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"Die Versorgungssicherheit Europas wird künftig von China abhängen" #

Warum grüne Energien doch nicht so grün sind, erklärt Frank Melcher, oberster Geologe an der Montanuni Leoben.#


Von der Wiener Zeitung (13. März 2021) freundlicherweise zur Verfügung gestellt

Von

Bernd Vasari


Die Metalle der Klimawende
Die Metalle der Klimawende
Grafik: eigene Recherche, Montan Uni Leoben, Deutsche Rohstoffagentur, World Mining Data 2020 - Wiener Zeitung

Der Green Deal von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, das österreichische Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG). Beide haben dasselbe Ziel: den Ausstieg aus fossiler Energie. Autos sollen mit Strom fahren, Lkw mit Wasserstoff betrieben werden und den Strom erzeugen künftig Windräder, Solarpanele und Wasserkraftwerke. Warum die Energieerzeugung aber trotzdem nicht CO2-neutral sein wird und warum sich Europa damit abhängig von China macht, erklärt der Leiter des Lehrstuhls für Geologie und Lagerstättenlehre an der Montanuniversität Leoben, Frank Melcher:

"Wiener Zeitung": Herr Melcher, die EU-Länder sind drauf und dran, ihre CO2-Emissionen zu senken. Statt Öl, Gas und Kohle soll die Energie nun aus Photovoltaik, Windkraft und Wasserkraft kommen. Dann ist ja alles gut, oder?

Frank Melcher: Das ist prinzipiell alles gut. Man darf dabei aber nicht vergessen, wie die grünen Technologien hergestellt werden. Für Wind-, Solarenergie, Elektromobilität usw. braucht man mineralische Rohstoffe, die bei der Förderung einen ökologischen Fußabdruck hinterlassen. Die Rohstoffe werden allerdings überwiegend nicht in Europa abgebaut.

Zieht sich Europa die weiße Weste auf Kosten anderer an?

Für unsere Luftqualität sind Elektro-Autos natürlich gut. Der ökologische Fußabdruck findet dadurch aber woanders statt. Global gesehen, ändert sich durch Europas grüne Energie wenig, weil wir die Rohstoffe ja gar nicht abbauen. Laugeanlagen, um heimische Erze aufzubereiten, sind in Europa nur schwer vorstellbar. Nur nicht neben meinem Garten, heißt es dann. In China oder der DR Kongo ist es für uns aber o.k.

Was ist so schädlich am Abbau der Metalle?

Das ist von Erz zu Erz verschieden. Seltene Erden sind beispielsweise nur in geringem Maß in abgebauten Erzen vorhanden, daher fällt viel Abraum an. Sie stecken in Mineralien, die sehr schwer löslich sind. Die Elemente müssen dann mit aggressiven Chemikalien rausgelöst werden. Das ist ein aufwendiges, mehrstufiges Verfahren, bei dem mindestens 95 Prozent teilweise kontaminierter Abfall übrig bleibt. Diese giftigen Chemikalien sind eine potenzielle Gefahrenquelle.

Welche Gefahren meinen Sie?

Es kommt immer wieder zu Unfällen, wie in den vergangenen Jahren in Rumänien oder in Brasilien. Wenn ein Damm eines Rückhaltebeckens bricht, der ein feinkörniges, toxisches Schlammwassergemisch zurückhalten soll, fließt es über den Vorfluter in die Flüsse. In Rumänien und Ungarn kam es zu massenhaftem Fischsterben, in Brasilien wurden auch Menschen von dem Schlamm erfasst und getötet.

Funktionen der Metalle
Funktionen der Metalle
Grafik: eigene Recherche, Montan Uni Leoben, Deutsche Rohstoffagentur, World Mining Data 2020

In Europa mangelt es an Abbaugebieten für Metalle. Woran liegt das?

In Europa baut man seit 2.000 Jahren Erze ab. Der Großteil der leicht abbaubaren Metalle wurde bereits gefunden. Alles, was jetzt noch da ist, kann nur teurer abgebaut werden, weil der Bergbau in die Tiefe gehen muss oder nur niedriggradige Erze gewonnen werden. Europa ist zudem massiv verbaut, es gibt Forst- und Agrarwirtschaft, Grundwasserschutz, Tourismusgebiete und Nationalparks. Damit sind die Möglichkeiten stark eingegrenzt.

Wo gibt es potenzielle Abbaugebiete?

Potenzielle Abbaugebiete werden derzeit vor allem in Skandinavien geprüft, in Mittel- und Südeuropa ist man hingegen eher skeptisch und sucht nicht wirklich nach neuen Rohstoffen. Mit der Ausnahme von Lithium, das ein wichtiger Bestandteil bei der E-Mobilität ist. Die Aufbereitung von einem Lithium-Erz ist auch weniger problematisch als die anderer Metalle.

Derzeit ist Europa sehr stark abhängig von Russland, was die Gasversorgung betrifft. Nun setzt Europa auf grüne Energie, die jedoch auf Rohstoffen basiert, die vor allem in China abgebaut werden. Macht sich Europa nun von China abhängig?

Europas Umbau zu grünen Technologien hängt tatsächlich sehr stark von China ab, das Land ist Weltmarktführer bei etwa 20 mineralischen Rohstoffen. Die EU hat eine Liste von 27 kritischen Rohstoffen verfasst, die alle importiert werden müssen. Drei Viertel davon kommen aus China. Die Versorgungssicherheit Europas hängt damit künftig von China ab. Es wird wichtig sein, gut mit China zu kooperieren. Das hat in den letzten Jahren gut funktioniert. Man kann sich aber nie sicher sein, wie sich das in Zukunft entwickelt.

China ist die Marktmacht bei grünen Rohstoffen. Was hat das für ökonomische Auswirkungen?

China besitzt in der Inneren Mongolei eine gigantisch große Lagerstätte und hat auf verschiedene Rohstoffe ein Monopol. Damit kann die Volksrepublik den Preis bestimmen. Sie kann einmal mehr Rohstoffe, dann wieder weniger Rohstoffe auf den Markt werfen und damit den Markt kontrollieren.

In welcher Form bietet China die Rohstoffe an?

China verkauft mittlerweile keine Roh-Erze oder Vor-Konzentrate mehr, sondern vor allem höherwertige Zwischen- und Endprodukte. Das steigert die Gewinnmarge. Europäische Unternehmen, die auf Roh-Erze und Konzentrate angewiesen sind, orientieren sich deswegen häufig in Richtung Zentralafrika. Länder wie DR Kongo oder Burundi sind konfliktbeladen. Es gibt Bürgerkriege und Kinderarbeit. Doch diese Länder sind die Quellen für europäische Firmen, die auf diese Rohstoffe angewiesen sind.

Um die Abhängigkeit von China zu verringern, ist immer wieder die Rede von der Kreislaufwirtschaft. Inwieweit können Metalle recycelt und damit wiederverwendet werden?

Frank Melcher ist als Professor und Leiter des Lehrstuhls für Geologie und Lagerstättenlehre an der Montanuniversität Leoben tätig. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Entstehung von Rohstoffen mit Schwerpunkten auf kritische mineralische Rohstoffe und Edelmetalle, Zertifizierung von Rohstoffen sowie analytischer Herkunftsnachweis (Fingerprinting) für mineralische Rohstoffe.
Frank Melcher ist als Professor und Leiter des Lehrstuhls für Geologie und Lagerstättenlehre an der Montanuniversität Leoben tätig. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Entstehung von Rohstoffen mit Schwerpunkten auf kritische mineralische Rohstoffe und Edelmetalle, Zertifizierung von Rohstoffen sowie analytischer Herkunftsnachweis (Fingerprinting) für mineralische Rohstoffe.
Foto: © Montanuni Leoben

Bei Metallen wie Eisen, Kupfer und Aluminium wird das bereits sehr gut umgesetzt. Das Problem sind Produkte mit sehr vielen Metallen, wie etwa Turbinen oder Elektronikschrott. Handyschrott beinhaltet circa 50 Metalle, im Gesamtwert von nur knapp einem Euro pro Handy. Jedes einzelne Metall daraus zu recyceln, ist somit ökonomisch absoluter Unsinn. Wenn wir aber Photovoltaik haben wollen, brauchen wir diese schwerlöslichen Metalle. Metalle wie etwa die Seltenen Erden wiederzuverwerten, ist eine große technologische Herausforderung.

Für die auch irgendwo Energie herkommen muss . . .

Ja, genau. Recycling verschlingt sehr viel Energie. Alle Rohstoffe in einem Produkt, die schon einmal einen Hochtemperaturprozess mitgemacht haben, können nur mit noch höherer Temperatur freigesetzt werden. Das heißt: Ein Metall, das bei 1.200 bis 1.400 Grad gewonnen und dann verbaut wird, kann als Reststoff vielleicht erst mit 1.800 oder 2.000 Grad wieder zurückgewonnen werden. Es braucht also mehr Energie, den Reststoff zurückzugewinnen, als den Primärstoff abzubauen.

Mit grüner Energie werden wir also mehr mineralische Rohstoffe verbrauchen. Wie lange kann das noch so weitergehen?

Der Name Seltene Erden heißt nicht, dass sie geologisch selten sind. Sie bilden selten Minerale, die man sehen kann. Sie sind jedoch in anderen Mineralen versteckt. Wir haben so viele Reserven dieses Rohstoffs, dass wir uns mehrere hundert Jahre versorgen können. Wohlgemerkt bei gleichbleibendem Verbrauch. Die Industrie sucht wenig, weil es genügend Reserven gibt. Bei anderen Rohstoffen für die Energiewende sind die bekannten Reserven jedoch wesentlich kleiner, und es muss ständig nach neuen Lagerstätten gesucht werden.

Es klingt so, als würden wir mit Photovoltaik, Wasserkraft und Solarenergie auch nicht umweltfreundlicher werden. Welche Lösung gibt es dann?

Ich glaube nicht, dass Energieerzeugung CO2-neutral sein kann. Es ist natürlich sehr positiv, wenn wir die Stickoxide unseres Pkw- und Lkw-Verkehrs in Zukunft verringern, weil sie mit Strom oder Wasserstoff angetrieben werden. Es muss eine geschickte Kombination mehrerer Maßnahmen sein. Ich finde es sehr gut, dass es etwa Gemeinden gibt, die sich autark machen von fossilen Brennstoffen, wo nachwachsende Rohstoffe wie Holz verwendet werden. Aber auch da wird Staub produziert und es ist nicht CO2-frei. Egal, von wo wir die Energie beziehen, wir werden immer einen Fußabdruck hinterlassen. Abgasfreie Autos werden aber unsere Lebensqualität steigern. Das ist sehr positiv für uns. Ob das den Menschen in Afrika oder in China hilft, die die Rohstoffe für uns bereit stellen, wage ich allerdings zu bezweifeln.

Wiener Zeitung, 13. März 2021