Page - 33 - in Amerika
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gleichfalls schwarz anzuziehen und mit ihm zum Essen zu kommen, an
welchem zwei Geschäftsfreunde teilnehmen würden. Während Karl sich im
Nebenzimmer umkleidete, setzte sich der Onkel zum Schreibtisch und sah die
gerade beendete Englischaufgabe durch, schlug mit der Hand auf den Tisch
und rief laut: »Wirklich ausgezeichnet!«
Zweifellos gelang das Anziehen besser, als Karl dieses Lob hörte, aber er
war auch wirklich seines Englischen schon ziemlich sicher.
Im Speisezimmer des Onkels, das er vom ersten Abend seiner Ankunft
noch in Erinnerung hatte, erhoben sich zwei große, dicke Herren zur
Begrüßung, ein gewisser Green der eine, ein gewisser Pollunder der zweite,
wie sich während des Tischgesprächs herausstellte. Der Onkel pflegte
nämlich kaum ein flüchtiges Wort über irgendwelche Bekannten
auszusprechen und überließ es immer Karl, durch eigene Beobachtung das
Notwendige oder Interessante herauszufinden. Nachdem während des
eigentlichen Essens nur intime geschäftliche Angelegenheiten besprochen
worden waren, was für Karl eine gute Lektion hinsichtlich kaufmännischer
Ausdrücke bedeutete, und man Karl still mit seinem Essen sich hatte
beschäftigen lassen, als sei er ein Kind, das sich vor allem ordentlich sattessen
müsse, beugte sich Herr Green zu Karl hin und fragte in dem unverkennbaren
Bestreben, ein möglichst deutliches Englisch zu sprechen, im allgemeinen
nach Karls ersten amerikanischen Eindrücken. Karl antwortete unter einer
Sterbensstille ringsherum mit einigen Seitenblicken auf den Onkel ziemlich
ausführlich und suchte sich zum Dank durch eine etwas New Yorkisch
gefärbte Redeweise angenehm zu machen. Bei einem Ausdruck lachten sogar
alle drei Herren durcheinander, und Karl fürchtete schon, einen groben Fehler
gemacht zu haben; jedoch nein, er hatte, wie Herr Pollunder erklärte, sogar
etwas sehr Gelungenes gesagt. Dieser Herr Pollunder schien überhaupt an
Karl ein besonderes Gefallen zu finden, und während der Onkel und Herr
Green wieder zu den geschäftlichen Besprechungen zurückkehrten, ließ Herr
Pollunder Karl seinen Sessel nahe zu sich hinschieben, fragte ihn zuerst
vielerlei über seinen Namen, seine Herkunft und seine Reise aus, bis er dann
schließlich, um Karl wieder ausruhen zu lassen, lachend, hustend und eilig
selbst von sich und seiner Tochter erzählte, mit der er auf einem kleinen
Landgut in der Nähe von New York wohnte, wo er aber allerdings nur die
Abende verbringen konnte, denn er war Bankier, und sein Beruf hielt ihn in
New York den ganzen Tag fest. Karl wurde auch gleich herzlichst eingeladen,
auf dieses Landgut hinauszukommen, ein so frischgebackener Amerikaner
wie Karl habe ja auch sicher das Bedürfnis, sich von New York manchmal zu
erholen. Karl bat den Onkel sofort um die Erlaubnis, diese Einladung
annehmen zu dürfen, und der Onkel gab auch scheinbar freudig diese
Erlaubnis, ohne aber ein bestimmtes Datum zu nennen oder auch nur in
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book Amerika"
Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik