Page - 68 - in Amerika
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schleichenden Schritten holte. Er hatte kein Bedenken, Licht zu machen, denn
das Zimmer gehörte nach Auftrag des Wirtes ihm ebensogut wie den beiden
anderen, die überdies den Schlaf der halben Nacht schon genossen hatten und
durch den Besitz der Betten ihm gegenüber in unvergleichlichem Vorteil
waren. Im übrigen gab er sich natürlich durch Vorsicht beim Herumgehen und
Hantieren alle Mühe, sie nicht zu wecken.
Zunächst wollte er seinen Koffer untersuchen, um einmal einen Überblick
über seine Sachen zu bekommen, an die er sich schon nur undeutlich erinnerte
und von denen sicher das Wertvollste schon verlorengegangen sein dürfte.
Denn wenn der Schubal seine Hand auf etwas legt, dann ist wenig Hoffnung,
daß man es unbeschädigt zurückbekommt. Allerdings hatte er vom Onkel ein
großes Trinkgeld erwarten können, während er aber andererseits wieder beim
Fehlen einzelner Objekte auf den eigentlichen Kofferwächter, den Herrn
Butterbaum, sich hatte ausreden können.
Über den ersten Anblick beim Öffnen des Koffers war Karl entsetzt. Wie
viele Stunden hatte er während der Überfahrt darauf verwendet, den Koffer zu
ordnen und wieder neu zu ordnen, und jetzt war alles so wild durcheinander
hineingestopft, daß der Deckel beim Öffnen des Schlosses von selbst in die
Höhe sprang.
Bald aber erkannte Karl zu seiner Freude, daß die Unordnung nur darin
ihren Grund hatte, daß man seinen Anzug, den er während der Fahrt getragen
hatte und für den der Koffer natürlich nicht mehr berechnet gewesen war,
nachträglich mit eingepackt hatte. Nicht das geringste fehlte. In der
Geheimtasche des Rockes befand sich nicht nur der Paß, sondern auch das
von zu Hause mitgenommene Geld, so daß Karl, wenn er jenes, das er bei
sich hatte, dazu legte, mit Geld für den Augenblick reichlich versehen war.
Auch die Wäsche, die er bei seiner Ankunft auf dem Leib getragen hatte, fand
sich vor, rein gewaschen und gebügelt. Er legte auch sofort Uhr und Geld in
die bewährte Geheimtasche. Das einzig Bedauerliche war, daß die Veroneser
Salami, die auch nicht fehlte, allen Sachen ihren Geruch mitgeteilt hatte.
Wenn sich das nicht durch irgendein Mittel beseitigen ließ, hatte Karl die
Aussicht, monatelang in diesen Geruch eingehüllt herumzugehen.
Beim Hervorsuchen einiger Gegenstände, die zuunterst lagen – es waren
dies eine Taschenbibel, Briefpapier und die Photographien der Eltern –, fiel
ihm die Mütze vom Kopf und in den Koffer. In ihrer alten Umgebung
erkannte er sie sofort, es war seine Mütze, die Mütze, die ihm die Mutter als
Reisemütze mitgegeben hatte. Er hatte jedoch aus Vorsicht diese Mütze auf
dem Schiff nicht getragen, da er wußte, daß man in Amerika allgemein
Mützen statt Hüte trägt, weshalb er die seine nicht schon vor der Ankunft
hatte abnützen wollen. Nun hatte sie allerdings Herr Green dazu benützt, um
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book Amerika"
Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik