Haussegen#
Haussegen empfehlen das Haus und seine Bewohner, Vieh und Ernte dem Schutz Gottes, der Gottesmutter Maria oder Heiliger. Sie finden sich z.B. als Inschriften an der Schauseite oder im Giebeldreieck von Bauernhäusern. Dazu zählen der "angekreidete" Dreikönigssegen an der Tür, im Stall angebrachte Agathenzettel usw. Meist sind es jedoch Bilder mit frommen Sprüchen oder Gebetsformeln, häufig verbunden mit religiösen Symbolen. Man erhielt sie in Wallfahrtsorten, auf Jahrmärkten oder bei Wanderhändlern. Nach der Reformation, Anfang des 16. Jahrhunderts, entstanden speziell evangelische Haussegen. An die Stelle der Anrufung Marias und der Heiligen traten Bibelsprüche.
Im 19. Jahrhundert stellte man katholische und evangelische Haussegen, wie auch anderen Wandschmuck massenhaft als (Chromo-) Lithographien und in anderen Techniken, auf Blech, Glas, Holz, teils handkoloriert oder gemalt her. Großer Beliebtheit erfreuten sich gegen Ende des Jahrhunderts gestickte Haussegen. Die Stickbilder auf netzartigem Karton (Kanevas) sind, mit Oblatenbildern und getrockneten Blumen geschmückt, unter Glas gerahmt. Für das Schmuckdekor der Dekoration mit getrocknetem Edelweiß versuchte man die Blume um 1900 in der k. und k. Monarchie plantagenmäßig anzubauen. Sprüche lauten z.B. "Vertrau auf Gott in jeder Noth", "Gottes Ruh und Frieden sei deinem Haus beschieden", "Grüß Gott, tritt ein, bring Glück herein", "Wer auf Gott vertraut, hat wohl gebaut im Himmel und auf Erden", "Gottes Liebe währet ewig", "Mit Gott fang an, mit Gott hör auf." Dazu kamen zunehmend weltliche Texte wie "Suche das Glück nicht weit, es liegt in der Häuslichkeit". Dies erinnert an die gestickten Tücher, die als Wandschoner oder Kastenstreifen Verwendung fanden.
In der Papierkanevas-Ausführung gab es nicht nur religiöse Haussegen, sondern auch solche mit profanen Sprüchen, Andenkenblätter (Hochzeit etc.), Kommunion- und Konfirmationsandenken, Reservistenbilder, Soldaten- und Kriegssegen, Totengedenken, Handwerker-, Arbeiter- und Landwirtschaftssegen, Wallfahrtsbilder, Andachtsbilder, "proletarische Haussegen" und anderes (Kategorisierung nach Roland Halbritter).
2004 hat der Würzburger Volkskundeprofessor Wolfgang Brückner einen umfangreichen Aufsatz zum Thema Haussegen verfasst. Darin kommt er zu folgendem Fazit:
* Die Realie "Haussegen" ist eine relativ junge Erscheinung. Als Flugblatt bzw. Bilderbogen gibt es Haussegen seit dem 17. Jh., erst ab dem 19. Jh. als Massenangebot.
* In Form des gerahmten Segensspruches auf Papierkanevas wurde der Haussegen zwischen 1890 und 1930 ein spezieller Handelsartikel.
* Der Ursprung des Begriffs ist protestantischer Natur. Er geht einerseits auf die bei beiden Konfessionen geläufige Segnung des Hauses zurück, sowie auf die Forderungen nach dem gemeinsamen häuslichen Gebet und Luthers "Haustafel" als Haus- und Gesellschaftsordnung.
* Von daher resultieren die konfessionellen Unterschiede der Bezeichnungen und des Gebrauchs. Im Katholischen sind papierene Haussegen integrierter Bestandteil der vielfältigen devotionalen Segensgrafik.
* Davon unterscheiden sich die ebenfalls "Haussegen" genannten protestantischen Andachtsanleitungen. Auch "Himmelsbriefe" und Amulette im "abergläubischen" Gebrauch bilden eine andere Kategorie.
Quellen:
Georges Klein: Haussegen im Elsass. In: Volkskunst, München 4/1981
Wolfgang Brückner: Volkskunde als historische Kulturwissenschaft (Nachträge II) Würzburg 2010.
Bild:
Haussegen, Andenken aus Mariazell (Steiermark), ovales Glas, mit buntem Stanniol hinterlegt. 19. Jahrhundert. Foto: Helga Maria Wolf
Siehe auch:
Alltagsreligiosität
Heimatlexikon
Haussegen in: Verschwundene BräucheDas Buch der untergegangenen RitualeHelga Maria WolfBrandstätter VerlagWien2015