Page - 78 - in Amerika
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Tischplatte in der einen Hand das Geld, das er mit der anderen Stück für
Stück in der Geheimtasche herumjagte und herausholte. Endlich glaubte er,
obwohl er das amerikanische Geld noch nicht genau kannte, er hätte,
wenigstens der Menge der Stücke nach, eine genügende Summe, und legte sie
auf den Tisch. Der Klang des Geldes unterbrach sofort die Scherze. Zu Karls
Ärger und zu allgemeinem Erstaunen zeigte sich, daß fast ein ganzer Dollar
dalag. Keiner fragte zwar, warum Karl von dem Gelde, das für eine bequeme
Eisenbahnfahrt nach Butterford gereicht hätte, früher nichts gesagt hatte, aber
Karl war doch in großer Verlegenheit. Langsam strich er, nachdem das Essen
bezahlt war, das Geld wieder ein, noch aus seiner Hand nahm Delamarche ein
Geldstück, das er für die Kellnerin als Trinkgeld brauchte, die er umarmte und
an sich drückte, um ihr dann, von der anderen Seite her, das Geld zu
überreichen.
Karl war ihnen dankbar, daß sie auf dem Weitermarsch keine Bemerkungen
über das Geld machten, und er dachte sogar eine Zeitlang daran, ihnen sein
ganzes Vermögen einzugestehen, unterließ das aber doch, da sich keine rechte
Gelegenheit fand. Gegen Abend kamen sie in eine mehr ländliche, fruchtbare
Gegend. Ringsherum sah man ungeteilte Felder, die sich in ihrem ersten Grün
über sanfte Hügel legten, reiche Landsitze umgrenzten die Straße, und
stundenlang ging man zwischen den vergoldeten Gittern der Gärten,
mehrmals kreuzten sie den gleichen langsam fließenden Strom und vielemal
hörten sie über sich die Eisenbahnzüge auf den hoch sich schwingenden
Viadukten donnern.
Eben ging die Sonne an dem geraden Rande ferner Wälder nieder, als sie
sich auf einer Anhöhe inmitten einer kleinen Baumgruppe ins Gras hinwerfen,
um sich von den Strapazen auszuruhen. Delamarche und Robinson lagen da
und streckten sich nach Kräften. Karl saß aufrecht und sah auf die ein paar
Meter tiefer führende Straße, auf der immer wieder Automobile, wie schon
während des ganzen Tages, leicht aneinander vorübereilten, als würden sie in
genauer Anzahl immer wieder von der Ferne abgeschickt und in der gleichen
Anzahl in der anderen Ferne erwartet. Während des ganzen Tages seit dem
frühesten Morgen hatte Karl kein Automobil halten, keinen Passagier
aussteigen gesehen.
Robinson machte den Vorschlag, die Nacht hier zu verbringen, da sie alle
genügend müde wären, da sie dann desto früher ausmarschieren könnten und
da sie schließlich kaum ein billigeres und besser gelegenes Nachtlager vor
Einbruch völliger Dunkelheit finden könnten. Delamarche war einverstanden,
und nur Karl glaubte zu der Bemerkung verpflichtet zu sein, daß er Geld
genug habe, um das Nachtlager für alle auch in einem Hotel zu bezahlen.
Delamarche sagte, sie würden das Geld noch brauchen, er solle es nur gut
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Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik