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Computer 75
neuartige und anschlussfähige Perspektive auf Computer dar, die im Folgenden
nicht nur rekonstruiert, sondern auch konkretisiert werden soll. Darauf aufbauend
wird es möglich, Spielräume zu beschreiben, die digitale Medientechnologien er-
öffnen.
phänoMeno-technische KonFigurationen
Luhmann wusste, wie im vorangegangenen Kapitel deutlich geworden ist, einiges
über Medien zu sagen.5 Nicht zuletzt weil Medien einen zentralen Eckpfeiler in
seinem systemtheoretischen Theoriegebäude darstellen, hat er sich ihnen immer
wieder aufs Neue zugewandt. Dass gerade auch medientechnische Neuerungen,
wie beispielsweise die Erfindung der Schrift oder des Buchdrucks, tiefgreifende
gesellschaftliche Veränderungen nach sich ziehen, da sie die Bedingungen von
Kommunikation transformieren, hat Luhmann immer wieder betont und in ver-
schiedenen Kontexten analysiert (vgl. Luhmann 1991: 28f.; 1998: 249ff.). Zu den
digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien hat sich Luhmann
hingegen nur zurückhaltend geäußert. Aus heutiger Sicht scheint dies bemerkens-
wert, begannen sich doch die von Computern evozierten Veränderungen der kom-
munikativen Welt spätestens seit den 1980er Jahren abzuzeichnen.
Mehrere Gründe können für Luhmanns Zurückhaltung, sich dem Computer
medientheoretisch zuzuwenden, angeführt werden. Erstens stand Luhmann dem
Computer persönlich skeptisch gegenüber. Dies merkt Dirk Baecker in einem 2001
erschienenen Aufsatz an: »Niklas Luhmann traute dem Computer nicht über den
Weg« (Baecker 2001: 597). Insbesondere habe sich Luhmann um die Störanfällig-
keit des Computers gesorgt, weshalb er bis zu seinem Tod 1998 auf die Nutzung
eines Computers bei seiner Arbeit verzichtete. Texte schrieb er weiterhin auf einer
Schreibmaschine und auch seinen berühmten Zettelkasten führte er bis zuletzt
handschriftlich fort (vgl. Baecker 2001: 597). Das epistemologische Problem, mit
dem sich Luhmann zweitens konfrontiert sah, ist von ungleich größerem Gewicht.
Zwar zeichnete sich bereits ab, dass der Computer Einfluss auf die Gesellschaft
haben würde. Aber diese Veränderungen hatten sich noch nicht vollzogen, wes-
halb sie Luhmann, seinem Selbstverständnis als Soziologe folgend, auch noch nicht
analysieren konnte, da die Soziologie »nur auf bereits erkennbare gesellschaftliche
Tatsachen reagieren« (Luhmann 1998: 311) könne.
Dem selbstauferlegten Spekulationsverbot wurde Luhmann jedoch nicht gerecht,
denn trotz seiner persönlichen Vorbehalte traute er dem Computer einiges, wenn
nicht sogar alles zu. In Die Gesellschaft der Gesellschaft formuliert Luhmann die Ver-
mutung, dass der Computer eine mögliche Alternative zur strukturellen Kopplung
5 | Siehe hierzu die Rekonstruktion der Medium/Form-Unterscheidung im Kapitel
»Medium«, S. 62ff.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Titel
- Digitale Datenbanken
- Untertitel
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Autor
- Marcus Burkhardt
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Abmessungen
- 14.7 x 22.4 cm
- Seiten
- 392
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242