Page - 48 - in Amerika
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trotz ihrer angeblichen Müdigkeit mit zwei Sprüngen aus dem Zimmer.
Sofort setzte sich Karl aufrecht, dieses Liegen war schon unerträglich
geworden. Um ein wenig Bewegung zu machen ging er zur Tür und sah auf
den Gang hinaus. War dort aber eine Finsternis! Er war froh, als er die Tür
zugemacht und abgesperrt hatte und wieder bei seinem Tisch im Schein der
Kerze stand. Sein Entschluß war, nicht länger in diesem Haus zu bleiben,
sondern hinunter zu Herrn Pollunder zu gehen, ihm offen zu sagen, wie ihn
Klara behandelt hatte – am Eingeständnis seiner Niederlage lag ihm gar
nichts –, und mit dieser wohl genügenden Begründung um die Erlaubnis zu
bitten, nach Hause fahren oder gehen zu dürfen. Sollte Herr Pollunder etwas
gegen diese sofortige Heimkehr einzuwenden haben, dann wollte ihn Karl
wenigstens bitten, ihn durch einen Diener zum nächsten Hotel führen zu
lassen. In dieser Weise, wie sie Karl plante, ging man zwar sonst in der Regel
nicht mit freundlichen Gastgebern um, aber noch seltener ging man mit einem
Gaste derart um, wie es Klara getan hatte. Sie hatte sogar noch ihr
Versprechen, dem Herrn Pollunder von der Rauferei vorläufig nichts zu
sagen, für eine Freundlichkeit gehalten, das war aber schon himmelschreiend.
Ja, war denn Karl zu einem Ringkampf eingeladen worden, so daß es für ihn
beschämend gewesen wäre, von einem Mädchen geworfen zu werden, das
wahrscheinlich den größten Teil ihres Lebens mit dem Lernen von
Ringkämpferkniffen verbracht hatte? Am Ende hatte sie gar von Mack
Unterricht bekommen. Mochte sie ihm nur alles erzählen; der war sicher
einsichtig, das wußte Karl, obwohl er niemals Gelegenheit gehabt hatte, das
im einzelnen zu erfahren. Karl wußte aber auch, daß, wenn Mack ihn
unterrichtete, er noch viel größere Fortschritte als Klara machen würde; dann
käme er eines Tages wieder hierher, höchstwahrscheinlich uneingeladen,
untersuchte natürlich zuerst die Örtlichkeit, deren genaue Kenntnis ein großer
Vorteil Klaras gewesen war, packte dann diese gleiche Klara und klopfte mit
ihr das kleine Kanapee aus, auf das sie ihn heute geworfen hatte.
Jetzt handelte es sich nur darum, den Weg zum Saal zurückzufinden, wo er
ja wahrscheinlich auch seinen Hut in der ersten Zerstreutheit auf einen
unpassenden Platz gelegt hatte. Die Kerze wollte er natürlich mitnehmen,
aber selbst bei Licht war es nicht leicht, sich auszukennen. Er wußte zum
Beispiel nicht einmal, ob dieses Zimmer in der gleichen Ebene wie der Saal
gelegen war. Klara hatte ihn auf dem Herweg immer so gezogen, daß er sich
gar nicht hatte umsehen können. Herr Green und die leuchtertragenden Diener
hatten ihm auch zu denken gegeben; kurz, er wußte jetzt tatsächlich nicht
einmal, ob sie eine oder zwei oder vielleicht gar keine Treppe passiert hatten.
Nach der Aussicht zu schließen, lag das Zimmer ziemlich hoch, und er suchte
sich deshalb einzubilden, daß sie über Treppen gekommen waren, aber schon
zum Hauseingang hatte man ja über Treppen steigen müssen, warum konnte
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book Amerika"
Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik