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schlafen wollten, dies im Dunkel der einen Saalhälfte – es war ein großer Saal mit vierzig Betten – ruhig tun können, während die anderen im beleuchteten Teil Würfel oder Karten hätten spielen und alles übrige besorgen können, wozu Licht nötig war. Hätte einer, dessen Bett in der beleuchteten Saalhälfte stand, schlafen gehen wollen, so hätte er sich in eines der freien Betten im Dunkel legen können, denn es standen immer Betten genug frei, und niemand wendete gegen eine derartige vorübergehende Benützung seines Bettes durch einen anderen etwas ein. Aber es gab keine Nacht, in der diese Einteilung befolgt worden wäre. Immer wieder fanden sich zum Beispiel zwei, welche, nachdem sie das Dunkel zu etwas Schlaf ausgenutzt hatten, Lust bekamen, in ihren Betten auf einem zwischen sie gelegten Brett Karten zu spielen, und natürlich drehte sie eine passende elektrische Lampe auf, deren stechendes Licht die Schlafenden, wenn sie ihm zugewendet waren, auffahren ließ. Man wälzte sich zwar noch ein wenig herum, fand aber schließlich auch nichts Besseres zu tun, als mit dem gleichfalls geweckten Nachbarn auch ein Spiel bei neuer Beleuchtung vorzunehmen. Und wieder dampften natürlich auch alle Pfeifen. Es gab allerdings auch einige, die um jeden Preis schlafen wollten – Karl gehörte meist zu ihnen – und die, statt den Kopf aufs Kissen zu legen, ihn mit dem Kissen bedeckten oder hineinwickelten; aber wie wollte man im Schlaf bleiben, wenn der nächste Nachbar in tiefer Nacht aufstand, um vor dem Dienst noch ein wenig in der Stadt dem Vergnügen nachzugehen, wenn er in dem am Kopfende des eigenen Bettes angebrachten Waschbecken laut und wassersprühend sich wusch, wenn er die Stiefel nicht nur polternd anzog, sondern stampfend sich besser in sie hineintreten wollte – fast alle hatten trotz amerikanischer Stiefelform zu enge Stiefel –, um dann schließlich, da ihm eine Kleinigkeit in seiner Ausstattung fehlte, das Kissen des Schlafenden zu heben, unter dem man, allerdings schon längst geweckt, nur darauf wartete, auf ihn loszufahren? Nun waren sie aber auch alle Sportsleute und junge, meist kräftige Burschen, die keine Gelegenheit zu sportlichen Übungen versäumen wollten. Und man konnte sicher sein, wenn man in der Nacht, mitten aus dem Schlaf durch großen Lärm geweckt, aufsprang, auf dem Boden neben seinem Bett zwei Ringkämpfer zu finden und bei greller Beleuchtung auf allen Betten in der Runde aufrecht stehende Sachverständige in Hemd und Unterhosen. Einmal fiel anläßlich eines solchen nächtlichen Boxkampfes einer der Kämpfer über den schlafenden Karl, und das erste, was Karl beim Öffnen der Augen erblickte, war das Blut, das dem Jungen aus der Nase rann und, ehe man noch etwas dagegen unternehmen konnte, das ganze Bettzeug überfloß. Oft verbrachte Karl fast die ganzen zwölf Stunden mit Versuchen, einige Stunden Schlaf zu gewinnen, obwohl es ihn auch sehr lockte, an den Unterhaltungen der anderen teilzunehmen; aber immer wieder schien es ihm, daß alle anderen in ihrem Leben einen Vorsprung vor ihm hatten, den er durch fleißigere Arbeit und ein 96
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Amerika
Title
Amerika
Author
Franz Kafka
Date
1927
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
212
Keywords
Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Der Heizer 3
  2. Der Onkel 26
  3. Ein Landhaus bei New York 38
  4. Weg nach Ramses 67
  5. Hotel Occidental 89
  6. Der Fall Robinson 105
  7. Ein Asyl 137
  8. Das Naturtheater von Oklahoma 182
  9. Fragmente 199
    1. I. 199
    2. II. Ausreise Bruneldas 208
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