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Wallfahrt#

Angehörige aller Religionen pfleg(t)en Wallfahrten zu heiligen Stätten. Oft waren (und sind) die Pilgerstätten mit numinosen Orten (Berge, Steine, Quellen, Bäume) verbunden. Der Kirchenlehrer Robert Bellarmin (1542-1621) nannte drei Gründe der Wallfahrt: zur Ehre Gottes und der Heiligen, aus Bußgesinnung und zur Devotion. Die Wallfahrt war auch ein Mittel der weltlichen Rechtssprechung. Sie kam für den Verurteilten einer zeitlichen Verbannung gleich. Die Reise war gefahrvoll, viele kamen nicht mehr zurück. Daher gab es die Möglichkeit der Stellvertreterwallfahrt oder Umwandlung zu Wallfahrten an nähere Ziele.

Prozessionsfahne 1895

Aus religiösen Motiven wurden Wallfahrten von Einzelnen oder Gruppen "verlobt" (feierlich gelobt, versprochen), Bilder und Votivgaben zum Dank für die Erfüllung einer Bitte gespendet. Die Formel "ex voto" auf Bildern drückt den Akt der Anheimstellung an eine heilige Person (Votation) aus. Das gegenseitige Geben und Nehmen (do ut des) schien beim frommen Tun unumgänglich. Die "Volksfrömmigkeit" hat manchmal den spirituellen Glauben zu einem Handel mit den Heiligen umgedeutet und superstitiösen Vorstellungen verbunden. Den von der Wallfahrt mitgebrachten Andenken sprach man wundersame Wirkung zu, z. B. sollten aufgelegte kleine Andachtsbilder gegen Krankheiten helfen, oder Fraisenhäubchen Kinder heilen. Wallfahrtsvereine pflegten ihre Pilgerfahrten, Fahnenweihen, Rituale und Geselligkeit. Manche Berufsgruppen haben traditionelle Wallfahrtsziele in Niederösterreich: Die Schneiderwallfahrt führt nach Maria Enzersdorf, die Fiakerwallfahrt (seit 1826) nach St. Leonhard am Walde, Gemischtwarenhändler und Marktfieranten pilgern nach St. Corona.


Auch wirtschaftliche Aspekte waren von Bedeutung. Schon die Apostelgeschichte berichtet von einem Aufruhr gegen Paulus in Ephesus, angezettelt von einem "Silberschmied namens Demetrius, der silberne Artemistempel herstellte und den Künstlern viel zu verdienen gab" (Apg 19,21-40). Auch später profitierten u. a. Gastwirte, Beherbergungsbetriebe, Verkäufer von Devotionalien, Wachszieher und professionelle Maler von Votivbildern von den Wallfahrern. Entlang der Via Sacra nach Mariazell entwickelte sich das Schnitzen von Scheitelmadonnen (aus einem Holzscheit) als Nebenerwerb. Devotionalkopien in verschiedenen Größen wurden am Original angerührt und mit einem Siegel versehen. Der christliche Pilgertourismus ist wieder ein wichtiger Wirtschaftsfaktor: Zwischen 300 und 330 Millionen Menschen unternehmen jährlich eine Pilgerreise, wie Zahlen der Welthandelsorganisation (WTO) zeigen. Der Wert dieser "aufstrebenden Nische im Tourismus" wird mit über 18 Milliarden Euro beziffert. Als Hauptziele galten 2017 Rom, Fatima und Santiago de Compostela. Santiago zählte erstmals mehr als 300.000 Pilger. Wer mehr als 100 km zu Fuß oder 200 km per Rad zurückgelegt hatte, erhielt eine offizielle Urkunde des Pilgerbüros.

Um 1300 v. Chr. hieß ein Kultort, zu dem die Israeliten pilgerten, Beth-El - Haus des Herrn. In den König David (1000-931 v. Chr.) und König Salomo (961-931 v. Chr.) zugeschriebenen, Psalmen nehmen die Wallfahrtslieder einen besonderen Rang ein. So heißt es in Psalm 122: "Ich freute mich, als man mir sagte, zum Haus des Herrn wollen wir pilgern." Gott gebot Moses, dass die Juden drei Hauptfeste feiern und die Männer nach Jerusalem pilgern sollten (Ex 23, 14-17). Das ist auch vom zwölfjährigen Jesus überliefert, der drei Tage im Tempel lehrte und erst dann mit seinen Eltern heimkehrte. (Lk 2, 41-52)

Die ersten Christen hatten als verfolgte Minderheit kaum Gelegenheit zu Wallfahrten. Unter Kaiser Konstantin und seiner Mutter, der hl. Helena, entstanden Wallfahrtsstätten im Heiligen Land, die mit dem Wirken Jesu in Zusammenhang gebracht wurden. Weiters kamen als Ziele Gräber von Märtyrern, wie die Gedenkstätten der Apostelfürsten Petrus und Paulus, und nach dem Konzil von Ephesos (431) marianische Wallfahrtsorte dazu. Ein wichtiges Pilgerziele war auch Santiago de Compostela (Spanien) mit dem legendären Grab des Apostels Jakobus d. Ä..

Im Lauf des Mittelalters wurden überall in Europa Wallfahrtsorte gegründet. Die Reformation (1517 Thesenanschlag - 1648 Westfälischer Friede) beendete die erste Blütezeit der Wallfahrten. In der Gegenreformation erlebten sie im Sinn der Demonstratio catholica wieder großen Aufschwung. Die bedeutendsten Wallfahrtsorte Niederösterreichs entstanden in der Barockzeit. Es gab im Bundesland damals etwa 500 Wallfahrten, die in ein- und mehrtägigen Prozessionen von Pilgern aus nah und fern aufgesucht wurden. Von größter Bedeutung war das Vorbild des Kaiserhauses mit der ihm eigenen Frömmigkeit, der Pietas Austriaca. Deren Kernpunkte waren die Verehrung der Eucharistie, des Kreuzes und der hl. Dreifaltigkeit, vor allem die Marienverehrung. Adel und Orden förderten die Wallfahrt. Besonderer Beliebtheit erfreuten sich Mehrorte-Wallfahrten, wie die Via Sacra nach Mariazell. Höhepunkte der Pietas Austriaca waren die Regierungszeit der Kaiser Leopold I. (1640-1705) und seines Sohnes Karl VI. (1685-1740). Unter der Regierung Maria Theresias (1717-1780), und besonders ihres Sohnes und Mitregenten Joseph II. (1741-1790) änderte sich die Einstellung. Während Maria Theresia eine eher barocke Frömmigkeit pflegte, schränkten die josephinischen Reformen das Pilgerwesen drastisch ein. Da nur noch eintägige Wallfahrten erlaubt waren, profitierte z.B. Mariabrunn am Stadtrand von Wien. Im Sinn der Romantik und im 19. Jahrhundert erfolgte eine Wiederbelebung vor allem der marianischen Gnadenstätten. Wesentlichen Anteil hatten die Dogmenverkündigung der Unbefleckten Empfängnis (1854) und die Marienerscheinungen von Lourdes in Frankreich (1858) und Fatima in Portugal (1917). In vielen Kirchen und Wäldern baute man Lourdesgrotten. Jene in Maria Gugging bei Klosterneuburg, NÖ, ist mit jährlich rund 80.000 Besuchern die größte Wallfahrtsstätte der Erzdiözese Wien. In jüngster Zeit zeigen sich neue Trends. Während früher in reglementierten Prozessionen ganze Ortschaften, Berufsstände, Bruderschaften oder Wallfahrtsvereine zu den Gnadenorten kamen, gewinnt nun das persönliche Erleben - Meditation, Selbsterfahrung, an die Grenzen kommen - bei der Fußwallfahrt an Bedeutung. Ein Netz von Pilgerwegen und Meditationswegen überzieht Österreich und der esoterische Kraftplatztourismus findet zahlreiche Begeisterte.

Österreichische Wallfahrtsorte

In Niederösterreich standen nach der ersten Jahrtausendwende Grabwallfahrten im Vordergrund, wie zum hl. Koloman in Melk († 1012), hl. Altmann in Göttweig († 1091), hl. Leopold in Klosterneuburg († 1136) bzw. zu Kreuzreliquien (Heiligenkreuz Stiftung Leopold III. 1136).

Gründung vor 1300

  • Basilika Klein-Mariazell ("Mariazell in Österreich"), NÖ - gegr. um 1135
  • Gurk, K - romanischer Dom 1140-1200, in der Krypta Grab der hl Hemma (um 1000-1045)
  • Annaberg, NÖ - gegr. 1217, erste Annenwallfahrt Österreichs, 1327 Kirche aufgrund der Wallfahrten erweitert
  • Basilika von Mariazell, St - gegr. 1157, Wallfahrten nachweisbar ab 1236

Gründung im Spätmittelalter

  • St. Wolfgang, OÖ - 14. Jahrhundert eine der bedeutendsten europäischen Pilgerstätten. Nach der Legende lebte der hl. Wolfgang als Einsiedler am nahen Falkenstein. Um eine Kirche zu bauen, rodete er den Wald und ließ eine Quelle entspringen. Einen herabstürzenden Felsblock hielt er mit seinen Händen auf. Daran erinnert ein Durchkriechstein bei der Kapelle, an dem man Krankheiten abzustreifen hoffte. Wolfgang soll den Teufel zur Arbeit an der Kirche veranlasst haben. Als dieser als Gegengabe die Seele des ersten Pilgers forderte, erschien statt diesem ein Wolf. Zu den Devotionalien zählten Wolfgangihackeln, kleine Amulette, die man am Rosenkranz befestigte, Medaillen und Bilder um das Vieh zu schützen. Es gab Fläschchen zum Mitnehmen des Wassers aus dem Brunnen bei der Wallfahrtskirche.
  • Maria Hietzing, W - Ende 14. Jahrhundert
  • Basilika Frauenkirchen, B - im 14. Jahrhundert Wallfahrtsort, 1529 zerstört, Neubau 1668. "Maria auf der Haid" (Madonna mit Kind, 13./14. Jahrhundert)
  • Basilika Sonntagberg, NÖ - Die der Dreifaltigkeit geweihte Wallfahrtskirche erhebt sich auf einer 700 m hohen Bergkuppe bei Waidhofen an der Ybbs. Um 1440 ließ ein Abt des Stiftes Seitenstetten die erste Kapelle errichten. Ab 1706 bauten Jakob Prandtauer und Josef Munggenast die Basilika ähnlich der Melker Stiftkirche. Mit 12 Marmorsäulen tempelartig gestaltet, umgibt der Hochaltar den Gnadenstuhl aus dem Jahr 1614 und einen Teil des Zeichensteins. Seit 1964 ist die Kirche auf dem Sonntagberg Basilika minor. Vor allem bei Fieber und Fraisen (Epilepsie) erhoffte man Heilung. Dagegen sollten um 18. und 19. Jahrhundert die Fraisensteine helfen, Tontäfelchen mit Staub vom heiligen Stein und einer Darstellung des Gnadenstuhles.
  • Maria Enzersdorf, NÖ - Mitte 15. Jahrhundert. Franziskaner, Wallfahrt besonders ab 18. Jahrhundert
  • Basilika Maria Luggau (Pfarr- und Wallfahrtskirche Maria Schnee), Osttirol, Vesperbild 1513, gotische Kirche, um 1730 Neubau

Gründung in der Gegenreformation

  • Maria Plain, S - Gnadenbild vor 1630, Kirchenneubau ab 1671, Basilika minor seit 1952
  • Hernalser Kalvarienberg, W - ab 1639 (Reaktion auf "Auslaufen" der Evangelischen um 1620)
  • Basilika Maria Dreieichen, NÖ - Vesperbild um 1656, Neubau 1744-50 (Munggenast, Troger)
  • Pöstlingberg-Linz, OÖ - Pietá, Wallfahrtskapelle um 1720, Kirchenbau 1742-48
  • Basilika Wallfahrskirche Maria Taferl, NÖ - Das Niederösterreichische Landesheiligtum liegt weithin sichtbar auf einer Anhöhe über der Donau. Der Bau der barocken Wallfahrtskirche "Zur schmerzhaften Muttergottes" dauerte mehr als zwei Generationen (1660-1711). Namhafte Künstler waren an der Ausstattung beteiligt (Jakob Prandtauer, Antonio Beduzzi, Martin Johann Schmidt) Seit 1947 trägt die Kirche den Titel Basilica minor. Der Kultgegenstand war eine hölzerne Pietá aus dem Jahr 1642. Sie verbrannte 1755 und wurde durch eine aus Lindenholz nachgeschnitzte Statue ersetzt. Um ihr die Wunder- und Heilkraft der ursprünglichen Figur zu geben, wurde die neue mit der Asche der alten Pietá belegt. Bei der Kirche befinden sich eine alte Steinplatte, der Taferlstein, und ein heiliger Brunnen als numinose Orte.
  • Mariahilfberg, NÖ - um 1660 wunderbare Erscheinungen bei einer Kopie der Mariazeller Madonna, Neubau 1724

Mariazellpilger

Via Sacra

Mariazell ist auch 2018das wichtigste Marienheiligtum Zentraleuropas. Jährlich kommen 800.000 Besucher, meist aus den Ländern der ehem. Donaumonarchie, au sieben klassischen Routen. Der österreichische Pilgerweg ist die Via Sacra, die heilige Straße von Wien nach Mariazell mit 10 Stationen (ca. 125 km), darunter:

  • Kleinmariazell - Das Kloster ist zwei Jahrzehnte älter als Mariazell (um 1135 gegr.). Die dreischiffige romanische Kirche wurde in der Barockzeit glanzvoll ausgestattet. Fresken von Johann Bergl illustrieren das Marienleben. Die Gnadenstatue, eine sitzende Maria mit Kind vom Mariazeller Typus, stammt aus dem Jahr 1609. Das Kloster wurde im Zuge der josephinischen Reformen 1782 aufgehoben. 1998-2005 renoviert, gilt es als Musterbeispiel für Revitalisierung und Denkmalpflege.
  • Annaberg - 1217 als erste Annenwallfahrtsstätte Österreichs entstanden, gotische Kirche mit barocker Ausstattung. Gnadenbild ist eine gotische Figurengruppe Anna Selbdritt von Jakob Kaschauer, um 1440. Die Wallfahrt wurde 2007 revitalisiert. Der Annaberg (976 m) ist der erste der drei "heiligen Berge", die Mariazeller Pilger überwinden müssen. Es folgen Joachimsberg (829 m) und Josefsberg (1012 m). Diese beiden Kirchen wurden im 17. Jahrhundert errichtet.
  • Mariazell in der Steiermark ist das österreichische Nationalheiligtum, es wurde 1157 von einem Benediktiner aus Lambach, OÖ, gegründet. Die dreischiffige Hallenkirche entstand Mitte des 14. Jahrhunderts. Zwei Barocktürme flankieren den gotischen Mittelturm. Das sakrale Zentrum bildet die Gnadenkapelle, das künstlerische der Hochaltar von Joseph Emanuel Fischer von Erlach. Das Gnadenbild ist eine spätromanische Statue der sitzenden Muttergottes, die das Jesuskind auf dem Arm trägt. Sie wird als Magna Mater Austriae, Magna Domina Hungarorum und Magna Mater Gentium Slavorum verehrt. Unter der Kuppel steht eine weitere Marienfigur auf einer Säule, die von den Wallfahrern umschritten wird. Die Kirche hat zwölf Seitenkapellen, die reiche Schmiedeeisengitter abschließen. In der Frömmigkeit der Habsburger nahm Mariazell eine besondere Stellung ein, davon zeugen wertvolle Geschenke in den Schatzkammern. Die Basilika ist immer wieder Ziel von Großwallfahrten. 1983 kam Papst Johannes Paul II. nach Mariazell, 2007 feierte Papst Benedikt XVI. einen Gottesdienst zum 850-Jahr-Jubiläum.


Quellen:
Beitl: Wörterbuch der deutschen Volkskunde. Stuttgart 1974. S. 931
Pia Maria Plechl: Wallfahrt in Österreich. Wien 1988
ORF on 6.1.2018
Pilgerwege

Bilder:
Prozessionsfahne 1895, im Bezirksmuseum Währing. Foto: H.M. Wolf, 2015
Mariazellpilger rasten bei der Mamauwiese (NÖ), Foto: Doris Wolf


Siehe auch:

--> Hl. Jakobus
--> Essay Wallfahrt
--> Wissenssammlung Sakralbauten