SPATZENKRIEG#
Die landwirtschaftlichen Kulturen wurden einst oft von einer Invasion von Spatzen heimgesucht, die beträchtliche Schäden verursachten. So gab es bei Weizen einen Ausfall bis zu 70 Prozent. Auch in den Gärten und Obstanlagen machten sich die Gefiederten immer mehr unangenehm bemerkbar. Hühner die im Freien gehalten wurden, hatten es schwer sich gegen diese zudringlichen Diebe zu wehren.
Der Sperling galt daher als einer der ärgsten Schädlinge in der Landwirtschaft und musste mit allen Mitteln bekämpft werden. Vor ihm war weder Weizen, Gerste, Hafer noch Hirse sicher, überall verursachte er große Schäden die bedeutend waren. Dazu wurden verschiedene Maßnahmen getroffen. Das Ausnehmen der Eier und Zerstören der Nester, wie auch das Fangen der Vögel durch Fallen waren zu aufwendig und führten selten zum gewünschten Erfolg. Dann ging man über die Nahrung mit Blausäure zu vergiften, damit erreichte man eine beträchtliche Vernichtungsziffer. Durch die Blausäure tritt sofort der Tod ein und somit war man der Meinung, dass diese Behandlung nichts mit Tierquälerei zu tun hätte. Sie durfte daher nur von Fachkräften ausgeführt werden. Gemeinden die sich daran beteiligen wollten, konnten sich bei der Pflanzenschutzabteilung melden. Die einmalige Bekämpfung kostete der Gemeinde rund 150 bis 290 Schilling. Dauerte die Bekämpfung zwei Tage lang so erhöhte sich der Preis von 250 bis 300 Schilling.
Ein Gesetz im Jahre 1913 erfolgte zum Schutz nützlicher Vögel und anderer Tierarten, nur der Sperling war darin nicht enthalten und durfte jederzeit gefangen oder getötet werden. Die Bevölkerung wurde auf die Notwendigkeit der Vertilgung von Sperlingen aufmerksam gemacht.
Auch Mao Tse-tung war davon überzeugt, dass nur die Spatzen Schuld an den Missernten waren. Das war das Todesurteil für die Sperlinge, Millionen von ihnen wurden erschlagen. Die Sperlinge waren verschwunden, doch die Missernten blieben. Man hatte vergessen, dass die so Gehassten das Getreide von sämtlichen Ungeziefer befreiten. Diese Erkenntnis veranlasste den Machthaber Chinas, Spatzen zu importieren und zwar von seinem „besten Freund“ Russland.
In einem anderen Land wurde für jeden toten Sperling 6 Pfennig bezahlt.
Nicht nur der Mensch war ihm feindlich gesonnen, auch vor Katzen musste er sich hüten, die gerne Jagd auf ihn machten.
Die Ärmsten sind bei jenen Menschen die länger im Traumland verweilen mit ihren morgendlichen vielstimmigen Chorgesang verständlicherweise sehr in Ungnade gefallen.
Lässt man sich im Volksgarten, von einem Spaziergang müde geworden, in der Meierei bei einer Jause zur Entspannung nieder, dauert es nicht lange, bis sich ein gefiederter Besucher einstellt und sich auf dem Tisch in geringer Entfernung platziert um dich zu beäugen ob er als Gast erwünscht ist und lauert ob du gewillt bist, von der für ihn so verlockenden Köstlichkeit etwas abzugeben. Fühlt er sich von dir missachtet, versteht er es mit vorwurfsvollem Gezwitscher deine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Sollte das abermals ohne Wirkung bleiben wird er seinem Ruf gerecht und stibitzt blitzartig einen kleinen Kuchenkrümel der neben dem Teller gefallen war. Frech wie sie alle waren, setzte er sich auf den Rand des abgestellten Wasserglas und bedient sich des kühlen Nass. Suchend spaziert der Sperling hin und her, mehrmals einen Blick auf mich werfend bis er Besitz vom gesamten Tisch genommen hatte...
Wie Fachleute feststellten hat der Sperling eine Leidenschaft für Maikäfer, Trauben, rote Früchte und Kuchen. Er liebt das Plündern und findet dass gestohlene Früchte viel besser schmecken, ja alles Fremde hat einen gewissen Zauber. Es gibt keine Untat deren er nicht fähig wäre.
Das Nest des Sperlings auf dem Baum ist nicht gerade für einen Weltbewerb geeignet doch seine Behausung zählt zu den geräumigsten.
Die Gemeinde Wien hatte den Spatzen 1932 den Krieg erklärt. Auf den Bäumen gegenüber dem Café Museum pflegten sich die Spatzen in großer Anzahl niederzulassen um ihren abendlichen Choral anzustimmen. Die Menschen der Umgebung waren diese Lärmbelästigung bereits gewöhnt und dachten auch nicht daran etwas dagegen zu unternehmen, war man doch in der Stadt der Musik.
Eine amerikanische Filmgesellschaft hatte sogar Ton- und Filmaufnahmen von den Wiener Spatzen gemacht um sie in aller Welt zu präsentieren.
Ein Magistratsbeamter hatte entdeckt, dass die Spatzen eine große Gefahr für Wien sind und den historischen Gebäuden und Denkmäler sehr .zusetzten und beschmutzten. So erschienen eines abends vor sechs Uhr vier Gartenarbeiter mit langen Stangen und begannen auf die Äste wie wild zu schlagen um die Spatzen Idylle aufzuscheuchen. Inzwischen hatten sich zahlreiche Wiener versammelt und betrachteten das seltsame Getue, äußerten ihren Unmut, der Tierschutz wurde verständigt und sogar Giftgas vermutete man, das jedoch in das Reich der Fantasie gehörte. Ein Tierrettungswagen kam ebenfalls vorbei.
Die Spatzen flatterten hoch, umkreisten ihre Lieblingsbäume und kehrten nachdem Ruhe eingetreten war wieder zurück. Der Gemeinde Wien wurde bewusst, dass ihre Aktion ein riesiger Misserfolg darstellte, und in den Witz Blättern Beachtung fand.
Besonders in den Notzeiten war er ein ungebetener Gast. Im Jahr 1850 wurde der Sperling von England aus nach Brooklin eingeführt. Es waren 6 English-Sparrow Paare und in Amerika verteilt.
In den Jahren 1870 bis 1875 schätzte man das von ihm bewohnte Gebiet auf etwa 500 m² , 1875 bis 1880 auf 15.000 und 1886 auf über 500.000 m². So rasch hatte er sich vermehrt.
Das Klima und sonstigen Lebensbedingungen scheinen für ihn ideal zu sein, denn er brachte es auf 4 bis 6 Bruten jährlich.
In den Weizenfeldern trieben sie ihr Unwesen und die Besitzer merkten nun, dass der Vogel nicht ungefährlich war. Fragebogen wurden verteilt um Erfahrungen zu sammeln. Die Ornithologen bearbeiteten das eingegangene Material und das Ergebnis ergab, dass man durch Schießen, Fangen und Vergiften der Vögel und Zerstören der Nester die Zahl der Sperlinge überall vermindern musste.
Die Fachwelt beschäftigte sich mit diesem Vogel der andere Vögel vertrieb und für sie ein Raufbold und Anarchist sei. Am 7. Oktober 1900 war die Schädlichkeit des Sperlings für die Fachwelt klar erwiesen.
QUELLE: Neuigkeitsweltblatt 10. März 1932, ANNO Österreichische Nationalbibliothek, Bilder: I.Ch. Graupp
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