Page - 64 - in Amerika
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Schritten mit Rat und Tat unterstützen. Um unsere Trennung zu begreifen, die
mir jetzt am Schlusse dieses Briefes wieder unfaßlich scheint, muß ich mir
immer wieder neuerlich sagen: Von Deiner Familie, Karl, kommt nichts
Gutes. Sollte Herr Green vergessen, Dir Deinen Koffer und Deinen
Regenschirm auszuhändigen, so erinnere ihn daran. Mit besten Wünschen für
Dein weiteres Wohlergehen.
Dein treuer Onkel Jakob.«
»Sind Sie fertig?« fragte Green.
»Ja«, sagte Karl. »Haben Sie mir den Koffer und den Regenschirm
mitgebracht?« fragte Karl.
»Hier ist er,« sagte Green und stellte Karls alten Reisekoffer, den er bisher
mit der linken Hand hinter dem Rücken versteckt hatte, neben Karl auf den
Boden.
»Und den Regenschirm?« fragte Karl weiter.
»Alles hier«, sagte Green und zog auch den Regenschirm hervor, den er in
einer Hosentasche hängen hatte. »Die Sachen hat ein gewisser Schubal, ein
Obermaschinist der Hamburg-Amerika-Linie, gebracht, er hat behauptet, sie
auf dem Schiff gefunden zu haben. Sie können ihm bei Gelegenheit danken.«
»Nun habe ich wenigstens meine alten Sachen wieder«, sagte Karl und
legte den Schirm auf den Koffer.
»Sie sollten aber in Zukunft besser auf sie achtgeben, läßt Ihnen der Herr
Senator sagen«, bemerkte Herr Green und fragte dann, offenbar aus privater
Neugierde: »Was ist das eigentlich für ein merkwürdiger Koffer?«
»Es ist ein Koffer, mit dem die Soldaten in meiner Heimat zum Militär
einrücken«, antwortete Karl, »es ist der alte Militärkoffer meines Vaters. Er ist
sonst ganz praktisch«, fügte er lächelnd hinzu, »vorausgesetzt, daß man ihn
nicht irgendwo stehen läßt.«
»Schließlich Sind Sie ja belehrt genug«, sagte Herr Green, »und einen
zweiten Onkel haben Sie in Amerika wohl nicht. Hier gebe ich Ihnen noch
eine Karte dritter Klasse nach San Franzisko. Ich habe diese Reise für Sie
beschlossen, weil erstens die Erwerbsmöglichkeiten im Osten für Sie viel
bessere sind und weil zweitens hier in allen Dingen, die für Sie in Betracht
kommen könnten, Ihr Onkel seine Hände im Spiele hat und ein
Zusammentreffen unbedingt vermieden werden muß. In Frisko können Sie
ganz ungestört arbeiten; fangen Sie nur ruhig ganz unten an und versuchen
Sie, sich allmählich hinaufzuarbeiten.«
Karl konnte keine Bosheit aus diesen Worten heraushören, die schlimme
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Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik