Vogelfang #
Bildquellen bezeugen, dass der Vogelfang und die Domestizierung von Singvögeln schon in der Antike ausgeübt wurde. Später zählte er zur Niederen Jagd. Meist standen die Vogelsteller in den Diensten der Adeligen. Daraus entwickelte sich ein eigenes Gewerbe.
Tiroler Vogelfänger beriefen sich auf ein Edikt Kaiser Rudolf II. aus dem Jahr 1579. In Imst verlegten sich die Bewohner im 17. Jahrhundert nach dem Rückgang des Bergbaus auf die Züchtung von Kanarienvögeln, und den Vogelhandel in alle Teile der Monarchie nach dem Motto „Gelbe Vögel trag ich aus, gold’ne Vögel bring ich z’ Haus“. Wie beim Verlagssystem (z.B. bei den Bandelkramern im Waldviertel) teilten sich die damit Beschäftigten in Händler und Träger. Die Vogelträger, die ihr Tirolertum stark betonten, kamen mit zahlreichen Käfigen bepackt auch nach Wien. Sie waren in einer Zunft organisiert und hatten feste Bräuche: Feierlich erfolgte ihr Auszug im August, die oft gefährliche Reise dauerte fast ein Jahr. Wenn der erste Vogelhändler heimkehrte, zündete man eine Kerze an, die so lange brannte, bis alle wieder zuhause waren.
Im Salzkammergut diente die „Jagd des kleinen Mannes“ bis ins 19. Jahrhundert zur Verbesserung der Nahrungssituation schlecht besoldeter Bergknappen, Salinenarbeiter oder Holzknechte. Das Fangen und Ausstellen von Singvögeln gilt dort als "Brauchtum". Seit 1861 besteht in Ebensee ein Verein dafür. Von 15. September bis 15. November ist der umstrittene Fang von Singvögeln im Salzkammergut erlaubt. Die Männer fangen Gimpel, Zeisige, Stieglitze und Fichtenkreuzschnäbel. Das traditionelle Zurschaustellen der im Herbst gefangenen Waldvögel findet am Kathreintag (25. November) statt. Wenn sie den Winter im Käfig überleben, werden sie im Frühjahr wieder ausgelassen. Trotz der Proteste von Tierschützern hat die UNESCO hat den traditionellen Vogelfang im Salzkammergut 2010 zum Immateriellen Kulturerbe erklärt.
In Wien hielt man schon im 15. Jahrhundert Vögel in Käfigen. Um 1800 waren Nachtigallen, Kanarienvögel, Gimpeln, Amseln, Eulen, Finken und Stieglitze beliebt. Der seit 1846 bestehende Wiener Tierschutzverein kritisierte, dass viele der in Wirtsstuben und Gewerbebetrieben in engen Käfigen gehaltenen Vögel bald starben und die Finken geblendet würden. In Wien-Gersthof waren noch im ausgehenden 19. Jahrhundert Vogelfänger aktiv, obwohl diese Tätigkeit damals ihre Bedeutung schon eingebüßt hatte. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts durften nur noch befugte Vogelhändler Marktstände haben. 1886 schloss in Wien der an verschiedenen Plätzen - u.a. beim Michaeler-Durchhaus - abgehaltene Singvogelmarkt "aus tierfreundlichen Rücksichten" für immer.
Der "Vögelkrämer" im Brand'schen Kaufruf bietet Singvögel in kleinen Käfigen feil. Vogelhändler aus Bayern und Tirol haben in die Opern- und Operettenwelt Eingang gefunden, wie in Mozarts „Zauberflöte“ (1791) oder ein Jahrhundert später in Carl Zellers „Vogelhändler“ (1891).
Quellen:
Helga Maria Wolf: Die Märkte Alt-Wiens. Wien 2006
Salzkammergut, publiziert 14.9.2012
UNESCO
Bild:
"Vögelkrämer" aus dem Brandschen Kaufruf, 1775. Gemeinfrei
Siehe auch:
Heimatlexikon
Vogelfänger in: Verschwundene BräucheDas Buch der untergegangenen RitualeHelga Maria WolfBrandstätter VerlagWien2015