Page - 94 - in Amerika
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in dem er an dienstfreien Abenden leicht parfümiert in die Stadt eilte; hie und
da bat er auch Karl, ihn abends zu vertreten, da er in Familienangelegenheiten
weggehen müsse, und es kümmerte ihn wenig, daß sein Aussehen allen
solchen Ausreden widersprach. Trotzdem konnte ihn Karl gut leiden und hatte
es gern, wenn Renell an solchen Abenden vor dem Ausgehen in seinem
Privatanzug unten beim Lift vor ihm stehenblieb, sich noch ein wenig
entschuldigte, während er die Handschuhe über die Finger zog, und dann
durch den Korridor abging. Im übrigen wollte ihm Karl mit diesen
Vertretungen nur eine Gefälligkeit machen, wie sie ihm gegenüber einem
älteren Kollegen am Anfang selbstverständlich schien, eine dauernde
Einrichtung sollte es nicht werden. Denn ermüdend genug war dieses ewige
Fahren im Lift allerdings und gar in den Abendstunden hatte es fast keine
Unterbrechung.
Bald lernte Karl auch die kurzen, tiefen Verbeugungen machen, die man
von den Liftjungen verlangt, und das Trinkgeld fing er im Fluge ab. Es
verschwand in seiner Westentasche, und niemand hätte nach seinen Mienen
sagen können, ob es groß oder klein war. Vor Damen öffnete er die Tür mit
einer kleinen Beigabe von Galanterie und schwang sich in den Aufzug
langsam hinter ihnen, die in Sorge um ihre Röcke, Hüte und Behänge
zögernder als Männer einzutreten pflegten. Während der Fahrt stand er, weil
dies das unauffälligste war, knapp bei der Tür, mit dem Rücken zu seinen
Fahrgästen, und hielt den Griff der Aufzugstür, um sie im Augenblick der
Ankunft plötzlich und doch nicht etwa erschreckend seitwärts wegzustoßen.
Selten nur klopfte ihm einer während der Fahrt auf die Schulter, um
irgendeine kleine Auskunft zu bekommen, dann drehte er sich eilig um, als
habe er es erwartet, und gab mit lauter Stimme Antwort. Oft gab es trotz den
vielen Aufzügen, besonders nach Schluß der Theater oder nach Ankunft
bestimmter Expreßzüge, ein solches Gedränge, daß er, kaum daß die Gäste
oben entlassen waren, wieder hinunterrasen mußte, um die dort Wartenden
aufzunehmen. Er hatte auch die Möglichkeit, durch Ziehen an einem durch
den Aufzugskasten hindurchgehenden Drahtseil, die gewöhnliche
Schnelligkeit zu steigern, allerdings war dies durch die Aufzugsordnung
verboten und sollte auch gefährlich sein. Karl tat es auch niemals, wenn er mit
Passagieren fuhr, aber wenn er sie oben abgesetzt hatte und unten andere
warteten, dann kannte er keine Rücksicht und arbeitete an dem Seil mit
starken, taktmäßigen Griffen wie ein Matrose. Er wußte übrigens, daß dies die
anderen Liftjungen auch taten, und er wollte seine Passagiere nicht an andere
Jungen verlieren. Einzelne Gäste, die längere Zeit im Hotel wohnten, was hier
übrigens ziemlich gebräuchlich war, zeigten hie und da durch ein Lächeln,
daß sie Karl als ihren Liftjungen erkannten, Karl nahm diese Freundlichkeit
mit ernstem Gesicht, aber gerne an. Manchmal, wenn der Verkehr etwas
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book Amerika"
Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik