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Der Erfinder des 20. Jahrhunderts #

Nikola Tesla war ein Pionier der Energieübertragung - dennoch gilt er nur in New-Age-Kreisen als Prophet. #


Von der Wiener Zeitung (Samstag, 7. Jänner 2017) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Edwin Baumgartner


Nikola Tesla
Nikola Tesla war ein Erfinder mit vielen Gesichtern.
Foto: © wikimedia

Tippt man "Tesla" ins Google-Suchfeld, kommen "ungefähr 189 Millionen Ergebnisse". Bis zur sechsten Seite betreffen die Meldungen nur das Elektroauto. Erst auf Seite sieben erfährt man erstmals, dass es auch einen Mann dieses Namens gegeben hat. Sein Vorname war Nikola: Offenbar ein wichtiger Erfinder. Das bekannteste Foto zeigt ein Gesicht, das durch den Oberlippenbart kaum altert. Die Haare sind schwarz, die Züge südländisch, die Augen forschen. Der Fotografierte wirkt hochmütig, er weiß um sein gutes Aussehen. Einen jungen Adeligen könnte man sich so vorstellen, eine Figur bei Stefan Zweig oder Thomas Mann.

In Wahrheit ist dieser Nikola Tesla Genie und Scharlatan zugleich. Tesla entdeckte den Wechselstrom und erfand Übertragungsmöglichkeiten. Ein Großteil unserer heutigen Alltagsstromversorgung basiert auf seinen Patenten. Auch der Funk beruht auf Teslas Erkenntnissen zur drahtlosen Energieübertragung: Tesla - der Erfinder, der die Gegenwart ermöglichte.

Tauben und Außerirdische #

Doch der geniale Tesla, auf dessen Konto 280 Erfindungen gehen, gab sich Mystizismen und Spinnereien hin. Er habe 1899 Kontakt zu Außerirdischen gehabt, behauptete er; er schwärmte von einem System der frei im Raum befindlichen Energie, die man nur einfangen und umwandeln müsse. Im Ersten Weltkrieg fantasierte er von Strahlenkanonen. In seinem New Yorker Hotelzimmer pflegte er verletzte Tauben gesund. Die Taubenkäfige nahmen eine ganze Wand des Zimmers ein. Tesla entwickelte Gourmetfutter für Tauben. Drei Kilo davon musste die Hotelküche täglich herstellen, ein Bote musste es dann im Park verfüttern.

Für die Grenzwissenschaften ist er wegen seiner angeblichen außerirdischen Kontakte und seiner Spekulationen über die Freie Energie eine Ikone: Für sie ist er das Genie, das ihren Unfug legitimiert. Umgekehrt rümpft die seriöse Wissenschaft schnell die Nase, wenn der Name Tesla fällt - so, als würden seine Abwege die Größe seiner Erfindungen korrumpieren. Das alles sind Gründe, dass man ihn biografisch nur schwer in den Griff bekommt, diesen Nikola Tesla.

Der US-amerikanische Historiker W. Bernard Carlson, dessen Spezialgebiet Technikgeschichte ist, hat sich nun in einer detailfreudigen Biografie dieses 1856 in Smiljan, an der kroatischen Militärgrenze (damals Österreich) geborenen und 1943 in New York gestorbenen Nikola Tesla angenommen. Spannend liest sich der sogenannte Stromkrieg über die Stromversorgung der USA. Thomas Alva Edison kämpfte auf der einen Seite mit teilweise absurden Methoden für die Gleichspannung, auf der anderen Seite standen Tesla und George Westinghouse, die bei ihrem Eintreten für die Wechselspannung auch nicht zimperlich vorgingen.

Genie und Spinner #

Carlsons Biografie hat den großen Vorteil, dass sie Tesla weder idealisiert noch dämonisiert. Er macht Tesla als Genie und Spinner verstehbar - und liefert im Epilog einen Abriss zum Thema Tesla in der Populärkultur, der das Missverhältnis vor Augen führt, dass einer der wichtigsten Erfinder aller Zeiten in Geschichts- und Physikbüchern namentlich oft nur als Randnotiz erscheint, jedoch in der New-Age-Bewegung den Status eines Propheten genießt. Carlson vermeidet persönliche Sympathie- oder Antipathiekundgebungen. Somit ist diese Biographie keine flammende Verteidigungsrede, sondern eine kühle Bestandsaufnahme - die sich obendrein ganz vorzüglich liest.

Einziges Manko - das aber ist Verlagssache: Bei einer dermaßen umfangreichen Arbeit auf Stichwort- und Personenregister zu verzichten, ist indiskutabel. Den Wert des Textes soll das jedoch nicht schmälern.

  • Sachbuch. Tesla. W. Bernard Carlson, FinanzBuch Verlag 2017, 678 Seiten, 26,99 Euro

Wiener Zeitung, Samstag, 7. Jänner 2017


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