Schützen#
Schützenbruderschaften sind in deutschen Städten seit dem 13. Jahrhundert nachweisbar. Sie entstanden aus den Gilden waffenfähiger Bürger, die sich ähnlich wie die Zünfte organisierten, ihre Zeichen und Bräuche hatten. Anfangs standen sie unter kirchlichem Einfluss. Dies änderte sich in der Reformationszeit, und als Feuerwaffen Armbrust (lat. arcubalista - Bogenschleuder)und Bogen zurückdrängten. Die Schussdistanz betrug bei der Armbrust 85,5 m, bei Büchsenschützen 191 m. Patrone der Schützengilden waren Heilige mit entsprechendem Martyrium bzw. Attribut wie Sebastian, Michael, Hubert oder Georg. Zu ihren Schätzen zählten die Vereinigungen bemalte Schießscheiben. Im 16. Jahrhundert bezeichnete man das Zentrum mit einem schwarzen Punkt und konzentrischen Kreisen. Die Barockzeit hatte eine Vorliebe für künstlerisch bemalte Scheiben, ihr Durchmesser liegt bei 65 cm. Sie zeigen den Anlass des Wettbewerbs oder lokale Begebenheiten und wurden im Schützenhaus oder am Haus des Siegers angebracht. Die Bürger veranstalteten regelmäßige Übungen und Wettkämpfe auf den städtischen Schießstätten.
Traditionelle Schützenkompanien bestehen in Tirol (seit 1511), Oberösterreich und Salzburg. Die Salzburger gedenken des Freiheitshelden und Mitstreiters Andreas Hofers in den Napoleonischen Kriegen, Anton Wallner (1768-1810). Die Feiern finden seit der 150. Wiederkehr (1960) an seinem Todestag statt. Viele der teilnehmenden Vereine sind nach 1970 entstanden. Ein weiterer Salzburger Brauch ist das "Christkindl-Echoschießen" der Radecker Prangerschützen, das am Nachmitag des 24. Dezember stattfindet. Auch die Dürrnberger Schützengilde (Hallein) rückt zum Weihnachtsschießen aus und feuert Ehrensalven bei den Häusern ab, wofür sie Spenden erhält. Im Flachgau und Tennengau sind die Pranger(stutzen)schützen oder Prangschützen aktiv, die bei kirchlichen und weltlichen Feiern auftreten. Die Stutzen sind 50 - 70 cm lang und ca. 20 kg schwer.
Mehrere Schützenformationen wurden mit ihren Bräuchen in die UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen.
Die Bräuche der Festschützen in Oberösterreich stehen seit 2019 als "Gesellschaftliche Praktiken" auf der nationalen Liste. Sie zeichnen sich durch verschiedene, regionalspezifische Elemente, wie Tracht, Schützentanz oder Schützensprache aus. Die Praxis folgt dem Jahres- aber auch Festablauf und findet bei kirchlichen sowie weltlichen Festen Anwendung.
Die Eintragung "Festbrauch der Bürger- und Schützengarden des Bezirkes Murau " (Steiermark) erfolgte 2012. Der Bezirksverband Murau umfasst
fünf Bürger- und Schützengarden: die Murauer Bürgergarde, die Schützengarde Krakaudorf, die Schützengarde Krakauebene, die Prangschützengarde Ranten und die Schützengarde der Pfarrgemeinde St. Peter am Kammersberg. Die meisten entstanden aus örtlichen Truppen im konfessionellen Zeitalter oder zur Zeit der Napoleonischen Kriege. Die Uniformen gehen auf das 19. Jahrhundert zurück. Sie bestehen aus einem frackartigen Oberteil aus grünem oder braunem Tuch mit roten Aufschlägen und weißen Hosen. Die Ehrengarden rücken mehrmals im Jahr bei festlichen Anlässen und kirchlichen Prozessionen aus. Außer dem Abfeuern der Generaldecharge pflegen die Garden aus Ranten und St. Peter auch das Fahnenschwingen.
Der Traditionsschützenverein Wirling (Oberösterreich) begleitet religiöse und weltliche Feste. Das Böllergeschütz wird auf einer Anhöhe in Stellung gebracht und zu genau festgelegten Zeiten abgefeuert. Wichtig ist dabei, das Echo des Böllerknalls, das bis zu zwölf Sekunden dauern kann, vor dem nächsten Schuss abzuwarten. Eine Hochzeit wird um vier Uhr morgens mit vier Böllerschüssen angekündigt und bis zur Kirchenfeier stündlich eine der Stunde entsprechende Anzahl an Schüssen abgegeben. Nachdem es 1974 zu einem fast vollständigen Verbot des Hantierens mit Böllern kam, wurde das Böllerschießen von den im Salzburger Flach- und Tennengau üblichen Prangerschützenvereinen abgelöst. Nur in Wirling erhielt 1989 das eigens konstruierte Abfeuerungsgerät, das den neuen pyrotechnischen Anforderungen entsprach, eine Genehmigung. Der Brauch wurde 2011 in die UNESCO-Liste eingetragen.
Die Salzburger Schützentradition geht bis ins 13. Jahrhundert zurück. Die heutigen Festschützen entwickelten sich vor allem aus den Bürgerwehren der Städte und Märkte, die eine wichtige Rolle für die Landesverteidigung spielten. Seit etwa 400 Jahren ist es im gesamten Salzburger Land Brauch, Schützenvereinigungen in die Gestaltung weltlicher und vor kirchlicher Feiern (z.B. Fronleichnamsprozession) einzubeziehen. Geschossen wird zu Ehrbezeugung für Würdenträger, Politikerempfängen, Hochzeit, Begräbnis oder Geburtstag eines Mitgliedes. Manche der verwendeten Prangerstutzen sind mehr als 200 Jahre alt. Der Brauch wurde 2010 in die UNESCO-Liste aufgenommen.
Taubenschießen war von der Nordsee bis Südtirol weit verbreitet, heute wird es nur mehr in Altaussee in der Steiermark und Nußdorf am Inn (Bayern) als Gesellschaftssport mit zumindest drei Schützen praktiziert. Als Wurfgeschoss dient eine ca. 2kg schwere, hölzerne Taube mit eisernem Schnabel, die an einer 8m langen Metallkette hängt. An der Taube ist eine Schnur befestigt, die der Schütze in eine Linie mit der Kette und der Mitte der Zielscheibe bringen muss. Lässt der Schütze die Schnur los, schwingt die Taube Richtung Zielscheibe und bleibt dort mit der eiserenen Spitze stecken. Der "Zieler" vermerkt das Ergebnis und schwingt die Taube zurück zum "Aufigeber", der sie dem nächsten Schützen reicht. Der Brauch steht seit 2016 auf der UNESCO-Liste.
Bei den Wiener Bürgern hatte das Armbrustschießen seit der Babenbergerzeit Tradition. In der Handfeste Kaiser Leopolds (1221) hieß es, dass niemand das Haus eines anderen mit Armbrust und Bogen betreten dürfe. Als Strafe drohte der Verlust des eigenen Hauses, bei Unbehausten das Abschlagen der Hand. Fremde durften nicht mit gespanntem Bogen in die Stadt kommen. Die Hersteller der Waffen, Bogner und Pfeilschnitzer, waren die ersten Schützen, die sich in Vereinen organisierten. Sie erhielten im 14. Jahrhundert Konkurrenz von Angehörigen anderer Zünfte. Damals dürften die ersten Wettbewerbe stattgefunden haben, wobei die Herzogin Salz als Preis stiftete. Termine waren die Sonntage vor Georgi (23. April) und Michaeli (29. September). Besonders aufwendig war das Schützenfest, das 1563 zu Ehren des Kaisers Maximilian II. mit 119 Teilnehmern im Unteren Werd (Wien 2) stattfand. Den ersten Preis, 110 Taler, erhielt ein Tiroler, ein weiterer Sieger bekam einen Ochsen. 142 Personen nahmen am anschließenden Mahl teil. Im 18. Jahrhundert finanzierte das Kaiserhaus die Wiener Schützenfeste. 1868 baute man für das Deutsche Bundesschießen im Prater eine 400 m lange Halle mit 160 Schießständen und Platz für 1.800 Zuschauer. Außerdem wurden für dieses Fest eine Halle für 6.000 Personen und ein Aussichtsturm errichtet.
Der Österreichische Schützenbund (ÖSB) wurde 1879 gegründet und ist damit Österreichs ältester Sportfachverband mit 25.000 Mitgliedern, die in 700 Sportschützenvereinen organisiert sind. Manche pflegen die traditionellen Schießsportarten wie Vorderladerschießen und Armbrustschießen. Der Schießsport gehört weltweit zu den größten internationalen Sportorganisationen mit ca. 150 aktiven Nationen und zählt zu den olympischen Disziplinen.
Quellen:
Beitl: Wörterbuch der deutschen Volkskunde. Stuttgart 1974. S. 703, 721 f.
Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien. Wien 1992-1997. Bd. 5/167 f.
Hans-Jürgen Flamm: Die runde Chronik der Schützenbrüder, in: SammlerJournal Schwäbisch Hall 1981. S. 6 f.
Helga Maria Wolf: Das neue BrauchBuch. Wien 2000. S. 160 f.
Karl Zinnburg: Salzburger Volksbräuche. Salzburg 1972
ÖSB
UNESCO-Liste
Bild:
Jubiläumsfahne. Die Mitglieder des Klosterneuburger Schützenvereins, gegründet 1288, rücken bei traditionellen Anlässen, wie dem Maibaumaufstellen, mit ihrem Böllergeschütz aus. Foto: Helga Maria Wolf, 2008
Siehe auch:
Scheibenschießen
Preberseeschießen Schützen in: Verschwundene BräucheDas Buch der untergegangenen RitualeHelga Maria WolfBrandstätter VerlagWien2015