Gefragte Kulisse für die Weltdiplomatie#
In Salzburg wurde immer wieder große Europa- und Weltpolitik gemacht - zu den prominenten Gästen zählten Chruschtschow, Nixon, Sadat, Perez, Thatcher und Havel. Auch ein informeller EU-Westbalkan-Gipfel fand hier statt.#
Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Wiener Zeitung, 20. September 2018
Salzburg. Das Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs ist nicht das erste politische Großereignis im festspielerprobten Salzburg. Auch wenn Österreich am diplomatischen Parkett nicht mehr die Rolle spielt wie früher: In der Mozartstadt wurde in der Vergangenheit mehrfach große Europa- und Weltpolitik gemacht.
Zum ersten Mal hochrangigen Besuch aus einer Supermacht erhielt Salzburg im Juli 1960. Der sowjetische Ministerpräsident Nikita Chruschtschow zeigte sich damals besonders angetan vom neuen Festspielhaus. "Dieses Theater hat mir so gut gefallen, dass ich sowjetische Baufachleute herschicken werde, damit sie es studieren", sagte er. Während seiner nur wenige Stunden dauernden Visite ließ er zudem keine Gelegenheit aus, den Schaulustigen in der Innenstadt auf Deutsch den Arbeitergruß "Freundschaft" zuzurufen.
Um einiges ernster ging es zu, als US-Präsident Richard Nixon am Höhepunkt des Vietnam-Krieges im Mai 1972 auf dem Weg nach Moskau einen 36-stündigen Zwischenstopp in Salzburg einlegte. Wegen gewalttätiger Demonstrationen von Kriegsgegnern auf der Rollbahn drohte der Besuch zu platzen. Die Präsidentenmaschine musste mehrere Minuten über dem Flugplatz kreisen, bis die Polizei die Nixon-Gegner mit Gummiknüppeln unter Kontrolle gebracht hatte. Peinlich für den damaligen Bundeskanzler Bruno Kreisky: Sein Sohn Peter war einer der Anführer der Demonstranten, die Nixon als "Mörder" beschimpften.
Bruno Kreisky als Vermittler international gefragt#
Nixon war trotzdem voll des Lobes für Salzburg und seinen Gastgeber Kreisky, den er als "einen der führenden Staatsmänner der Welt" bezeichnete. Im Juni 1974 - zwei Monate vor seinem Rücktritt als Folge der Watergate-Affäre - machte der US-Präsidenten erneut an der Salzach Station, bevor er zu Nahost-Gesprächen nach Kairo reiste. Nixon wollte die Meinung des wegen seiner Vermittlungsversuche im israelisch-palästinensischen Konflikt weltweit hoch angesehenen Bundeskanzlers Kreisky einholen.
Als glattes Parkett stellte sich Salzburg für Nixons Nachfolger Gerald Ford heraus, der Anfang Juni 1975 in der Salzach-Metropole mit dem ägyptischen Präsidenten Anwar al-Sadat zu einem Gipfeltreffen zusammentraf. Der US-Präsident stürzte beim Verlassen des Flugzeugs spektakulär die Gangway herunter und stolperte im Laufe des Gipfels noch zwei Mal, wobei ihn einmal nur ein kräftiger Griff des ägyptischen Präsidenten vor einem Sturz bewahrte. Politisch war der Gipfel ein Erfolg, führte er doch zu einer ersten Annäherung zwischen Ägypten und Israel, das acht Jahre zuvor die Sinaihalbinsel besetzt hatte.
Das freundschaftliche Verhältnis von Sadat und Kreisky sollte Salzburg noch mehrere hochkarätige Nahost-Treffen bescheren. Im Februar 1978 konferierte der ägyptische Präsident mit dem israelischen Oppositionsführer Shimon Peres in der Mozartstadt, im Juli traf Sadat dort während einer einwöchigen Sommerfrische überraschend den israelischen Verteidigungsminister Ezer Weizmann. Sadat lobte seine Salzburger Gespräche als "gutes Omen" für die Verhandlungen mit Israel. Zwei Monate später schlossen die beiden Staaten mit dem "Camp-David-Abkommen" Frieden.
Vorgängerin der EVP konstituierte sich in Salzburg#
Im April 1978 konstituierte sich im Schloss Kleßheim die Europäische Demokratische Union (EDU) als Zusammenschluss von zunächst zehn christdemokratischen und konservativen Parteien. Die damalige britische Oppositionsführerin Margaret Thatcher, die ein Jahr später Premierministerin werden sollte, wertete dies als "Anfang einer erfolgreichen Entwicklung für Europa" und einen Gegenpol zur Sozialistischen Internationalen.
Tatsächlich stand die erste Hälfte der 1980er Jahre im Zeichen einer konservativen Wende, in deren Zuge der Einfluss sozialdemokratischer Ideen immer mehr zugunsten einer wirtschaftsliberalen Politik zurückgedrängt wurde. Mit den EU-Erweiterungen verlor die EDU allerdings zunehmend politisches Gewicht - etwa an die Europäische Volkspartei - und stellte 2002 ihre eigenständigen Aktivitäten ein.
Die Festspiele waren für viele Politiker ein willkommener Anlass für einen Trip in die Mozartstadt. Nicht alle waren bei ihrem Wunsch nach höchstem Kunstgenuss aber so kompromisslos wie UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar. Der Peruaner zog im August 1984 einen Festspielbesuch der Eröffnung der UN-Weltbevölkerungskonferenz in Mexiko vor und sorgte damit für ziemliche Aufregung.
1990 halfen die Salzburger Festspiele den wegen seiner vermuteten NS-Vergangenheit unter Kritik geratene Bundespräsident Kurt Waldheim aus der Isolation, als er zum 70-jährigen Jubiläum des Musikfestivals seine Amtskollegen aus Deutschland (Richard Weizsäcker) und der Tschechoslowakei (Vaclav Havel) in Salzburg begrüßen konnte.
Unter seinem Nachfolger Thomas Klestil gab es 1993 eine Neuauflage des Präsidententreffens. Klestil begründete damit die Tradition jährlicher Treffen mitteleuropäischer Präsidenten. Überhaupt konnte sich Salzburg nach der "Ostöffnung" erfolgreich als Tor des Westens nach Mitteleuropa präsentieren. Das Davoser Weltwirtschaftsforum (WEF) richtete 1996 einen Mitteleuropa-Ableger in Salzburg ein und verlegte sich in den Jahren 2001 und 2002 vorübergehend zur Gänze an die Salzach.
Mit dem neuen Millennium wurde auf Initiative des damaligen Innenministers Ernst Strasser (ÖVP) im Jahr 2000 die regionale Sicherheitspartnerschaft "Forum Salzburg" ins Leben gerufen. Während man in den ersten Jahren noch in Fuschl am See tagte, entschied man sich später für einen Vorsitzwechsel im Sechsmonat-Rhythmus. Die Konferenz war ursprünglich für die Heranführung der neuen EU-Kandidatenländer in Mittel- und Osteuropa gedacht, später ist die Zusammenarbeit innerhalb der EU in den Vordergrund gerückt.
2006 beteiligten sich drei Tage lang über 300 Experten aus Politik, Kunst und Medien an der Konferenz "The Sound of Europe". Sie nahmen den 250. Geburtstag von Wolfgang Amadeus Mozart zum Anlass, um über die Zukunft des Kontinents zu debattieren. Wenige Wochen später trafen beim informellen EU-Westbalkan-Treffen in Salzburg mehr als 30 Außenminister zusammen. Die Themen damals: die Lage im Nahen Osten und am Balkan - und die Konflikte um die Karikaturen des Propheten Mohammed.
Ort für konspirative Spionage-Treffen#
Im Herbst 2011 kam der Präsident der Volksrepublik China, Hu Jintao, für zwei Nächte nach Salzburg und nutzte den Staatsbesuch vor allem für ein ausgiebiges Sightseeing-Programm. Er besichtigte samt Entourage einen Bauernhof, unternahm eine Bootsfahrt am Wolfgangsee und besuchte ein Konzert in Mozarts Wohnhaus. Der von Protesten von Exil-Tibetern begleitete Österreich-Besuch war nur der Auftakt zu einer Europareise, die Hu Jintao von Salzburg direkt zum Gipfel der 20 wichtigsten Industriemächte (G20) nach Frankreich führte.
Im Mai 2012 kam im Zuge seiner Österreichreise auch der Dalai Lama in die Mozartstadt. Dass geistliche Oberhaupt der Tibeter hielt dort einen Vortrag über den Weltfrieden und beteiligte sich an einem interreligiösen Dialog in der Salzburgarena.
Ungewohnte Prominenz erhielt die Stadt durch eine 2014 aufgeflogene Affäre um mutmaßliche US-Spione in Deutschland. Ein Mitarbeiter des deutschen Bundesnachrichtendienstes hatte sich seit 2012 in Salzburg mehrmals mit CIA-Agenten aus der US-Botschaft in Wien getroffen. Bei den konspirativen Treffen erhielten die Agenten von ihm offenbar geheime Dokumente und zahlten dafür Geld.
Im Vorjahr war Salzburg Ort eines Drei-Präsidenten-Treffens der Staatsoberhäupter von Österreich, Slowenien und Kroatien. Im August 2017 empfing der damalige Bundeskanzler Christian Kern seine Amtskollegen aus Frankreich, Tschechien und der Slowakei, (Emmanuel Macron, Bohuslav Sobotka und Robert Fico). Macron forderte damals eine Neugründung Europas. Der musikbegeisterte Europafreund lauschte danach einem Konzert von Daniel Barenboim.
An den diesjährigen Festspielen nahmen die britische Premierministerin Theresa May sowie ihre Amtskollegen aus Estland und Tschechien, Jüri Ratas aus Estland und Andrej Babis, teil. Bundeskanzler Sebastian Kurz hatte sie zur Premier der "Zauberflöte" geladen. Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ sich heuer wieder bei dem großen Kulturevent blicken. Statt Mozart stand für sie die "Pique Dame" von Peter Iljitsch Tschaikowsky auf dem Programm.