teleworking und Telepräsenz).
  • Alle Fotos: Martin Krusche

Artwork: Chris Scheuer
Artwork: Chris Scheuer

Martin Krusche, gezeichnet von Chris Scheuer
Martin Krusche, gezeichnet von Chris Scheuer