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Kalten und Korrekten, in deren Brust er erfroren ist zu bürgerlicher
Gesetzmäßigkeit. Seine wahren Menschen haben gelitten, haben darum
Ehrfurcht vor dem Leiden und damit das letzte Geheimnis der Erde. Wer
leidet, ist durch Mitleid schon Bruder, und allen seinen Menschen ist, weil sie
nur auf den innern Menschen, auf den Bruder blicken, das Grauen fremd. Sie
besitzen die erhabene Fähigkeit, die er einmal die typisch russische nennt,
nicht lange hassen zu können, und darum eine unbegrenzte
Verstehensfähigkeit alles Irdischen. Noch hadern sie oft mitsammen, noch
quälen sie sich, weil sie sich ihrer eigenen Liebe schämen, weil sie die eigene
Demut für eine Schwäche halten und noch nicht ahnen, daß sie die
furchtbarste Kraft der Menschheit ist. Aber ihre innere Stimme weiß immer
schon um die Wahrheit. Während sie einander mit Worten schmähen und
befeinden, blicken die inneren Augen sich längst selig verstehend an, Lippe
küßt leidvoll den Brudermund. Der nackte, der ewige Mensch in ihnen hat
sich erkannt, und dies Mysterium der Allversöhnung in der brüderlichen
Erkennung, dieser orphische Gesang der Seelen, ist die lyrische Musik in
Dostojewskis dunklem Werk.
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Drei Meister
Balzac - Dickens - Dostojewski
- Titel
- Drei Meister
- Untertitel
- Balzac - Dickens - Dostojewski
- Autor
- Stefan Zweig
- Datum
- 1920
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 134
- Schlagwörter
- Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik
Inhaltsverzeichnis
- Romain Rolland als Dank für seine unerschütterliche Freundschaft in lichten und dunklen Jahren 5
- Balzac 7
- Dickens 29
- Dostojewski 50
- Einklang 51
- Das Antlitz 54
- Die Tragödie seines Lebens 56
- Sinn seines Schicksals 66
- Die Menschen Dostojewskis 77
- Realismus und Phantastik 90
- Architektur und Leidenschaft 103
- Der Überschreiter der Grenzen 113
- Die Gottesqual 121
- Vita Triumphatrix 131