Notiz 066: Station in Judenburg#
von Martin KruscheDie österreichweit durchgeführte „Lange Nacht der Museen“ wird in Judenburg und im Murtal an mehreren Plätzen durch Angebote bereichert. Es ist dabei naheliegend, daß ich meine Station im Puchmuseum Judenburg habe, wo ich an diesem Samstag um 20:00 Uhr das Haflinger-Buch präsentiere. Dieses Buch ist als eine kleine Kulturgeschichte angelegt. So auch der Abend selbst vor dem Hintergrund einiger bemerkenswerter Fahrzeuge im Museum, an denen sich interessante Positionen verdeutlichen lassen.
Hier kurz ein Blick auf ein wesentlich größeres Zeitfenster. Als Menschen vor rund zehntausend Jahren begonnen hatten, die Baukunst zu entwickeln und zu verfeinern, ging es nicht um Wohnraumbeschaffung, sondern um Kultbauten. Die imposante Anlage von Göbekli Tepe (heute türkisches Gebiet) veranschaulicht diesen Aspekt.
Auch die Geschichte unserer Fahrzeuge hat bedeutende Momente im Kultischen, etwa in der Mythologie. So zum Beispiel der von Hephaistos gebaute Sonnenwagen für Gott Helios, mit dem dessen Sohn Phaeton tödlich verunglückte.
Das Puchmuseum Judenburg ist der passende Ort, um solche Motive zu reflektieren. Die Stadt liegt in einem gewachsenen Industriegebiet aus den Tagen, wo noch Kohle und Stahl diesen Wirtschaftszweig dominiert haben. In jener Region ist auch Strettweg zu erwähnen.
Ein bedeutender Fund gab diesem Ortsnamen besonderen Klang: der Strettweger Kultwagen. Kein Fahrzeug, sondern ein Vehikel für geistige und spirituelle Mobilität. Ein Artefakt aus Bronze, das etwa im siebten Jahrhundert vor Christus angefertigt wurde.
Wenn wir nun am 5. Oktober 2019 in der Langen Nacht der Museen über den Steyr-Puch Haflinger reden, sind die 60 Jahre seines Bestehens keine annähernd so mächtige zeitliche Dimension. Dennoch lohnt sich ein konzentrierter Blick auf dieses Fahrzeug und seine Zeit. Der Hafi wurde 1959 die erste völlig eigenständige Automobilkonstruktion der Zweiten Republik. Das handelt unter anderem von einem sehr beengenden Mangel an Rohstoffen, Devisen und Marktzugängen im Österreich der Nachkriegszeit.
Aber Ingenieurskunst und die Handfertigkeit der Hackler formten eine beachtliche Innovation auf dem Sektor der Geländefahrzeuge. Damit steht der Haflinger bis heute in seiner Klasse völlig konkurrenzlos da. Das ist nicht bloß ein Auto-Thema für Benzinbrüder.
Das spiegelt die ganze sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Situation jenes Österreichs wieder, in dem ich aufgewachsen bin. Und zwar in der radikalen Situation des Kalten Krieges, während dessen Österreich eine Grenzregion mit Hautkontakt zum Eisernen Vorhang war.
Sie werden sehen, wenn wir uns dieses Stück Zeitgeschichte etwas genauer ansehen, wird es plötzlich leichter, zu verstehen, was uns derzeit durchrüttelt: die weitreichenden Umbrüche in der Vierten Industriellen Revolution. Auch das ist nicht bloß ein Technik-Thema, sondern hat mit unserer Kultur viel zu tun, verändert diese Gesellschaft.
Der Steyr-Puch Haflinger verdeutlicht überdies, was damals ein Stand der Technik war, als die Volksmotorisierung Österreichs begann, soweit man sie als den plötzlich massenhaften persönlichen Automobilbesitz versteht, den es davor nicht gegeben hat. Dieses Thema hat eine interessante Vorgeschichte, zu der Sie im Puchmuseum Judenburg auch eine Reihe wichtiger Fahrzeuge finden. Wir haben also einiges vor. Siehe dazu auch: "Wozu ein Museum?"
Buchpräsentation#
Samstag, 5. Oktober 2019, 20:00 UhrPuchmuseum Judenburg