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Was kommt nach Omikron? #

Die Labormedizin forscht intensiv daran, neue Varianten des Coronavirus Sars-CoV-2 vorhersagen zu können.#


Von der Wiener Zeitung (11. Februar 2022) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Eva Stanzl


Symbolbild: Impfung
Infektiöser mit unter Umständen verändertem Krankheitsverlauf: Auch künftig geht es in der Pandemie darum, die Immunität durch Impfen zu steigern.
Foto: https://pixabay.com/

Im Grunde ist es ein Blick in die Glaskugel. Doch in der Debatte um die Impfpflicht werden neue Varianten des Coronavirus, die den Impfschutz noch effizienter umgehen könnten als die Omikron-Mutation, als Argument für die Demontage dieser Verordnung angeführt. Zugleich forscht die Labormedizin intensiv daran, neue Varianten von Sars-CoV-2 vorhersagen zu können.

"Die Omikron-Untervariante BA.2 verbreitet sich zusehends. Künftige Varianten könnten infektiöser sein und unter Umständen auch veränderte Krankheitsverläufe verursachen. Es sprechen daher gute wissenschaftliche Gründe für das Impfen, egal wie man zur Impfpflicht steht", entgegnet Andreas Bergthaler, Leiter des Instituts für Hygiene und Angewandte Immunologie der Medizinischen Universität Wien, solchen Debatten.

"Die Pandemie bleibt ein dynamisches System, in dem es entscheidend ist, dass die Grundimmunität Schritt für Schritt ansteigt, und das tut sie mit jeder Impfung und jeder Infektion", sagt Bergthaler. Aus immunologischer Sicht sei es vorstellbar, dass neue Corona-Varianten es schaffen, den Antikörpern wieder und wieder ein Stück weit zu entwischen. "Aber wir haben auch das robuste Immun-Gedächtnis in den T-Zellen, die dazu beitragen sollten, dass es immer seltener schwere Verläufe gibt."

Alpines Hochsicherheitslabor#

In einem Hochsicherheitslabor der Stufe 3 auf dem Thurnthaler in Osttirol versuchen Wissenschafter, in die Zukunft zu blicken. Auf 1.500 Meter Seehöhe, wo das halbe Jahr Schnee liegt, erforschen sie in Zellkulturen die Evolution von lebenden Sars-CoV-2-Viren. "Wir beobachten, unter welchen Bedingungen sich welche Mutationen bilden und versuchen, deren Bedeutung zu kategorisieren", sagt Sissy Sonnleitner, wissenschaftliche Leiterin der Abteilung für Virologie des infektiologie.tirol genannten, in Außervillgraten stationierten Zentrums für Hygiene und medizinische Mikrobiologie. An sich ist die Anzucht von Viren ein etabliertes Verfahren. Das gesamte Genom zu sequenzieren, war allerdings noch vor wenigen Jahren Zukunftsmusik. "Da wurden enorme Schritte nach vorne gemacht. Erstmals haben wir heute die Möglichkeit, in Zellkulturen zu erforschen, wie Viren sich in der Evolution verhalten", erklärt Sonnleitner.

Mit ihrem Team beimpft die Virologin Sars-CoV-2-Erreger mit Antikörper-Seren von Personen, die eine, zwei oder drei Dosen von Corona-Vakzinen erhalten haben, und beobachtet, wie die Viren kontern. Damit das Virus in der Lage ist, den Angriff im Reagenzglas zu überstehen, müssen die Forscher die Konzentration von Antikörpern gering halten. "Wir schauen, welche Ausweichmechanismen Sars-CoV-2 findet, um der Immunantwort zu entgehen. Möglicherweise hat es überhaupt keine Chance, zu mutieren, weil insbesondere die mRNA-Impfungen zu viele Antikörper erzeugt haben", sagt Sonnleitner. Wenn aber Mutationen stattfinden, können die Forschenden mittlerweile zielsicher einordnen, ob es sich um eine Reaktion auf die Gegebenheiten in der Zellkultur auf Impfstoff-induzierte Antikörper handelt.

Die Ergebnisse so weit: In zwei Positionen ist das Spike-Protein besonders mutationsfreudig. "Das sind typische Immunescape-Positionen", sagt die Forscherin: "In unseren Zellkulturen haben sie sich sogar ohne Selektionsdruck durch Antikörper verändert." Außerdem hätten sich die gleichen Prozesse in verschiedenen Viren-Strängen unabhängig voneinander wiederholt. "Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass bestimmte Mutationen sehr oft an den gleichen Stellen passieren, in unseren Zellkulturen sehen wir zudem ähnliche Veränderungen wie in der Natur", sagt Stephan Koblmüller vom Institut für Biologie der Universität Graz, der die Arbeiten über die DNA-Sequenzierung in den Kontext der Evolution setzt. Einschränkend räumen die Forschenden ein, dass sie nicht das gesamte Wirkspektrum des Immunsystems inklusive der T-Zellen und der angeborenen Immunantwort, sondern nur Antikörper abbilden.

Möglicherweise reicht das aber fürs Erste. Das Immunsystem verläuft, vereinfacht gesagt, konzentrisch. Immunglobulin A bildet eine Barriere gegen Krankheitserreger und baut sich schnell ab. Immunglobulin G bekämpft Viren und Bakterien im Körper und verbleibt etwas länger im Blut. Die T-Zellen sind das Gedächtnis des Immunsystems. Sie bleiben stabil erhalten und verhindern zum Beispiel schwere Verläufe von Covid-19.

Vierter Booster im Herbst#

"Das Unterlaufen der T-Zell-Antwort hat für das Virus aber keine Priorität. Ihm ist es nämlich egal, wie schwer der Verlauf ist, solange es uns ansteckt und sich vermehrt", erklärt Ulrich Elling, Gruppenleiter am Institut für Molekulare Biotechnologie der Akademie der Wissenschaften. Da die Ansteckungsketten prä-symptomatisch passieren, spielen die T-Zellen für die Evolutionsentscheidungen von Sars-CoV-2 zuerst einmal keine Rolle.

Was kommt also nach Omikron? "Bisher erlebten wir, dass jede Variante des Coronavirus infektiöser wurde", sagt Elling. "Auch weitere Varianten werden die Impfung durchbrechen, sich wohl in Spektren zwischen Delta und Omikron bewegen und wohl auch erträglich sein." Neu sei die Tatsache, dass die pandemische Welle weltweit synchron verläuft. "Nach ihr wird die Immunität irgendwann wieder abnehmen, dann eine neue Variante entstehen, die sich durchsetzt, und je nachdem, wie stark sie sich von ihrer Vorgängerin unterscheidet, können wir diese Welle früher oder später durchbrechen", sagt Elling. Er rät zu einer vierten Booster-Impfung im Herbst.

Wiener Zeitung, 11. Februar 2022