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Drei Meister - Balzac - Dickens - Dostojewski
Seite - 125 -
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Denn das ist seine Flucht, seine Ausflucht, seine Rettung: Rußland. Hier ist sein Wort nicht mehr Zwiespalt, hier wird es Dogma. Gott hat ihm geschwiegen: so schafft er sich als Mittler zwischen sich und dem Gewissen selbst einen Christus, den neuen Verkünder einer neuen Menschheit, den russischen Christus. Aus der Wirklichkeit, aus der Zeit stürzt er sein ungeheueres Glaubensbedürfnis einem Unbestimmten entgegen – denn nur einem Unbestimmten, einem Grenzenlosen kann dieser Maßlose sich ganz hingeben – in die ungeheuere Idee Rußland, in dieses Wort, das er anfüllt mit allem Unmaß seiner Gläubigkeit. Ein anderer Johannes, verkündigt er diesen neuen Christus, ohne ihn geschaut zu haben. Aber er spricht in seinem Namen, in Rußlands Namen für die Welt. Diese seine messianischen Schriften – es sind die politischen Aufsätze und manche Ausbrüche der Karamasoff – sind dunkel. Verworren enttaucht ihnen dieses neue Christusantlitz, der neue Erlösungs- und Allversöhnungsgedanke, ein byzantinisches Antlitz mit harten Zügen, strengen Falten. Wie von den alten rauchgeschwärzten Ikonen starren fremde stechende Augen uns an, Inbrunst, unendliche Inbrunst in sich, aber auch Haß und Härte. Und furchtbar ist Dostojewski selbst, wenn er diese russische Erlösungsbotschaft uns Europäern wie verlorenen Heiden kündet. Ein böser, fanatischer, mittelalterlicher Mönch, das byzantinische Kreuz wie eine Geißel in der Hand, so steht der Politiker, der religiöse Fanatiker uns gegenüber. Wie ein Delirant, ein Heimgesuchter in mystischen Krämpfen, nicht in sanfter Predigt kündet er seine Lehre, in dämonischen Zornausbrüchen entlädt sich seine maßlose Leidenschaft. Mit Keulen schlägt er jeden Einwand nieder, ein Fiebernder, gegürtet mit Hochmut, funkelnd von Haß, stürmt er die Tribüne der Zeit. Schaum steht vor seinem Munde, und mit zitternden Händen schleudert er den Exorzismus über unsere Welt. Ein Bilderstürmer, ein rasender Ikonoklast, fällt er her über die Heiligtümer der europäischen Kultur. Alles stampft er nieder, der große Tobsüchtige, von unseren Idealen, um seinem neuen, dem russischen Christus, den Weg zu bereiten. Bis zum Irrwitz schäumt seine moskowitische Unduldsamkeit. Europa, was ist es? Ein Kirchhof, mit teuern Gräbern vielleicht, aber jetzt stinkend von Fäulnis, nicht einmal Dünger mehr für die neue Saat. Die blüht einzig aus russischer Erde. Die Franzosen – eitle Laffen, die Deutschen – ein niedriges Wurstmachervolk, die Engländer – Krämer der Vernünftelei, die Juden – stinkender Hochmut. Der Katholizismus – eine Teufelslehre, eine Verhöhnung Christi, der Protestantismus – ein vernünftlerischer Staatsglaube, alles Hohnbilder des einzig wahren Gottesglaubens: der russischen Kirche. Der Papst – der Satan in der Tiara, unsere Städte – Babylon, die große Hure der Apokalypse, unsere Wissenschaft – ein eitles Blendwerk, Demokratie – die dünne Brühe weicher Gehirne, Revolution – ein loses Bubenstück von 125
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Drei Meister Balzac - Dickens - Dostojewski
Titel
Drei Meister
Untertitel
Balzac - Dickens - Dostojewski
Autor
Stefan Zweig
Datum
1920
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
134
Schlagwörter
Literatur, Schriftsteller
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Romain Rolland als Dank für seine unerschütterliche Freundschaft in lichten und dunklen Jahren 5
  2. Balzac 7
  3. Dickens 29
  4. Dostojewski 50
  5. Einklang 51
  6. Das Antlitz 54
  7. Die Tragödie seines Lebens 56
  8. Sinn seines Schicksals 66
  9. Die Menschen Dostojewskis 77
  10. Realismus und Phantastik 90
  11. Architektur und Leidenschaft 103
  12. Der Überschreiter der Grenzen 113
  13. Die Gottesqual 121
  14. Vita Triumphatrix 131
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