Page - 73 - in Amerika
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von Insassen zu bemerken. Später begannen die Kolonnen von Fuhrwerken,
welche Lebensmittel nach New York brachten, und die in fünf die ganze
Breite der Straße einnehmenden Reihen so ununterbrochen dahinzogen, daß
niemand die Straße hätte überqueren können. Von Zeit zu Zeit verbreiterte
sich die Straße zu einem Platz, in dessen Mitte auf einer turmartigen
Erhöhung ein Polizist auf und ab schritt, um alles übersehen und mit einem
Stöckchen den Verkehr auf der Hauptstraße sowie den von den Seitenstraßen
hier einmündenden Verkehr ordnen zu können, der dann bis zum nächsten
Platze und zum nächsten Polizisten unbeaufsichtigt blieb, aber von den
schweigenden und aufmerksamen Kutschern und Chauffeuren freiwillig in
genügender Ordnung gehalten wurde. Über die allgemeine Ruhe staunte Karl
am meisten. Wäre nicht das Geschrei der sorglosen Schlachttiere gewesen,
man hätte vielleicht nichts gehört als das Klappern der Hufe und das Sausen
der Antiderapants. Dabei war die Fahrtschnelligkeit natürlich nicht immer die
gleiche. Wenn auf einzelnen Plätzen infolge allzu großen Andrangs von den
Seiten große Umstellungen vorgenommen werden mußten, stockten die
ganzen Reihen und fuhren nur Schritt für Schritt, dann aber kam es auch
wieder vor, daß für ein Weilchen alles blitzschnell vorbeijagte, bis es, wie von
einer einzigen Bremse regiert, sich wieder besänftigte. Dabei stieg von der
Straße nicht der geringste Staub auf, alles bewegte sich in der klarsten Luft.
Fußgänger gab es keine, hier wanderten keine einzelnen Marktweiber zur
Stadt wie in Karls Heimat, aber doch erschienen hie und da große, flache
Automobile, auf denen an zwanzig Frauen mit Rückenkörben, also doch
vielleicht Marktweiber, standen und die Hälse streckten, um den Verkehr zu
überblicken und sich Hoffnung auf raschere Fahrt zu holen. Dann sah man
ähnliche Automobile, auf denen einzelne Männer, die Hände in den
Hosentaschen, herumspazierten. Auf einem dieser Automobile, die
verschiedene Aufschriften trugen, las Karl unter einem kleinen Aufschrei:
»Hafenarbeiter für die Spedition Jakob aufgenommen.« Der Wagen fuhr
gerade ganz langsam, und ein auf der Wagentreppe stehender kleiner,
gebückter, lebhafter Mann lud die drei Wanderer zum Einsteigen ein. Karl
flüchtete sich hinter die Schlosser, als könne sich auf dem Wagen der Onkel
befinden und ihn sehen. Er war froh, daß auch die beiden die Einladung
ablehnten, wenn ihn auch der hochmütige Gesichtsausdruck gewissermaßen
kränkte, mit dem sie das taten. Sie mußten durchaus nicht glauben, daß sie zu
gut waren, um in die Dienste des Onkels zu treten. Er gab es ihnen, wenn
auch natürlich nicht ausdrücklich, sofort zu verstehen. Darauf bat ihn
Delamarche, sich gefälligst nicht in Sachen einzumischen, die er nicht
verstehe; diese Art, Leute aufzunehmen, sei ein schändlicher Betrug, und die
Firma Jakob sei berüchtigt in den ganzen Vereinigten Staaten. Karl antwortete
nicht, hielt sich aber von nun an mehr an den Irländer, er bat ihn auch, ihm
jetzt ein wenig den Koffer zu tragen, was dieser, nachdem Karl seine Bitte
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Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik