Page - 4 - in Amerika
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»Ich habe es während der Fahrt gar nicht so bemerkt, aber es ist ein
schrecklich großes Schiff.« »Ja, da haben Sie recht«, sagte der Mann mit
einigem Stolz und hörte nicht auf, an dem Schloß eines kleinen Koffers zu
hantieren, den er mit beiden Händen immer wieder zudrückte, um das
Einschnappen des Riegels zu behorchen. »Aber kommen Sie doch herein!«
sagte der Mann weiter, »Sie werden doch nicht draußen stehn!« »Störe ich
nicht?« fragte Karl. »Ach, wie werden Sie denn stören!« »Sind Sie ein
Deutscher?« suchte sich Karl noch zu versichern, da er viel von den Gefahren
gehört hatte, welche besonders von Irländern den Neuankömmlingen in
Amerika drohen. »Bin ich, bin ich«, sagte der Mann. Karl zögerte noch. Da
faßte unversehens der Mann die Türklinke und schob mit der Türe, die er
rasch schloß, Karl zu sich herein. »Ich kann es nicht leiden, wenn man mir
vom Gang hereinschaut«, sagte der Mann, der wieder an seinem Koffer
arbeitete, »da läuft jeder vorbei und schaut herein, das soll der Zehnte
aushalten!« »Aber der Gang ist doch ganz leer«, sagte Karl, der unbehaglich
an den Bettpfosten gequetscht dastand. »Ja, jetzt«, sagte der Mann. ›Es
handelt sich doch um jetzt‹, dachte Karl, ›mit dem Mann ist schwer zu reden.‹
»Legen Sie sich doch aufs Bett, da haben Sie mehr Platz«, sagte der Mann.
Karl kroch, so gut es ging, hinein und lachte dabei laut über den ersten
vergeblichen Versuch, sich hinüberzuschwingen. Kaum war er aber im Bett,
rief er: »Gotteswillen, ich habe ja ganz meinen Koffer vergessen!« »Wo ist er
denn?« »Oben auf dem Deck, ein Bekannter gibt acht auf ihn. Wie heißt er
nur?« Und er zog aus seiner Geheimtasche, die ihm seine Mutter für die Reise
im Rockfutter angelegt hatte, eine Visitkarte. »Butterbaum, Franz
Butterbaum.« »Haben Sie den Koffer sehr nötig?« »Natürlich.« »Ja, warum
haben Sie ihn dann einem fremden Menschen gegeben?« »Ich habe meinen
Regenschirm unten vergessen und bin gelaufen, um ihn zu holen, wollte aber
den Koffer nicht mitschleppen. Dann habe ich mich auch hier noch verirrt.«
»Sie sind allein? Ohne Begleitung?« »Ja, allein.« ›Ich sollte mich vielleicht an
diesen Mann halten‹, ging es Karl durch den Kopf, ›wo finde ich gleich einen
besseren Freund.‹ »Und jetzt haben Sie auch noch den Koffer verloren. Vom
Regenschirm rede ich gar nicht.« Und der Mann setzte sich auf den Sessel, als
habe Karls Sache jetzt einiges Interesse für ihn gewonnen. »Ich glaube aber,
der Koffer ist noch nicht verloren.« »Glauben macht selig«, sagte der Mann
und kratzte sich kräftig in seinem dunklen, kurzen, dichten Haar, »auf dem
Schiff wechseln mit den Hafenplätzen auch die Sitten. In Hamburg hätte Ihr
Butterbaum den Koffer vielleicht bewacht, hier ist höchstwahrscheinlich von
beiden keine Spur mehr.« »Da muß ich aber doch gleich hinaufschauen«,
sagte Karl und sah sich um, wie er hinauskommen könnte. »Bleiben Sie nur«,
sagte der Mann und stieß ihn mit einer Hand gegen die Brust, geradezu rauh,
ins Bett zurück. »Warum denn?« fragte Karl ärgerlich. »Weil es keinen Sinn
hat«, sagte der Mann, »in einem kleinen Weilchen gehe ich auch, dann gehen
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Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik