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Drei Meister - Balzac - Dickens - Dostojewski
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Empörung und seine unaufhörliche Hoffnung nur mehr gewonnen sei. Es ist, als hätte sich diese Zeit lauer Menschen gerade diesen einen aufgespart, um zu zeigen, welche titanischen Maße in Lust und Qual auch unserer Welt noch möglich seien, und er, Dostojewski, scheint dumpf den gewaltigen Willen über sich zu spüren. Denn niemals wehrt er sich gegen sein Schicksal, niemals hebt er die Faust. Der Körper, der wunde, bäumt sich konvulsivisch in Zuckungen empor, aus seinen Briefen bricht manchmal wie Blutsturz ein heißer Schrei, aber der Geist, der Glaube, zwingt die Revolte nieder. Der mystisch Wissende in Dostojewski spürt das Heilige dieser Hand, den tragisch fruchtbaren Sinn seines Schicksals. Aus seinem Leid wird Liebe zum Leiden, und mit der wissenden Glut seiner Qual umflammt er seine Zeit, seine Welt. Dreimal schwingt ihn das Leben empor, dreimal reißt es ihn nieder. Früh schon atzt es ihn mit der süßen Speise des Ruhms: sein erstes Buch schenkt ihm einen Namen; aber rasch faßt ihn die harte Kralle und schleudert ihn wieder zurück ins Namenlose: ins Zuchthaus, in die Katorga, nach Sibirien. Wieder taucht er, nur noch stärker und mutiger, empor: seine Memoiren aus dem Totenhause reißen Rußland in einen Taumel. Der Zar selbst netzt das Buch mit seinen Tränen, die russische Jugend steht in Flammen für ihn. Er gründet eine Zeitschrift, seine Stimme tönt zum ganzen Volke, die ersten Romane entstehen. Da bricht im Wettersturz seine materielle Existenz zusammen, Schulden und Sorgen peitschen ihn aus dem Land, Krankheit beißt sich in sein Fleisch, ein Nomade, irrt er durch ganz Europa, vergessen von seiner Nation. Aber zum drittenmal, nach Jahren der Arbeit und Entbehrung, taucht er aus den grauen Gewässern namenloser Not: die Rede zu Puschkins Gedächtnis bezeugt ihn als den ersten Dichter, den Propheten seines Landes. Unauslöschlich ist nun sein Ruhm. Aber gerade jetzt schlägt ihn die eiserne Hand nieder, und die verzückte Begeisterung seines ganzen Volkes schäumt ohnmächtig gegen einen Sarg. Das Schicksal bedarf seiner nicht mehr, der grausam weise Wille hat alles erreicht, aus seiner Existenz das Höchste gewonnen an geistiger Frucht: achtlos wirft es nun die leere Hülse des Körpers hin. Durch diese sinnvolle Grausamkeit wird Dostojewskis Leben zum Kunstwerk, seine Biographie zur Tragödie. Und in wundervoller Symbolik nimmt sein künstlerisches Werk die typische Form des eigenen Schicksals an. Es gibt da geheimnisvolle Identitäten, mystische Zusammenhänge, wunderbare Spiegelungen, die nicht zu deuten und zu erklären sind. Schon der Anbeginn seines Lebens ist Symbol: Fedor Michailowitsch Dostojewski wird im Armenhaus geboren. Mit der ersten Stunde ist ihm so schon die Stelle seiner Existenz angewiesen, irgendwo im Abseits, im Verachteten, nahe dem Bodensatz des Lebens und doch mitten im menschlichen Schicksal, 57
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Drei Meister Balzac - Dickens - Dostojewski
Titel
Drei Meister
Untertitel
Balzac - Dickens - Dostojewski
Autor
Stefan Zweig
Datum
1920
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
134
Schlagwörter
Literatur, Schriftsteller
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Romain Rolland als Dank für seine unerschütterliche Freundschaft in lichten und dunklen Jahren 5
  2. Balzac 7
  3. Dickens 29
  4. Dostojewski 50
  5. Einklang 51
  6. Das Antlitz 54
  7. Die Tragödie seines Lebens 56
  8. Sinn seines Schicksals 66
  9. Die Menschen Dostojewskis 77
  10. Realismus und Phantastik 90
  11. Architektur und Leidenschaft 103
  12. Der Überschreiter der Grenzen 113
  13. Die Gottesqual 121
  14. Vita Triumphatrix 131
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