Page - 81 - in Amerika
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Geschäften fortlief. Aber ganz das Gegenteil trat ein. Karl hatte sie noch gar
nicht angeredet, sondern nur ein wenig belauert, als sie, wie man eben
manchmal mitten im Gespräch beiseiteschaut, zu Karl hinsah und ihn, ihre
Rede unterbrechend, freundlich und in einem Englisch, klar wie die
Grammatik, fragte, ob er etwas suche.
»Allerdings«, sagte Karl, »Ich kann hier gar nichts bekommen.«
»Dann kommen Sie mit mir, Kleiner«, sagte sie, verabschiedete sich von
ihrem Bekannten, der seinen Hut abnahm, was hier wie unglaubliche
Höflichkeit erschien, faßte Karl bei der Hand, ging zum Büfett, schob einen
Gast beiseite, öffnete eine Klapptüre im Pult, durchquerte den Gang hinter
dem Pult, wo man sich vor den unermüdlich laufenden Kellnern in acht
nehmen mußte, öffnete eine zweite Tapetentüre, und schon befanden sie sich
in großen, kühlen Vorratskammern. ›Man muß eben den Mechanismus
kennen‹, sagte sich Karl.
»Also, was wollen Sie denn?« fragte sie und beugte sich dienstbereit zu
ihm herab. Sie war sehr dick, ihr Leib schaukelte sich, aber ihr Gesicht hatte
eine, natürlich im Verhältnis, fast zarte Bildung. Karl war fast versucht, im
Anblick der vielen Eßwaren, die hier sorgfältig in Regalen und auf Tischen
aufgerichtet lagen, für seine Bestellung rasch ein feineres Nachtessen
auszudenken, besonders da er erwarten konnte, von dieser einflußreichen Frau
billiger bedient zu werden, schließlich aber nannte er doch wieder, da ihm
nichts Passendes einfiel, nur Speck, Brot und Bier.
»Nichts weiter?« fragte die Frau.
»Nein danke«, sagte Karl, »aber für drei Personen.«
Auf die Frage der Frau nach den beiden anderen erzählte Karl in ein paar
kurzen Worten von seinen Kameraden, es machte ihm Freude, ein wenig
ausgefragt zu werden.
»Aber das ist ja ein Essen für Sträflinge«, sagte die Frau und erwartete nun
offenbar weitere Wünsche Karls. Dieser aber fürchtete nun, sie werde ihn
beschenken und kein Geld annehmen wollen, und schwieg deshalb. »Das
werden wir gleich zusammengestellt haben«, sagte die Frau, ging mit einer
bei ihrer Dicke bewunderungswerten Beweglichkeit zu einem Tisch hin,
schnitt mit einem langen, dünnen, sägeblattartigen Messer ein großes Stück
mit viel Fleisch durchwachsenen Specks ab, nahm aus einem Regal einen
Laib Brot, hob vom Boden drei Flaschen Bier auf und legte alles in einen
leichten Strohkorb, den sie Karl reichte. Zwischendurch erklärte sie Karl, sie
habe ihn deshalb hierhergeführt, weil die Eßwaren draußen auf dem Büfett im
Rauch und in den vielen Ausdünstungen trotz dem schnellen Verbrauch
immer die Frische verlieren. Für die Leute draußen sei aber alles gut genug.
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Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik