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Herr Green jeden Gang behandelte, wenn er auch immer bereit war, jeden neuen Gang ohne Ermüdung zu empfangen, es bekam wirklich den Anschein, als wolle er sich von seiner alten Wirtschafterin gründlich erholen. Hin und wieder lobte er Fräulein Klaras Kunst in der Führung des Hauswesens, was ihr sichtlich schmeichelte, während Karl versucht war, ihn abzuwehren, als greife er sie an. Aber Herr Green begnügte sich nicht einmal mit ihr, sondern bedauerte öfters, ohne vom Teller aufzusehen, die auffallende Appetitlosigkeit Karls. Herr Pollunder nahm Karls Appetit in Schutz, obwohl er als Gastgeber Karl auch zum Essen hätte aufmuntern sollen. Und tatsächlich fühlte sich Karl durch den Zwang, unter dem er während des ganzen Nachtmahls litt, so empfindlich, daß er gegen die eigene bessere Einsicht diese Äußerung Herrn Pollunders als Unfreundlichkeit auslegte. Und es entsprach nur diesem seinen Zustand, daß er einmal ganz unpassend rasch und viel aß und dann wieder für lange Zeit müde Gabel und Messer sinken ließ und der Unbeweglichste der Gesellschaft war, mit dem der Diener, der die Speisen reichte, oft nichts anzufangen wußte. »Ich werde schon morgen dem Herrn Senator erzählen, wie Sie das Fräulein Klara durch Ihr Nichtessen gekränkt haben«, sagte Herr Green und beschränkte sich darauf, die spaßige Absicht dieser Worte durch die Art, wie er mit Besteck hantierte, auszudrücken. »Sehen Sie nur das Mädchen an, wie traurig es ist«, fuhr er fort und griff Klara unters Kinn. Sie ließ es geschehen und schloß die Augen. «Du Dingschen«, rief er, lehnte sich zurück und lachte, hochrot im Gesicht, mit der Kraft des Gesättigten. Vergebens suchte sich Karl das Benehmen Herrn Pollunders zu erklären. Der saß vor seinem Teller und sah in ihn, als geschehe dort das eigentlich Wichtige. Er zog Karls Sessel nicht näher zu sich, und wenn er einmal sprach, so sprach er zu allen, aber zu Karl hatte er nichts Besonderes zu reden. Dagegen duldete er, daß Green, dieser alte, ausgepichte New Yorker Junggeselle, mit deutlicher Absicht Klara berührte, daß er Karl, Pollunders Gast beleidigte oder wenigstens als Kind behandelte und wer weiß zu welchen Taten sich stärkte und vordrang. Nach Aufhebung der Tafel – als Green die allgemeine Stimmung merkte, war er der erste, der aufstand und gewissermaßen alle mit sich erhob – ging Karl allein abseits zu einem der großen, durch schmale weiße Leisten geteilten Fenster, die zur Terrasse führten und die eigentlich, wie er beim Nähertreten merkte, richtige Türen waren. Was war von der Abneigung übriggeblieben, die Herr Pollunder und seine Tochter anfangs gegenüber Green gefühlt hatten und die damals Karl etwas unverständlich vorgekommen war? Jetzt standen sie mit Green beisammen und nickten ihm zu. Der Rauch aus Herrn Greens Zigarre, einem Geschenk Pollunders, die von jener Dicke 42
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Amerika
Title
Amerika
Author
Franz Kafka
Date
1927
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
212
Keywords
Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Der Heizer 3
  2. Der Onkel 26
  3. Ein Landhaus bei New York 38
  4. Weg nach Ramses 67
  5. Hotel Occidental 89
  6. Der Fall Robinson 105
  7. Ein Asyl 137
  8. Das Naturtheater von Oklahoma 182
  9. Fragmente 199
    1. I. 199
    2. II. Ausreise Bruneldas 208
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