Page - 55 - in Amerika
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und zweitens mußte ich für das Gymnasium viel lernen, so daß ich für andere
Beschäftigungen nicht besonders viel Zeit hatte. – Ich erwähne das alles, um
Ihnen zu zeigen, wie abhängig ich von meinem Onkel bin und wie
verpflichtet infolgedessen ich ihm gegenüber auch bin. Sie werden sicher
zugeben, daß ich es mir bei solchen Verhältnissen nicht erlauben darf, auch
nur das geringste gegen seinen auch nur geahnten Willen zu tun. Und darum
muß ich, um den Fehler, den ich ihm gegenüber begangen habe, nur halbwegs
wiedergutzumachen, sofort nach Hause gehen.«
Während dieser langen Rede Karls hatte Herr Pollunder aufmerksam
zugehört, öfters, besonders wenn der Onkel erwähnt wurde, Karl, wenn auch
unmerklich, an sich gedrückt und einige Male ernst und wie erwartungsvoll
zu Green hinübergesehen, der sich weiterhin mit seiner Brieftasche
beschäftigte. Karl aber war, je deutlicher ihm seine Stellung zum Onkel im
Laufe seiner Rede zu Bewußtsein kam, immer unruhiger geworden, hatte sich
unwillkürlich aus dem Arm Pollunders zu drängen gesucht. Alles beengte ihn
hier; der Weg zum Onkel durch die Glastüre, über die Treppe, durch die
Allee, über die Landstraßen, durch die Vorstädte zur großen Verkehrsstraße,
einmündend in des Onkels Haus, erschien ihm als etwas streng
Zusammengehöriges, das leer, glatt und für ihn vorbereitet dalag und mit
einer starken Stimme nach ihm verlangte. Herrn Pollunders Güte und Herrn
Greens Abscheulichkeit verschwammen, und er wollte aus diesem rauchigen
Zimmer nichts anderes für sich haben als die Erlaubnis zum
Abschiednehmen. Zwar fühlte er sich gegen Herrn Pollunder abgeschlossen,
gegen Herrn Green kampfbereit, und doch erfüllte ihn ringsherum eine
unbestimmte Furcht, deren Stöße seine Augen trübten.
Er trat einen Schritt zurück und stand nun gleich weit von Herrn Pollunder
und von Herrn Green entfernt.
»Wollten Sie ihm nicht etwas sagen?« fragte Herr Pollunder Herrn Green
und faßte wie bittend Herrn Greens Hand.
»Ich wüßte nicht, was ich ihm sagen sollte«, sagte Herr Green, der endlich
einen Brief aus seiner Tasche gezogen und vor sich auf den Tisch gelegt hatte.
»Es ist recht lobenswert, daß er zu seinem Onkel zurückkehren will, und
nach menschlicher Voraussicht sollte man glauben, daß er dem Onkel eine
besondere Freude damit machen wird. Es müßte denn sein, daß er durch seine
Unfolgsamkeit den Onkel schon allzu böse gemacht hat, was ja auch möglich
ist. Dann allerdings wäre es besser, er bliebe hier. Es ist eben schwer, etwas
Bestimmtes zu sagen; wir sind zwar beide Freunde des Onkels und es dürfte
Mühe machen, zwischen meiner und Herrn Pollunders Freundschaft
Rangunterschiede zu erkennen, aber in das Innere des Onkels können wir
nicht hineinschauen, und ganz besonders nicht über die vielen Kilometer
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book Amerika"
Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik