Page - 108 - in Amerika
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Furcht vor dem, was er zu sehen bekommen könnte. Es beruhigte ihn wenig,
daß er keinen Laut, nicht einmal einen Seufzer, von dort hörte. Er bediente
zwar seine Gäste und fuhr mit ihnen auf und ab, aber seine Zerstreutheit
konnte er doch nicht ganz verbergen, und bei jeder Abwärtsfahrt war er
darauf gefaßt, unten eine peinliche Überraschung vorzufinden.
Endlich hatte er wieder Zeit, nach Robinson zu sehen, der in seinem
Winkel ganz klein kauerte und das Gesicht gegen die Knie drückte. Seinen
runden, harten Hut hatte er weit aus der Stirne geschoben.
»Also jetzt gehen Sie schon«, sagte Karl leise und bestimmt. »Hier ist das
Geld. Wenn Sie sich beeilen, kann ich Ihnen noch den kürzesten Weg zeigen.«
»Ich werde nicht weggehen können«, sagte Robinson und wischte sich mit
einem winzigen Taschentuche die Stirn, »ich werde hier sterben. Sie können
sich nicht vorstellen, wie schlecht mir ist. Delamarche nimmt mich überall in
die feinen Lokale mit, aber ich vertrage dieses zimperliche Zeug nicht, ich
sage es Delamarche täglich.«
»Hier können Sie nun einmal nicht bleiben«, sagte Karl, »bedenken Sie
doch, wo Sie sind. Wenn man Sie hier findet, werden Sie bestraft, und ich
verliere meinen Posten. Wollen Sie das?«
»Ich kann nicht weggehen«, sagte Robinson, »lieber springe ich da
hinunter«, und er zeigte zwischen den Geländerstangen in den Lichtschacht.
»Wenn ich hier so sitze, so kann ich es noch ertragen, aber aufstehen kann ich
nicht, ich habe es ja schon versucht, während Sie weg waren.«
»Dann hole ich also einen Wagen, und Sie fahren ins Krankenhaus«, sagte
Karl und schüttelte ein wenig Robinsons Beine, der jeden Augenblick in
völlige Teilnahmslosigkeit zu verfallen drohte. Aber kaum hatte Robinson das
Wort Krankenhaus gehört, das ihm schreckliche Vorstellungen zu erwecken
schien, als er laut zu weinen anfing und die Hände, um Gnade bittend, nach
Karl ausstreckte.
»Still«, sagte Karl, schlug ihm mit einem Klaps die Hände nieder, lief zu
dem Liftjungen, den er in der Nacht vertreten hatte, bat ihn für ein kleines
Weilchen um die gleiche Gefälligkeit, eilte zu Robinson zurück, zog den noch
immer Schluchzenden mit aller Kraft in die Höhe und flüsterte ihm zu:
»Robinson, wenn Sie wollen, daß ich mich Ihrer annehme, dann strengen Sie
sich aber an, jetzt eine ganz kleine Strecke Wegs aufrecht zu gehen. Ich führe
Sie nämlich in mein Bett, in dem Sie so lange bleiben können, bis Ihnen gut
ist. Sie werden staunen, wie bald Sie sich erholen werden. Aber jetzt
benehmen Sie sich nur vernünftig, denn auf den Gängen sind überall Leute,
und auch mein Bett ist in einem allgemeinen Schlafsaal. Wenn man auf Sie
auch nur ein wenig aufmerksam wird, kann ich nichts mehr für Sie tun. Und
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Amerika
- Title
- Amerika
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1927
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 212
- Keywords
- Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
- Categories
- Weiteres Belletristik