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Literarische Milizen#

Von der Schreibmaschine zum Maschinengewehr - der Spanische Bürgerkrieg machte viele internationale Schriftsteller zu antifaschistischen Abwehrkämpfern.#


Von der Wiener Zeitung (Samstag, 31. Dezember 2016) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Bernhard Wenzl


Szenen aus dem Spanischen Bürgerkrieg
Szenen aus dem Spanischen Bürgerkrieg: Schlacht am Ebro und Kampf um Madrid (li.,v.o.n.u.); Belagerung des Alcázars von Toledo, bombardiertes Guernica, Schlacht um Belchite (re.,v.o.n.u.).
Foto: © Collage von Bettyreategui/Wikimedia Creative Commons

Der Spanische Bürgerkrieg zwischen 1936 und 1939 hat sich tief ins kulturelle Gedächtnis der antifaschistischen Bewegung eingeschrieben. Ursache dafür ist die Fülle und Vielfalt künstlerischer Zeugnisse, die in den Kriegsjahren und danach von Unterstützern der Spanischen Republik geschaffen wurden. Neben zeitgenössischen Fotografien und Filmen sind es vor allem journalistische und literarische Werke, welche die historische Erinnerung an die gewaltsame Erhebung der von General Francisco Franco angeführten Nationalarmee und den opferreichen Abwehrkampf der demokratisch gewählten Volksfrontregierung aus Linksparteien und Gewerkschaftsverbänden wachhalten. Ein beträchtlicher Teil dieser Schriften stammt aus der Feder politisch engagierter Autoren aus dem Ausland.

Als die Nationalisten mit deutscher und italienischer Waffenhilfe in wenigen Monaten den gesamten Südwesten des Landes eroberten, eilten Scharen internationaler Publizisten ins umkämpfte Spanien. Im Auftrag angesehener Medien berichteten u.a. George L. Steer, Antoine de Saint-Exupéry, Ilja Ehrenburg und Matthew Herbert vom blutigen Kampf an der Front und vom entbehrungsreichen Leben im Hinterland. Ihre Fotoreportagen in "The Times", "Paris-Soir", "Iswestija" und "New York Herold Tribune" boten ein kritisches Gegengewicht zu den von der konservativen Auslandspresse kolportierten Berichten über Gräueltaten an katholischen Priestern und Zwangskollektivierungen in Industrie und Landwirtschaft sowie zu der von den Faschisten propagierten Darstellung des Bürgerkriegs als eines Kreuzzugs gegen die bolschewistische Weltrevolution.

Engagement#

Mit seiner Reportage "Ein Spanisches Testament" (1937) legte Arthur Koestler eine Chronik der letzten Tage von Malaga wie auch einen bewegenden Bericht über den politischen Terror auf dem Gebiet der spanischen Nationalisten vor. Der österreichisch-ungarische Autor aus jüdisch-liberalem Elternhaus ging im Jänner 1936 auf Betreiben der Kommunistischen Internationale unter dem Deckmantel eines Kriegsberichterstatters für den britischen "News Chro- nicle" nach Spanien. Bei der Eroberung von Malaga wurde er von den faschistischen Truppen festgenommen und als Spion standrechtlich zum Tode verurteilt. Nach seiner Überstellung ins Gefängnis von Sevilla erlebte er neunzig Tage lang den Schrecken der Haft und die Hinrichtung tausender Mithäftlinge.

Vom Spanischen Bürgerkrieg zu berichten war einigen internationalen Schriftstellern bald zu wenig. Im Wunsch, der bedrängten Republik im Kampf beizustehen, schlossen sie sich den Milizen an, die von Anarchisten, Sozialisten und Kommunisten landesweit gebildet wurden. Erst als die Sowjetunion Berater und Waffen lieferte und Freiwillige aus der ganzen Welt zum Aufbau einer schlagkräftigen Volksarmee rekrutierte, war es ihnen möglich, sich zu den internationalen Brigaden zu melden. Diese Kampfeinheiten bestanden mehrheitlich aus französischen, deutschen, italienischen, polnischen, britischen und amerikanischen Bataillonen mit einer durchschnittlichen Truppenstärke von 18.000 Mann. Zwischen 1938 und 1939 waren insgesamt 40.000 Interbrigadisten im Einsatz, wovon etwa die Hälfte im Kampf fiel.

George Orwell war einer der ersten ausländischen Schriftsteller, der auf Seiten der spanischen Regierung kämpfte. Der Brite fuhr im Dezember 1936 nach Barcelona und trat der Miliz der Arbeiterpartei der marxistischen Einheit bei. Die Verbände dieser revolutionär-sozialistischen Splittergruppe waren an der Front in Arago-nien stationiert. Während eine Atmosphäre von Gleichheit und Bürderlichkeit unter den Milizionären herrschte, war ihre materielle Situation von schlechter Ausrüstung und mangelhafter Verpflegung geprägt. Später schilderte Orwell in seinem dokumentarischen Augenzeugenbericht "Mein Katalonien" (1938) nicht nur seine Beteiligung an den Kämpfen um Huesca und seine Verwundung am Hals, sondern auch die mehrtägige bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Moskau-kritischen und Stalin-treuen Kräften in der katalanischen Hauptstadt.

Schreiben oder Kämpfen, diese entscheidende Frage wurde auf dem Zweiten Internationalen Schrifstellerkongress zur Verteidigung der Kultur im Juli 1937 verhandelt. An der in Barcelona, Valencia und Madrid abgehaltenen Tagung nahmen beinahe zweihundert Publizisten aus dreißig Ländern teil. Angesichts der zunehmenden faschistischen Bedrohung diskutierten u.a. Pablo Neruda, Rafael Alberti, W. H. Auden, Nicolás Guillén, Malcolm Cowley, Octavio Paz, Michail Kolzow und Bertolt Brecht über die Wirkung der Literatur und die Rolle der Schriftsteller. Am Ende der vierzehntägigen Konferenz stand eine gemeinsame Erklärung, in der sie nicht nur ihre Solidarität mit der Spanischen Republik zum Ausdruck brachten, sondern ihre schreibenden Zeitgenossen zum Kampf gegen den Faschismus aufriefen.

Als einer der Organisatoren war André Malraux maßgeblich für die Ausrichtung und den Ausgang des Kongresses verantwortlich. Der französische Autor und Kommunist sprach sich vehement für das antifaschistische Engagement von Autoren und Intellektuellen aus. Er selbst hatte ab Juli 1936 den Aufbau der republikanischen Flugzeugstaffel España geleitet. Nach ihrer Eingliederung in die spanische Volksarmee begab er sich 1937 auf eine Vortragsreise nach Nordamerika, um für die politische und finanzielle Unterstützung der Volksfrontregierung zu werben. Noch im selben Jahr verdichtete er persönliche Erlebnisse und historische Ereignisse zu seinem Roman "Die Hoffnung" (1937). Darin wird ein authentisches Panorama aus Figuren, Dialogen und Szenen vor dem Hintergrund der Kämpfe um Toledo entworfen.

Fiktionalisierung bot engagierten Schriftstellern die Möglichkeit, ihre antifaschistische Haltung zu bezeugen. Während Romane wie Willi Bredels "Begegnung am Ebro" (1939) und Gustav Reglers "Das große Beispiel" (1940) von deutschen Kommunisten aus den Reihen der internationalen Brigaden stammen und der Ästhetik des sozialistischen Realismus verhaftet bleiben, entwickelte Ernest Hemingway zeitgemäße literarische Darstellungsweisen.

Ernüchterung#

Der amerikanische Autor war im März 1937 als Korrespondent der North American Newspaper Alliance und Drehbuchautor für den Dokumentarfilm "The Spanish Earth" des niederländischen Filmemachers Joris Ivens nach Spanien gekommen. Obwohl er sich niemals aktiv an den Kampfhandlungen beteiligte, gelang ihm später mit "Wem die Stunde schlägt" (1940) der populärste Roman zum Spanischen Bürgerkrieg. Sein anhaltender Erfolg verdankt sich der spannenden Geschichte, den plastischen Gestalten und der lakonischen Sprache.

Der Spanische Bürgerkrieg begleitete manche Schriftsteller noch viele Jahre später. General Franco hatte längst gesiegt und eine faschistische Diktatur errichtet, als die ehemligen Spanienkämpfer ihre persönlichen Erinnerungen zu Papier brachten. Ihre autobiografischen Schriften spiegeln nicht nur ihr politisches und militärisches Engagement im Krieg, sondern auch ihre ideologische Enttäuschung und Ernüchterung in den Jahren danach.

Der deutsche Schriftsteller Ludwig Renn etwa beschreibt in "Der Spanische Krieg" (1955) seine Erfahrungen als Offizier der internationalen Brigaden im Kampf um Madrid; der deutsche Publizist Alfred Kantorowicz wiederum beleuchtet im "Spanischen Kriegstagebuch" (1966) die zunehmende kommunistische Einflussnahme auf die republikanische Volksfrontregierung, und der englische Dichter Laurie Lee bekennt in "Ein Moment des Krieges" (1991) seine Verstrickung in die Machenschaften des sowjetischen Geheimdienstes.

In diesen und vielen anderen journalistischen und literarischen Werken internationaler Autoren wirkt die kollektive Erinnerung an den antifaschistischen Abwehrkampf im Spanischen Bürgerkrieg bis zum heutigen Tage nach.

Wiener Zeitung, Samstag, 31. Dezember 2016


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