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Salzburger im Land der Indianer#

Wie vertriebene Protestanten nach 1732 in der Neuen Welt Fuß fassten.#


Von der Wiener Zeitung (Freitag, 3. Juli 2015) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Alfred Schiemer


'Ertappt!' heißt dieses Bild zur Historie Salzburgs, auf dem in der Luther-Bibel Lesende gestellt werden
"Ertappt!" heißt dieses Bild zur Historie Salzburgs, auf dem in der Luther-Bibel Lesende gestellt werden.
© Bild: Austria, Parsch bei Salzburg 1933; Repro: Moritz Ziegler

Wir schreiben das Jahr 15 v. Chr. und blicken auf eine neue Provinz Roms: Ganz Noricum ist in der Hand von Kaiser Augustus. Ganz Noricum? Nein, an der Salzach wehren sich keltische Einheimische erbittert gegen die Eindringlinge aus dem Süden! Und schicken den sich durchs Tal wälzenden Angreiferscharen steinerne Grüße - schwere Felsbrocken stürzen in steter Folge von den Berghängen.

Die Truppen der größten Macht Europas erleiden arge Verluste, heil gebliebenen Soldaten fährt der Schreck in alle Glieder. Die Römer ziehen sich vorerst zurück und merken sich gut, dass das Bergvolk Ambisonten (= beiderseits des Flusses Wohnende) heißt. Diesen Namen vergisst selbst die Regierung des Weltreichs nicht; er wird in Erinnerung an die Kämpfe in Stein gemeißelt.

Ist es die harte Bergwelt? Das raue Klima? Die wilde Salzach? Vielleicht schafft all daszusammen seit Jahrtausenden im Gebiet des heutigen Landes Salzburg einen Menschenschlag, der sich nicht unterkriegen lässt, der den Kopf hoch trägt - und dickschädlig ist.

Gegen Rom sollten sich auch etwa 16, 17 Jahrhunderte nach dem Verteidigungskrieg der Ambisonten tausende Dickköpfe im Gebirgsland wenden. In diesem Zeitraum und vor allem 1731/32 ging es natürlich nicht gegen das Rom der Kaiser, sondern gegen das Rom der Päpste. Aber wiederum galt der Widerstand einer Macht, die volle Unterordnung verlangte, die keine Eigenständigkeit duldete.

Eigenständiges Denken und der Ruf ihres Gewissens waren jedoch für die Männer und Frauen, die als Salzburger Emigranten ein bitteres Kapitel der Landeshistorie zu schreiben hatten, Conditio sine qua non. Für diese Menschen blieb es unverzichtbar, im selbstgewählten Glauben zu leben - als "Lutherische".

Ureinwohner Nordamerikas einst bei einem Kochplatz
Ureinwohner Nordamerikas einst bei einem Kochplatz.
© Bild: G. Heriot, Travels ..., London 1807; Repro: Moritz Ziegler

Schon vor 1530 gab es heimliche Protestanten an der Salzach. Sie durften unter keinen Umständen ihr Bekenntnis öffentlich vertreten. Denn das Erzbistum Salzburg war (bis 1803) geistliches Territorium des Heiligen Römischen Reichs. Der jeweilige Erzbischof fungierte also als unumschränkter Landesherr, der allen Untertanen strikt jedes "Ketzertum" (oder besser: was er dafür ansah) verbot. Wie es die Kurie in Rom verlangte.

Allerdings kamen einst Reisende wie Post nur schwer von der Tiberstadt ins Land hinter den Tauern.

Das wirkte zuweilen mildernd. Erzbischöfe setzten im 17. Jh. zwar diverse Maßnahmen gegen Evangelische (in beschränktem Ausmaß sogar Ausweisungen), aber außerhalb von Salzburg-Stadt handelten die Behörden weniger streng, obwohl sie von vielen Geheimprotestanten wussten. Das hatte oft damit zu tun, dass man am Land gewisse Fachkräfte (z.B. Bergleute im Pongau) nicht verlieren wollte.

Im 18. Jh. begann unter Erzbischof Franz Anton Graf Harrach (inthronisiert 1709) freilich der Wind der Intoleranz stürmischer zu blasen; und Harrachs Nachfolger Leopold Anton Freiherr Firmian entfachte bald nach der Amtsübernahme 1727 einen Orkan. Mitten im Winter.

In den eisigen Monaten von 1731 auf 1732 ließ Firmian tausende "Ketzer" vertreiben. Blitzschnell verhaftete man Mägde und Knechte und schob sie über die Grenze ab. Diese Opfer konnten sich nicht einmal notdürftig gegen die Unbilden der Witterung rüsten; dennoch blieben sie ihrem Glauben treu (Abschwören hätte die Heimat gesichert!).

Salzburger Emigranten verladen ihre Habe
Salzburger Emigranten verladen ihre Habe. Bild: Alter Stich
© Bild: Archiv; Repro: Moritz Ziegler

Evangelische Mächte protestierten. Daraufhin durften besitzende Protestanten bis Frühling 1732 bleiben.

Insgesamt erlag ein Viertel aller ca. 25.000 Emigranten den Strapazen der Reise.

Viele "Exulanten" gingen nach Preußen; etliche nach Süddeutschland, Holland. Wenige wählten (auf einige Transporte aufgeteilt) gar die Neue Welt als Ziel - lange kannte man in Mitteleuropa ihr Schicksal kaum.

Verwandte und Freunde durften etwas aufatmen, als das "Wienerische Diarium" am 13. Juli 1735 aus denen Engländischen Colonien in America zumindest über eine Gruppe Überseefahrer berichtete. Zitiert wurde ein in Londen zugestellter Brief des Capitains Dumbar. Der Mann hatte anno 1734 auf dem Schife Printz Wallis Reisende von England nach Savanah in Georgien (nun US-Staat Georgia) gebracht: eine nach Britannien eingeladene Abordnung von Indianisch-Königlichen Personen sowie Colonisten, nämlich Saltzburger. Die Passagiere, die einander mit Respekt begegneten, seynd den 27. Decemb. in Savanah (...) in guter gesundheit angelangt, meldete der Kapitän. Er ließ sein schreiben so lange anstehen, bis er befriedigende nachricht von der einrichtung einiger früher angekommenen Colonisten (wohl ein Salzburger Voraustrupp) bekam.

P.S. Die in Georgia gelandeten Emigranten - mit den Indianern pflegten sie gute Nachbarschaft - zogen unter allen von Erzbischof Firmian Vertriebenen das beste Los. Bis heute steht die Kirche der "Salzburgers", wie sie heute heißen, im von ihren Vorfahren gegründeten Ort Ebenezer (hebräisch; etwa: "Stein der Hilfe").

Wiener Zeitung, Freitag, 3. Juli 2015