Page - 59 - in Amerika
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»Kommen Sie doch, junger Herr«, sagte der Diener, »wenn Sie nun schon
einmal hier sind. Ich weiß, Sie wollten noch in der Nacht weggehen, es geht
eben nicht alles nach Wunsch, ich habe es Ihnen ja gleich gesagt, daß es kaum
möglich sein wird.«
»Ja, ich will weggehen und werde auch weggehen«, sagte Karl, »und will
jetzt nur von Fräulein Klara Abschied nehmen.«
»So?« sagte der Diener, und Karl sah ihm wohl an, daß er kein Wort davon
glaubte. »Warum zögern Sie also, Abschied zu nehmen; kommen Sie doch.«
»Wer ist auf dem Gang?« ertönte Klaras Stimme, und man sah sie aus einer
nahen Tür sich vorbeugen, eine große Tischlampe mit rotem Schirm in der
Hand. Der Diener eilte zu ihr hin und erstattete die Meldung. Karl ging ihm
langsam nach.
»Sie kommen spät«, sagte Klara.
Ohne ihr vorläufig zu antworten, sagte Karl zum Diener leise, aber, da er
seine Natur schon kannte, im Ton strengen Befehls: »Sie warten auf mich
knapp vor dieser Tür!«
»Ich wollte schon schlafen gehen,« sagte Klara und stellte die Lampe auf
den Tisch. Wie unten im Speisezimmer schloß auch hier wieder der Diener
vorsichtig von außen die Tür. »Es ist ja schon halb zwölf vorüber.«
»Halb zwölf vorüber?« wiederholte Karl fragend, wie erschrocken über
diese Zahlen. »Dann muß ich mich aber sofort verabschieden«, sagte Karl,
»denn Punkt zwölf muß ich schon unten im Speisesaal sein.«
»Was Sie für eilige Geschäfte haben! « sagte Klara und ordnete zerstreut
die Falten ihres losen Nachtkleides. Ihr Gesicht glühte und immerfort lächelte
sie. Karl glaubte zu erkennen, daß keine Gefahr bestand, mit Klara wieder in
Streit zu geraten. »Können Sie nicht doch noch ein wenig Klavier spielen, wie
es mir gestern Papa und heute Sie selbst versprochen haben?«
»Ist es nicht aber schon zu spät?« fragte Karl. Er hätte ihr gern gefällig sein
wollen, denn sie war ganz anders als vorher, so als wäre sie irgendwie
aufgestiegen in die Kreise Pollunders und weiterhin Macks.
»Ja, spät ist es schon«, sagte sie, und es schien ihr die Lust zur Musik
schon vergangen zu sein. »Dann widerhallt hier auch jeder Ton im ganzen
Hause, ich bin überzeugt, wenn Sie spielen, wacht noch oben in der
Dachkammer die Dienerschaft auf.«
»Dann lasse ich also das Spiel, ich hoffe ja bestimmt noch
wiederzukommen; übrigens, wenn es Ihnen keine besondere Mühe macht,
besuchen Sie doch einmal meinen Onkel und schauen Sie bei der Gelegenheit
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Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik