Page - 47 - in Amerika
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gleiche sind. Solltest du das glauben wollen, so würde ich es doch vorziehen,
dich wirklich zu ohrfeigen. Was wohl Mack sagen wird, wenn ich ihm das
alles erzähle?«
Bei der Erinnerung an Mack ließ sie Karl los, in seinen undeutlichen
Gedanken erschien ihm Mack wie ein Befreier. Er fühlte noch ein Weilchen
Klaras Hand an seinem Hals, wand sich daher noch ein wenig und lag dann
still.
Sie forderte ihn auf, aufzustehen, er antwortete nicht und rührte sich nicht.
Sie entzündete irgendwo eine Kerze, das Zimmer bekam Licht, ein blaues
Zickzackmuster erschien auf dem Plafond, aber Karl lag, den Kopf aufs
Sofapolster aufgestützt so, wie ihn Klara gebettet hatte, und wandte ihn nicht
einen Fingerbreit. Klara ging im Zimmer herum, ihr Rock rauschte um ihre
Beine, wahrscheinlich beim Fenster blieb sie eine lange Weile stehen.
»Ausgetrotzt?« hörte man sie dann fragen.
Karl empfand es schwer, in diesem Zimmer, das ihm doch von Herrn
Pollunder für diese Nacht zugedacht war, keine Ruhe bekommen zu können.
Da wanderte dieses Mädchen herum, blieb stehen und redete, und er hatte sie
doch so unaussprechlich satt. Rasch schlafen und von hier fortgehen war sein
einziger Wunsch. Er wollte gar nicht mehr ins Bett, nur hier auf dem Kanapee
wollte er bleiben. Er lauerte nur darauf, daß sie wegginge, um hinter ihr her
zur Tür zu springen, sie zu verriegeln, und dann wieder zurück auf das
Kanapee sich zu werfen. Er hatte ein solches Bedürfnis, sich zu strecken und
zu gähnen, aber vor Klara wollte er das nicht tun. Und so lag er, starrte
hinauf, fühlte sein Gesicht immer unbeweglicher werden und eine ihn
umkreisende Fliege flimmerte ihm vor den Augen, ohne daß er recht wußte,
was es war.
Klara trat wieder zu ihm, beugte sich in die Richtung seiner Blicke, und
hätte er sich nicht bezwungen, hätte er sie schon anschauen müssen.
»Ich gehe jetzt«, sagte sie. »Vielleicht bekommst du später Lust, zu mir zu
kommen. Die Tür zu meinen Zimmern ist die vierte, von dieser Tür aus
gerechnet, auf dieser Seite des Ganges. Du gehst also an drei weiteren Türen
vorüber und die, zu welcher du dann kommst, ist die richtige. Ich gehe nicht
mehr hinunter in den Saal, sondern bleibe schon in meinem Zimmer. Du hast
mich aber auch ordentlich müde gemacht. Ich werde nicht gerade auf dich
warten, aber wenn du kommen willst, so komm. Erinnere dich, daß du
versprochen hast, mir auf dem Klavier vorzuspielen. Aber vielleicht habe ich
dich ganz entnervt und du kannst dich nicht mehr rühren, dann bleib und
schlaf dich aus. Dem Vater sage ich vorläufig von unserer Rauferei kein Wort;
ich bemerke das für den Fall, daß dir das Sorge machen sollte.« Darauf lief sie
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book Amerika"
Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik