Page - 8 - in Amerika
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fertig und wir können gehen. Kommen Sie!« Er faßte Karl bei der Hand,
nahm noch im letzten Augenblick ein eingerahmtes Muttergottesbild von der
Wand über dem Bett, stopfte es in seine Brusttasche, ergriff seinen Koffer und
verließ mit Karl eilig die Kabine.
»Jetzt gehe ich ins Büro und werde den Herren meine Meinung sagen. Es
ist kein Passagier mehr da, man muß keine Rücksicht nehmen.« Dieses
wiederholte der Heizer verschiedenartig und wollte im Gehen mit
Seitwärtsstoßen des Fußes eine den Weg kreuzende Ratte niedertreten, stieß
sie aber bloß schneller in das Loch hinein, das sie noch rechtzeitig erreicht
hatte. Er war überhaupt langsam in seinen Bewegungen, denn wenn er auch
lange Beine hatte, so waren sie doch zu schwer.
Sie kamen durch eine Abteilung der Küche, wo einige Mädchen in
schmutzigen Schürzen – sie begossen sie absichtlich – Geschirr in großen
Bottichen reinigten. Der Heizer rief eine gewisse Line zu sich, legte den Arm
um ihre Hüfte und führte sie, die sich immerzu kokett gegen seinen Arm
drückte, ein Stückchen mit. »Es gibt jetzt Auszahlung, willst du
mitkommen?« fragte er. »Warum soll ich mich bemühn, bring mir das Geld
lieber her«, antwortete sie, schlüpfte unter seinem Arm durch und lief davon.
»Wo hast du denn den schönen Knaben aufgegabelt?« rief sie noch, wollte
aber keine Antwort mehr. Man hörte das Lachen aller Mädchen, die ihre
Arbeit unterbrochen hatten.
Sie aber gingen weiter und kamen an eine Tür, die oben einen kleinen
Vorgiebel hatte, der von kleinen, vergoldeten Karyatiden getragen war. Für
eine Schiffseinrichtung sah das recht verschwenderisch aus. Karl war, wie er
merkte, niemals in diese Gegend gekommen, die wahrscheinlich während der
Fahrt den Passagieren der ersten und zweiten Klasse vorbehalten gewesen
war, während man jetzt vor der großen Schiffsreinigung die Trennungstüren
ausgehoben hatte. Sie waren auch tatsächlich schon einigen Männern
begegnet, die Besen an der Schulter trugen und den Heizer gegrüßt hatten.
Karl staunte über den großen Betrieb, in seinem Zwischendeck hatte er davon
freilich wenig erfahren. Längs der Gänge zogen sich auch Drähte elektrischer
Leitungen, und eine kleine Glocke hörte man immerfort.
Der Heizer klopfte respektvoll an der Türe an und forderte, als man »Herein!«
rief, Karl mit einer Handbewegung auf, ohne Furcht einzutreten. Dieser trat
auch ein, aber blieb an der Tür stehen. Vor den drei Fenstern des Zimmers sah
er die Wellen des Meeres, und bei Betrachtung ihrer fröhlichen Bewegung
schlug ihm das Herz, als hätte er nicht fünf lange Tage das Meer
ununterbrochen gesehen. Große Schiffe kreuzten gegenseitig ihre Wege und
gaben dem Wellengang nur so weit nach, als es ihre Schwere erlaubte. Wenn
man die Augen klein machte, schienen diese Schiffe vor lauter Schwere zu
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Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik