Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Weiteres
Belletristik
Drei Meister - Balzac - Dickens - Dostojewski
Seite - 130 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 130 - in Drei Meister - Balzac - Dickens - Dostojewski

Bild der Seite - 130 -

Bild der Seite - 130 - in Drei Meister - Balzac - Dickens - Dostojewski

Text der Seite - 130 -

Form des Lebens, der Zwiespältige postuliert als letztes Ideal die Einheit, der Empörer die Unterwerfung. Seine Gottesqual ist in ihnen Gotteslust geworden, seine Zweifel Gewißheit, seine Hysterie Gesundung, sein Leid ein allumfassendes Glück. Das Letzte und Schönste der Existenz ist für ihn, was er selbst, der Bewußte und Überbewußte, nie gekannt und was er darum für den Menschen als das Erhabenste ersehnt: Naivität, Kindlichkeit des Herzens, die sanfte, die selbstverständliche Heiterkeit. Sehet seine liebsten Menschen, wie sie schreiten: ein sanftes Lächeln ist auf ihren Lippen, um alles wissen sie und haben doch keinen Stolz, sie leben im Geheimnis des Lebens nicht wie in einer feurigen Schlucht, sondern schlagen es blau wie einen Himmel um sich. Sie haben die Urfeinde der Existenz, sie haben „Schmerz und Angst besiegt“ und sind darum gottselig geworden in der unendlichen Brüderschaft der Dinge. Sie sind erlöst von ihrem Ich. Höchstes Glück der Erdenkinder ist die Unpersönlichkeit – so verwandelt der höchste Individualist die Weisheit Goethes in einen neuen Glauben. Kein Beispiel kennt die Geschichte des Geistes einer ähnlichen moralischen Selbstvernichtung innerhalb eines Menschen, ähnlich fruchtbarer Erschaffung des Ideals aus dem Kontrast. Märtyrer seiner selbst, hat Dostojewski sich ans Kreuz geschlagen: sein Wissen, daß es den Glauben bezeuge, seinen Körper, daß er durch Kunst den neuen Menschen zeuge, seine Eigenheit um der Allheit willen. Er will seinen eigenen Untergang als Typus, damit eine glücklichere bessere Menschheit entstehe: alles Leiden nimmt er auf sich um das Glück der andern willen. Und der sich sechzig Jahre gespannt zur schmerzhaftesten Weite seines Gegensatzes, zerwühlt zu allen Tiefen seines Wesens, damit er Gott und damit den Sinn des Lebens finde – er wirft die gehäufte Erkenntnis weg für eine neue Menschheit, der er sein tiefstes Geheimnis sagt, die letzte Formel, seine unvergeßlichste: „Das Leben mehr lieben als den Sinn des Lebens.“ 130
zurück zum  Buch Drei Meister - Balzac - Dickens - Dostojewski"
Drei Meister Balzac - Dickens - Dostojewski
Titel
Drei Meister
Untertitel
Balzac - Dickens - Dostojewski
Autor
Stefan Zweig
Datum
1920
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
134
Schlagwörter
Literatur, Schriftsteller
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Romain Rolland als Dank für seine unerschütterliche Freundschaft in lichten und dunklen Jahren 5
  2. Balzac 7
  3. Dickens 29
  4. Dostojewski 50
  5. Einklang 51
  6. Das Antlitz 54
  7. Die Tragödie seines Lebens 56
  8. Sinn seines Schicksals 66
  9. Die Menschen Dostojewskis 77
  10. Realismus und Phantastik 90
  11. Architektur und Leidenschaft 103
  12. Der Überschreiter der Grenzen 113
  13. Die Gottesqual 121
  14. Vita Triumphatrix 131
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Drei Meister