Page - 62 - in Amerika
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blendendem Widerschein von ihnen strahlte; auch der Baldachin leuchtete,
wenigstens am Rande, mit seiner leicht gewellten, nicht ganz fest gespannten
Seide. Gleich hinter Mack versank aber das Bett und alles in vollstÀndigem
Dunkel. Klara lehnte sich an den Bettpfosten und hatte nur noch Augen fĂŒr
Mack.
»Servus«, sagte Mack und reichte Karl die Hand. »Sie spielen ja recht gut,
bisher habe ich bloà Ihre Reitkunst gekannt.«
»Ich kann das eine so schlecht wie das andere«, sagte Karl. »Wenn ich
gewuĂt hĂ€tte, daĂ Sie zuhören, hĂ€tte ich bestimmt nicht gespielt. Aber ihr
FrĂ€ulein« â er unterbrach sich, er zögerte »Braut« zu sagen, da Mack und
Klara offenbar schon miteinander schliefen.
»Ich ahnte es ja«, sagte Mack, »darum muĂte Sie Klara aus New York
hierherlocken, sonst hÀtte ich Ihr Spiel gar nicht zu hören bekommen. Es ist ja
reichlich anfĂ€ngerhaft, und selbst in diesen Liedern, die Sie doch eingeĂŒbt
hatten und die sehr primitiv gesetzt sind, haben Sie einige Fehler gemacht,
aber immerhin hat es mich sehr gefreut, ganz abgesehen davon, daĂ ich das
Spiel keines Menschen verachte. Wollen Sie sich aber nicht setzen und noch
ein Weilchen bei uns bleiben? Klara, gib ihm doch einen Sessel.«
»Ich danke«, sagte Karl stockend. »Ich kann nicht bleiben, so gern ich
hierbliebe. Zu spÀt erfahre ich, daà es so wohnliche Zimmer in diesem Hause
gibt.«
»Ich baue alles in dieser Art um«, sagte Mack.
In diesem Augenblick erklangen zwölf GlockenschlÀge, rasch
hintereinander, einer in den LĂ€rm des anderen dreinschlagend. Karl fĂŒhlte das
Wehen der groĂen Bewegung dieser Glocken an den Wangen. Was war das
fĂŒr ein Dorf, das solche Glocken hatte!
»Höchste Zeit«, sagte Karl, streckte Mack und Klara nur die HÀnde hin,
ohne sie zu fassen, und lief auf den Gang hinaus. Dort fand er die Laterne
nicht und bedauerte, dem Diener zu bald das Trinkgeld gegeben zu haben.
Er wollte sich an der Wand zu der offenen TĂŒr seines Zimmers hintasten,
war aber kaum in der HĂ€lfte des Weges, als er Herrn Green mit erhobener
Kerze eilig heranschwanken sah. In der Hand, in der er auch die Kerze hielt,
trug er einen Brief.
»RoĂmann, warum kommen Sie denn nicht? Warum lassen Sie mich
warten? Was haben Sie denn bei FrÀulein Klara getrieben?«
âșViele Fragen!âč dachte Karl, âșund jetzt drĂŒckt er mich noch an die Wandâč,
denn tatsĂ€chlich stand er dicht vor Karl, der mit dem RĂŒcken an der Wand
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Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, ErzÀhlung
- Categories
- Weiteres Belletristik