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Drei Meister - Balzac - Dickens - Dostojewski
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den kurzen Weg des zurückgelegten Lebens und den dunklen Pfad in das Zukünftige hinein weiterzuführen vermochten. Ein solcher magischer Blick ist nach Balzac nur jenem gegeben, der seine Intelligenz nicht in tausend Richtungen zersplittert hat, sondern – die Idee der Konzentrierung ist bei Balzac in ewiger Wiederkehr – in sich aufgespart einem einzigen Ziele entgegenwendet. Die Gabe der „seconde vue“ ist nicht nur die des Zauberers und Sehers allein; „seconde vue“, spontane visionäre Erkenntnis, dies unbezweifelbare Merkmal des Genies, haben die Mütter gegenüber ihren Kindern, Desplein hat sie, der Arzt, der aus der verworrenen Qual eines Kranken sofort die Ursache seines Leidens und die vermutliche Grenze seiner Lebensdauer bestimmt, der geniale Feldherr Napoleon, der die Stelle sofort erkennt, wo er die Brigaden hinschleudern muß, um das Schicksal der Schlacht zu entscheiden; Marsay, der Verführer, besitzt sie, der die flüchtige Sekunde aufgreift, in der er eine Frau zu Fall bringen kann, Nucingen, der Börsenspieler, der den großen Börsencoup im richtigen Momente zur Explosion bringt; alle diese Astrologen des Himmels der Seele haben ihre Wissenschaft dank des nach innen dringenden Blicks, der wie durch ein Perspektiv Horizonte sieht, wo das unbewaffnete Auge nur ein graues Chaos unterscheidet. Hierin schlummert die Affinität zwischen der Vision des Dichters und der Deduktion des Gelehrten, dem rapiden, spontanen Begreifen und dem langsamen, logischen Erkennen. Balzac, dem sein eigener intuitiver Überblick selbst unbegreiflich werden und der oft erschreckt mit fast irrem Blick sein Werk überschauen mußte wie ein Unbegreifliches, war gezwungen zu einer Philosophie des Inkommensurablen, einer Mystik, der der landläufige Katholizismus eines de Maistre nicht mehr genügte. Und dieses Korn Magie, das seinem innersten Wesen beigemengt war, diese Unbegreiflichkeit, die seine Kunst nicht nur Chemie des Lebens sein läßt, sondern Alchimie, ist sein Grenzwert gegen die Späteren, gegen die Nachahmer, gegen Zola besonders, der Stein um Stein zusammenraffte, wo Balzac nur den Zauberring drehte, und schon ein Palast mit tausend Fenstern sich aufbaute. So ungeheuer die Energie seines Werkes ist, der erste Eindruck bleibt doch immer der von Zauberei und nicht von Arbeit, nicht der eines Ausborgens vom Leben, sondern eines Beschenkens und Bereicherns. Denn Balzac – und dies schwebt wie eine undurchdringliche Wolke von Geheimnis um seine Gestalt – hat in den Jahren seines Schaffens nicht mehr studiert und experimentiert, nicht mehr das Leben beobachtet wie etwa Zola, der sich, ehe er einen Roman schrieb, ein Bordereau für jede einzelne Figur anlegte, nicht wie Flaubert, der Bibliotheken durchstöberte für ein fingerschmales Buch. Balzac kam selten wieder zurück in jene Welt, die außer der seinen lag, er war eingeschlossen in seine Halluzination wie in ein Gefängnis, angenagelt an den Marterstuhl der Arbeit, und was er mitbrachte, 23
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Drei Meister Balzac - Dickens - Dostojewski
Titel
Drei Meister
Untertitel
Balzac - Dickens - Dostojewski
Autor
Stefan Zweig
Datum
1920
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
134
Schlagwörter
Literatur, Schriftsteller
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Romain Rolland als Dank für seine unerschütterliche Freundschaft in lichten und dunklen Jahren 5
  2. Balzac 7
  3. Dickens 29
  4. Dostojewski 50
  5. Einklang 51
  6. Das Antlitz 54
  7. Die Tragödie seines Lebens 56
  8. Sinn seines Schicksals 66
  9. Die Menschen Dostojewskis 77
  10. Realismus und Phantastik 90
  11. Architektur und Leidenschaft 103
  12. Der Überschreiter der Grenzen 113
  13. Die Gottesqual 121
  14. Vita Triumphatrix 131
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