Page - 44 - in Amerika
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mußte – es sah leider ganz danach aus, obwohl man ihn hier beim Fenster
stehen und auf eigene Faust sich unterhalten ließ –, vielleicht wurde dieser
unglückliche Besuch der Wendepunkt zum Besseren in dem Verhältnis zum
Onkel, vielleicht hatte der Onkel in seinem Schlafzimmer heute abend
ähnliche Gedanken.
Ein wenig getröstet wandte er sich um. Klara stand vor ihm und sagte:
»Gefällt es Ihnen denn gar nicht bei uns? Wollen Sie sich hier nicht ein wenig
heimisch fühlen? Kommen Sie, ich will den letzten Versuch machen.«
Sie fĂĽhrte ihn quer durch den Saal zur TĂĽre. An einem Seitentisch saĂźen
die beiden Herren bei leicht schäumenden, in hohe Gläser gefällten
Getränken, die Karl unbekannt waren und die er zu kosten Lust gehabt hätte.
Herr Green hatte einen Ellbogen auf dem Tisch, sein ganzes Gesicht war
Herrn Pollunder möglichst nahe gerückt; wenn man Herrn Pollunder nicht
gekannt hätte, hätte man ganz gut annehmen können, es werde hier etwas
Verbrecherisches besprochen und kein Geschäft. Während Herr Pollunder mit
freundlichem Blick Karl zur TĂĽre folgte, sah sich Green, obwohl man doch
schon unwillkĂĽrlich sich den Blicken seines GegenĂĽbers anzuschlieĂźen pflegt,
auch nicht im geringsten nach Karl um, welchem in diesem Benehmen der
Ausdruck einer Art Ăśberzeugung Greens zu liegen schien, jeder, Karl fĂĽr sich
und Green für sich, solle hier mit seinen Fähigkeiten auszukommen
versuchen, die notwendige gesellschaftliche Verbindung zwischen ihnen
werde sich schon mit der Zeit durch den Sieg oder die Vernichtung eines von
beiden herstellen.
›Wenn er das meint‹, sagte sich Karl, ›dann ist er ein Narr. Ich will
wahrhaftig nichts von ihm, und er soll mich auch in Ruhe lassen.‹
Kaum war er auf den Gang getreten, fiel ihm ein, daĂź er sich
wahrscheinlich unhöflich benommen hatte, denn mit seinen auf Green
gehefteten Augen hatte er sich von Klara aus dem Zimmer fast schleppen
lassen. Desto williger ging er jetzt neben ihr her. Auf dem Wege durch die
Gänge traute er zuerst seinen Augen nicht, als er alle zwanzig Schritte einen
reich livrierten Diener mit einem Armleuchter stehen sah, dessen dicken
Schaft jene mit beiden Händen umschlossen hielten.
»Die neue elektrische Leitung ist bisher nur im Speisezimmer eingeführt«,
erklärte Klara. »Wir haben dieses Haus erst vor kurzem gekauft und es
gänzlich umbauen lassen, soweit sich ein altes Haus mit seiner eigensinnigen
Bauart überhaupt umbauen läßt.«
»Da gibt es also auch schon in Amerika alte Häuser«, sagte Karl.
»Natürlich«, sagte Klara lachend und zog ihn weiter. »Sie haben
merkwürdige Begriffe von Amerika.«
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Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik