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Drei Meister - Balzac - Dickens - Dostojewski
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geträumt, die Unsterblichkeit, das Leiden für die ganze Welt. Erhebung und Zerknirschung, Stolz und Demut schwanken wirr durch seine Brust, er weiß nicht, welcher Stimme er glauben soll. Trunken taumelt er über die Straße, und in seine Tränen mischen sich Glück und Schmerz. So melodramatisch geschieht Dostojewskis Entdeckung zum Dichter. Auch hier ahmt die Form seines Lebens die seiner Werke geheimnisvoll nach. Hier wie dort haben die rohen Konturen etwas von der banalen Romantik eines Schauerromans, die Schicksalsschläge etwas Kindlich-Primitives, und nur die innere Größe und Wahrheit reißt sie empor zum Grandiosen. In Dostojewskis Leben ist oft der Ansatz Melodram, aber immer wird es zur Tragödie. Es ist ganz auf Spannung gestellt: in einzelne Sekunden, ohne Übergang, sind die Entscheidungen komprimiert, mit zehn oder zwanzig solcher Sekunden der Ekstase oder des Niedersturzes sein ganzes Schicksal fixiert. Epileptische Ausbrüche des Lebens – eine Sekunde Ekstase und ohnmächtiger Zusammenbruch – könnte man sie nennen. Hinter jeder Ekstase steht schon drohend die graue Dämmerung des erschlaffenden Gefühls, und aus langem Gewölk ballt sich behutsam der neue mörderische Lebensblitz. Jeder Aufschwung ist bezahlt durch Niedersturz und diese eine Sekunde der Begnadung mit vielen hoffnungslosen Stunden des Robots und der Verzweiflung. Der Ruhm, dieser funkelnde Reif, den ihm Bjelinski in jener Stunde aufs Haupt drückt, ist auch gleichzeitig schon der erste Ring einer Fußkette, an der Dostojewski klirrend sein Leben lang die schwere Kugel der Arbeit schleppt. Die „Hellen Nächte“, sein erstes Buch, bleibt auch das letzte, das er als freier Mann einzig um der schöpferischen Freude willen schuf. Dichten besagt für ihn von nun ab auch: erwerben, zurückerstatten, abzahlen, denn jedes Werk, das er seither beginnt, ist vor der ersten Zeile schon mit Vorschuß verpfändet, das noch ungeborene Kind in die Sklaverei des Gewerbes verkauft. Für immer ist er jetzt in das Bagno der Literatur gemauert, ein Leben lang gellen die verzweifelten Schreie des Eingesperrten nach Freiheit, aber erst der Tod bricht seine Ketten. Noch ahnt der Beginner nicht die Qual in der ersten Lust. Ein paar Novellen sind rasch vollendet, und schon plant er einen neuen Roman. Da hebt das Schicksal warnend den Finger. Er will nicht, sein wachsamer Dämon, daß ihm das Leben zu leicht werde. Und damit er es erkennen lerne in allen seinen Tiefen, sendet ihm der Gott, der ihn liebt, seine Prüfung. Wieder wie damals in der Nacht gellt die Klingel, Dostojewski öffnet erstaunt, aber diesmal ists nicht die Stimme des Lebens, ein jubelnder Freund, Botschaft des Ruhms, sondern Ruf des Todes. Offiziere und Kosaken dringen in sein Zimmer, der Aufgestörte wird verhaftet, seine Papiere versiegelt. Vier Monate schmachtet er in einer Zelle der Sankt-Pauls-Festung, ohne das 60
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Drei Meister Balzac - Dickens - Dostojewski
Titel
Drei Meister
Untertitel
Balzac - Dickens - Dostojewski
Autor
Stefan Zweig
Datum
1920
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
134
Schlagwörter
Literatur, Schriftsteller
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Romain Rolland als Dank für seine unerschütterliche Freundschaft in lichten und dunklen Jahren 5
  2. Balzac 7
  3. Dickens 29
  4. Dostojewski 50
  5. Einklang 51
  6. Das Antlitz 54
  7. Die Tragödie seines Lebens 56
  8. Sinn seines Schicksals 66
  9. Die Menschen Dostojewskis 77
  10. Realismus und Phantastik 90
  11. Architektur und Leidenschaft 103
  12. Der Überschreiter der Grenzen 113
  13. Die Gottesqual 121
  14. Vita Triumphatrix 131
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